Beziehungsstatus: It’s complicated. Very.
Was Facebook betrifft, war ich eine ziemliche Spätzünderin. Denn eigentlich war ich immer schon “gegen dieses Netzwerk, wo sich jetzt auf einmal alle Studenten sammeln”, da war ich mir schon vor dem Anmelden sicher. Diese Sicherheit hab ich mir dann, ein wenig auch aus Trotz, einige Jahre lang bewahrt. Ich habe damit ein Statement abgegeben oder abgeben wollen. “Nicht mit mir.” Ich würde mich nicht bei diesem langweiligen Facebookdings registrieren. Außerdem: Das Design und so, das gefiel mir auch nicht.
Ich war auf MySpace. Und auf MySpace hat es mir gut gefallen, vor ca. zehn Jahren war das. Auf MySpace gab es viel Musik und alle meine damaligen Freunde und Bekannten waren dort.
Eingeknickt
Am 26. Juli 2008 ist es schließlich passiert: Ich habe meine Vorbehalte über Bord geworfen und mich doch bei Facebook angemeldet. Es war ein typischer Fall von “Na gut”. Ein bisschen sozialer Druck, das langsam heraufschleichende Gefühl von Ausgeschlossen sein, die zunehmende Stille, da wo ich mich im digitalen Leben immer noch aufhielt. Alle verfügbaren Optionen habe ich von Anfang an auf “privat”, “nur Freunde”, “nur ich”, “von der Suche ausnehmen”, usw. gestellt.
Zu Beginn stand der feste Vorsatz: Keine Freundschaftsanfragen annehmen, wenn ich jemanden nicht sowieso persönlich kenne. Denn, wenn schon, dann sollte Facebook, das ja suggeriert, ein Netzwerk für Freunde zu sein, für mich tatsächlich diesen Zweck erfüllen: Eine Verbindung zu Freunden, zu Bekannten maximal. Diesen Vorsatz hielt ich eine Zeit lang, aber natürlich nicht ewig durch - seis drum.
Immer mehr Menschen, die ich kannte, beruflich wie privat, waren in dem - noch immer irgendwie neuen - Netzwerk vertreten. Es war bequem, wie man sich so mit den Leuten vernetzen und verabreden und lustige Statusmeldungen verbreiten konnte. Das fand ich anfangs zumindest ok.
Das Misstrauen und das Unbehagen
Dann fing das Misstrauen, das Betrogen fühlen an. Im Laufe der Zeit musste ich, und wohl nicht nur ich, feststellen, dass Facebook wieder einmal an den Privatsphäreeinstellungen geschraubt, oder wie es im Netzwerk-Lingo heißt, diese “verbessert” hatte. In den meisten Fällen wurde und wird dabei keine Informationspolitik betrieben, sondern vielmehr die Strategie “Wir sagens euch dann im Nachhinein” verfolgt. Einstellungen, die mir lieb und teuer waren, gab es plötzlich nicht mehr. Umdenken, Nachprüfen - das wurde für mich zur Gewohnheit auf Facebook. Dass die Einstellungen zum Teil so kompliziert gestaltet werden, dass man eine Lehrveranstaltung damit füllen könnte, trägt nicht unbedingt zur Behaglichkeit bei.
Facebook ist kein Wohltätigkeitsverein, Facebook ist eine Firma, die selbstverständlich einen knallharten Businessplan verfolgt. Dass ich mich so lieb und lustig mit meinen Freunden und Nichtmal-Freunden vernetzen darf, dafür bezahle ich mit meinen Daten. Ich weiß, ich weiß, ja in meinem Beruf muss ich das auch wissen, nicht? Die anderen - Google und Apple und wie sie alle heißen - die wollen auch meine Daten und die kriegen meine Daten und überhaupt, es geht doch nur noch um meine Daten. Ich kann mich darauf einstellen, ich weiß, was ich ins Social Web schieße und ich hab nicht vor, meinem Chef im Krankenstand ein Foto aus dem Schwimmbad in die Timeline zu schicken.
Das Problem, das ich mit Facebook habe, ist die Intransparenz, mit der das Unternehmen agiert. Was mich ärgert, ist das nachträgliche Beschneiden meiner Kontrollmöglichkeiten, das Hintenrum, das langsame Ausdünnen der Privatsphäre und die Dreistigkeit, mit der mir, den Usern, dieses Vorgehen als eben jene “Verbesserungen” verkauft wird.
Die Zweckgemeinschaft
Ja wieso meldet sie sich nicht bei Facebook ab, das ist doch total inkonsequent, so dagegen und trotzdem dabei - mag man sich jetzt denken. Wahrscheinlich ist es tatsächlich ein bisschen inkonsequent. Ziemlich sicher könnte ich gut ohne Facebook leben, so aus der Beziehung zwischen Facebook und mir gesprochen. Garantiert würde ich damit den Ansprüchen an mich selbst gerechter werden.
Die Realität ist jedoch eine Zweckgemeinschaft, ein blöder Kompromiss, gespickt von Aussitzen und Ausblenden. Es gab eine Zeit, da hatte ich aus Ärgernis beschlossen, mich zwar nicht abzumelden - wobei, sich wirklich abmelden ist bei Facebook gar nicht so leicht - aber jedenfalls nichts mehr aktiv zu posten. Auf Dauer hat das leider auch nicht so richtig geklappt.
Denn über die Jahre ist Facebook nun einmal zum weltweit größten sozialen Netzwerk angewachsen, zu einer riesigen Online-Marketingmaschine, zum allumfassenden Kommunikationstool, zum Eventmanager, zum Protestkanal, zur Unterhaltungsplattform, zu einem Ort, wo (fast) alle sind. Man hat Verbindungen aufgebaut, man hat sich in Facebook und Facebook in seinen Alltag integriert. Man hat eine Grenze überschritten, nach der es nicht mehr ganz einfach ist, den Hut drauf zu hauen und alles abzubrechen, selbst wenn man das eigentlich für richtige hielte.
Die Zukunft?
Teenager wenden sich von Facebook ab, es wird jetzt zum Seniorennetzwerk, liest man dieser Tage. Umstellungen im Newsfeed führen dazu, dass Unternehmen und andere Fanseiten-Betreiber nicht mehr die Aufmerksamkeit für ihre Postings erfahren, die sie vorher hatten. Glaubt man der Wissenschaft, wird Facebook in wenigen Jahren gar 80 Prozent seiner Nutzer einbüßen. Wie eine Krankheit, die sich zunächst rasch verbreitet und letzten Endes ausstirbt, so soll die Zukunft von Facebook aussehen.
Wenn all das eintritt, dann wird sich das Thema Facebook vielleicht von selbst erledigt haben - gefolgt von etwas viel Besserem oder viel Üblerem. Dann werde ich mich eines Tages vielleicht für eine neue Zweckgemeinschaft rechtfertigen, die ich so nie wirklich wollte. Bis dahin bleiben wir halt zusammen, Facebook und ich. Beziehungsstatus: It’s complicated. Very.