Xbox One X im Test: Zeit, die Xbox One wegzuschmeissen
„Alles, was du kannst, das kann ich viel besser“: Diesen Ohrwurm hatte Microsoft vermutlich, als Sony seine PS4 Pro mit „dynamischen 4K-Gaming“ im November 2016 veröffentlicht hat. Der US-Konzern ließ sich Zeit, um die Musical-Nummer in die Tat umzusetzen. Ein Jahr später ist jetzt die Xbox One X da, die „True 4K-Gaming mit 40 Prozent mehr Leistung als bei anderen Konsolen“ bieten soll. Ich habe sie getestet.
Schweres Understatement
Die Xbox One X setzt auf Understatement: Kein Klavierlack, keine exzentrische Gehäuseform, kein brachialer Hardware-Brocken, der wie ein Fremdkörper aus einem Jahrzehnt, indem Hightech noch in Volumen gemessen wurde, die Wohnzimmer-Landschaft verschandelt.
Die Xbox One X ist schlicht, matt und fast schon elegant. Die einzige Spielerei ist ein etwas nach hinten versetzter Unterteil, in dem das Slot-In-Laufwerk, ein Front-USB-Anschluss und die Tasten für Disk auswerfen und Controller verbinden zu finden sind. Die großzügigen Lüfterlöcher, die bei der Xbox One S (der kleineren und eine Spur schnelleren Xbox One) die Hälfte des Gehäuses einnehmen, gibt es bei der X nicht. Die Lüftungslöcher sind hier unauffällig an der linken, rechten und Rückseite.
Die X ist zwar deutlich kleiner als die Original-Xbox-One, mit 3,8 Kilogramm aber schwerer. Das liegt unter anderem daran, dass das Netzteil intern ist, während es bei der Xbox One extern war.
Kleine Festplatte
Der proprietäre Kinect-Anschluss ist bei der X, wie schon zuvor bei der Xbox One S, nicht mehr vorhanden. Ansonsten gibt es die üblichen Anschlüsse. Mit den zwei USB-Slots an der Rückseite gibt es insgesamt drei USB-Anschlüsse. Ein HDMI-In ist wieder vorhanden, um die X zwischen Flat-TV und Settop-Box zu schalten.
Die X gibt es derzeit nur mit einer 1 Terabyte großen Festplatte, davon sind etwa 780 GB nutzbar. Durch die höher auflösenden Texturen sind die Xbox-One-Spiele, die für die X optimiert sind, deutlich größer als ihre normalen Versionen. Forza 7 ist auf der X 95 GB groß, Halo 5 97 GB und Gears of War 4 103 GB. Will man nicht ständig Games deinstallieren müssen um neue spielen zu können, sollte man auf die 2-TB-Version der Xbox One X warten, oder eine externe Festplatte anschließen. Geeignete, externe Speicher mit 2 TB Kapazität findet man ab etwa 110 Euro.
Ebenfalls bedenken sollte man, dass die X-Updates für die bessere Grafik auch heruntergeladen werden müssen, wenn man das Spiel auf Disk gekauft hat. Bei den meisten Games sind das zusätzlich 10 bis 30 GB, Quantum Break ist der Ausreißer mit 94 GB. Entsprechend stabil und schnell sollte die Internetanbindung sein. Selbst dann wird man zu Beginn die Xbox One X wahrscheinlich gut einen Tag lang laufen lassen müssen, bis alle Updates für die Spiele heruntergeladen sind, was an den teils lahmen Xbox-Servern liegen dürfte. Zumindest in meinem Test war es so, trotz 150-Mbit-Leitung, die gemessen immerhin 130 Mbit/s lieferte.
Ernüchterndes Menü
Eine Schwäche der Xbox One X ist dieselbe, wie bei allen Xboxen: das Menü. Ich bin zwar Windows-10-User, halte das Herbst-Update für die Xbox-One-Konsolen aber dennoch für unübersichtlich und nicht intuitiv. Bei einer Spielkonsole will ich als erstes meine Spiele sehen und nicht erst in ein Menü klicken oder diese pinnen müssen, um sie schnell starten zu können.
Bevor man 4K-Gaming nutzen kann, muss es erst aktiviert werden. Standardmäßig ist die Ausgabe der X auf 1080p eingestellt. Ist 4K aktiviert, sollte HDR auch automatisch aktiviert sein, wenn es der TV unterstützt. Trotzdem sollte bei den erweiterten Videoeinstellungen überprüft werden, ob die Option ausgewählt ist.
Die Menüs werden dennoch nicht in 4K dargestellt, was einen etwas seltsamen ersten Eindruck für eine Konsole erweckt, die mit besonders viel Leistung für 4K-Gaming wirbt.
Ladezeiten
Die größere Leistung der Xbox One X reduziert die Ladezeiten bei Games – allerdings nicht bei allen. Dies ist davon abhängig, ob die Games mit nativem 4K/UHD dargestellt werden. Nicht für die X optimierte/gepatchte Games laden auf der Xbox One X deutlich schneller als auf der Xbox One S. Optimierte Games, die aber nicht nativ in 4K ausgegeben werden, laden ebenfalls schneller, wie Assassins Creed Origins.
Bei Games, die nach dem Patch in echtem 4K laufen, wie etwa Gears of War 4, ist die Ladezeit in etwa gleich, bzw. bei einigen Levels sogar ein paar Sekunden länger. Aber auch hier gibt es Ausreisser. Forza 7, ein Vorzeigespiel für die 4K-Grafik, lädt auf der X merkbar schneller. Allerdings könnte das auch daran liegen, dass die normale Version von Forza 7 dringend optimiert werden müsste, da diese furchtbar langen Ladezeiten hat.
Lautstärke und Strombedarf
Das Lüfter-Management der Xbox One X ist sehr gut. Die Lautstärke ist so gering, dass sie beim Spielen überhaupt nicht auffällt. Auch nach zwei Stunden Spielzeit bleibt sie angenehm leise bis nicht wahrnehmbar. Die PS4 Pro ist merkbar lauter. Laut wird es bei der Xbox One X erst, wenn das HD-Blu-ray-Laufwerk verwendet wird. Beim Filmeschauen habe ich das in ruhigen Szenen bereits als störend wahrgenommen.
Viel Leistung braucht viel Strom. Beim Gaming in 4K ist der Strombedarf bei 160 bis 180 Watt, im Dashboard sind es ca. 60 Watt. Im Instant-On-Modus, Microsofts Name für den Standby-Modus der Xbox One X, sind es etwa 30 Watt. Wenn hier im Hintergrund Updates runtergeladen werden, steigt der Verbrauch auf bis zu 45 Watt. Ist der Instant-On-Modus deaktiviert, ist die Konsole fast ausgeschaltet und verbraucht etwas weniger als ein Watt. Dafür werden aber keine Updates im Hintergrund geladen und das Booten dauert nervenaufreibende 45 Sekunden bis eine Minute.
Echtes 4K-Gaming
Die Xbox One X kann aktuelle Games in nativem 4K (3840 x 2160 Pixel, 2160p) darstellen, sofern diese entsprechend optimiert sind. Forza 7 ist hier das Vorzeigebeispiel, das in 4K mit 60 Frames pro Sekunde und HDR läuft. Die höhere Auflösung ist vor allem daran merkbar, dass die Darstellung sauberer aussieht. Zwar sind aktuelle Smart-TVs bzw. Receiver relativ gut im Upscaling, ein echter 4K-Inhalt ist aber klarer, was bei Forza 7 sehr deutlich ist.
Besonders spektakulär wird es bei Regenwetter und Nachtrennen. Die hohe Auflösung, gepaart mit den 4K-Texturen und dem HDR-Modus, lässt Forza 7 glänzen. Will man Besucher davon überzeugen, dass die Konsole ihre 499 Euro wert ist, zeigt man ihnen ein Forza-7-Rennen bei Nacht oder Regen.
Auch wenn die Xbox One X leistungsstark ist, ist sie keine Wundermaschine. Damit Forza 7 mit 60 fps in 4K stabil läuft, müssen Kompromisse gemacht werden. So sieht man bei den Tagrennen eine Treppchenbildung bei Objekten in der Mitteldistanz. Besonders deutlich ist das bei den weißen Begrenzungsstreifen der Strecke. Bei Objekten am Streckenrand gibt es auch starke Einschränkungen. Die Bäume sind zwei 2D, was, gemessen an dem extrem hohen Detailgrad und der Darstellungsqualität der Autos in 4K, lächerlich wirkt.
Halo und Gears of War
Halo 5 ist zwar schon vor zwei Jahren erschienen, profitiert aber sehr stark vom Xbox-One-X-Update. Die Darstellung ist in 4K mit 60 fps. In die Science-Fiction-Umgebung passt die saubere Darstellung des nativem 4K sehr gut, die höherauflösenden Texturen sind ebenfalls willkommen. Zwar unterstützt Halo 5 kein HDR, allerdings sieht das Game auch so hervorragend aus.
Das vor einem Jahr veröffentlichte Gears of War 4 unterstützt mit dem X-Update HDR, allerdings sind im Einzelspielermodus in 4K nur 30 fps möglich. Wird in den Spieleinstellungen die Option „Leistung“ gewählt, wird das Game in 1080p mit 60 fps ausgegeben, was besser aussieht als bei der Xbox One S. Die Mischung auf 4K und HDR ist bei Gears of War 4 gewöhnungsbedürftig, da das eigentlich eher düstere Game dadurch zu sauber und poppig wirkt. Hier hat man es mit den Verbesserungen etwas übertrieben.
Dynamisches 4K
Die Xbox One X hat nicht nur theoretisch mehr Leistung als die PS4 Pro, sondern die Spiele sehen im Vergleich auch tatsächlich besser aus. Bei Mittelerde: Schatten des Krieges ist die Weitsicht besser, die Texturen detaillierter und die Auflösung höher. Wird in den Qualitätseinstellungen des Spiels die Option „Auflösung“ gewählt, wird echtes 4K forciert, dafür aber in einigen Szenen die Textur- und Schattenqualität nach unten reguliert. Bei der Einstellung „Qualität“ mit der Zusatzoption dynamische Auflösung sieht das Game besser aus. Wenn es die Spielszene erlaubt, wird hier die Auflösung auch auf 2160p hochgeschraubt. Ansonsten ist sie etwas niedriger. Laut Messungen vonEurogramerzwischen 1890p und 2016p, was immer noch deutlich höher ist als bei der PS4 Pro.
Bei Assassins Creed Origins ist die Auflösung immer dynamisch. Im direkten Vergleich ist das hauptsächlich an den detaillierteren Schatten sichtbar und bei einigen Texturen. Bei der Weitsicht gibt es keine merkbaren Unterschiede.
An diesen zwei Third-Party-Titeln merkt man, dass die Xbox One X ihr Potenzial nur ausschöpfen kann, wenn die Games auch entsprechend angepasst sind. Ist das der Fall, sehen die Games erkennbar besser als auf der PS4 Pro aus. Mit einem leistungsstarken Spiele-PC kann die X aber dennoch nicht mithalten – verständlich, da man für ein PC-System, das aktuelle Games mit 4K und mindestens 30 fps wiedergibt, um die 1500 Euro investieren muss.
FullHD
Vergleicht man dasselbe Spiel auf einem 4K/UHD-TV auf der Xbox One und Xbox One X, sind die Unterschiede sehr deutlich – wenn das Spiel für die X optimiert ist. Bei nicht optimierten Spielen gibt es leichte Verbesserungen, die sich in kürzeren Ladezeiten, einer stabileren Framerate und teilweise etwas weniger verwaschene Texturen in der Distanz äußern.
Games, die für die höhere Auflösung auf der Xbox One X optimiert wurden, sehen prinzipiell auf einem 4K-TV besser als auf einem FullHD-TV aus. Auf einem FullHD-TV sind die optimierten Spiele aber auch schöner, da hier unter anderem die dynamische Beleuchtung und Kantenglättung verbessert wurde.
Zudem gibt die Xbox One X diese Spiele in einer höheren, nativen Auflösung aus, die dann auf 1080p heruntergerechnet werden. Durch dieses Supersampling gibt es einen zusätzlichen Kantenglättungseffekt und gleichzeitig eine schärfere Darstellung durch höherauflösende Texturen. Bei der normalen Xbox One werden viele aktuelle Games aus Leistungsgründen nicht einmal in FullHD, sondern nativ in 900p ausgegeben – bei manchen Szenen kann dies sogar auf 720p sinken. Durch Supersampling und ein echtes 1080p-Signal, mit einer stabilen Framerate, kann die Xbox One X also sogar bei Besitzern von FullHD-TVs für einen Wow-Effekt sorgen.
Fazit
Wer bis jetzt mit der Anschaffung einer PS4 oder Xbox One gewartet hat, hat das richtige gemacht. Will man die Spielekonsole haben, die den neuen 4K/UHD-TV am besten ausreizt, ist die Xbox One X die richtige Wahl - sofern man auf aktuelle und kommende PS4-Eclusives verzichten kann, wie The Last of Us 2, Horizon: Zero Dawn, Death Stranding, Days Gone, Detroit und God of War.
Wer bereits eine PS4 mit etlichen Games hat, sollte lieber eine PS4 Pro kaufen, anstatt das Konsolen-Lager zu wechseln. Denn die X ist zwar leistungsstärker als die Pro, aber markant wirkt sich das nur aus, wenn das Game richtig optimiert ist, was bei Third-Party-Games derzeit nicht immer der Fall ist.
Besitzer der Ur-Xbox-One, aka des VHS-Videorekorder-Imitats mit externem Ziegelstein-Netzteil, haben schon wegen dieser visuellen Wohnzimmer-Belästigung einen Grund für das X-Upgrade. Das alleine rechtfertigt aber kaum die Investition von 500 Euro, wenn es die ebenfalls schlankere Xbox One S im Bundle mit einem Spiel um 260 Euro gibt. In Relation dazu ist die Xbox One X aber die einzige Konsole, die echtes natives 4K-Gaming ermöglicht (zumindest bei einigen Spielen) und dabei aber nur ein Drittel eines vernünftigen Gaming-Rigs kostet.
Ein besserer Grund von der alten Xbox One auf die X umzusteigen ist, um den 4K/UHD-TV mit einer vernünftigen, nativen Auflösung zu füttern und nicht mehr mit den 720p bis 900p. Hat man einen entsprechenden TV, die 500 Euro Spielgeld übrig und will in den nächsten Jahren der Xbox die Treue halten, ist die Xbox One X eine gute Investition - und der schwarze Xbox-One-Brocken endlich reif für die Rente.