Netzpolitik

Google muss Links zu sensiblen Daten im Netz entfernen

Der Suchmaschinenbetreiber kann ab sofort dazu verpflichtet werden, Verweise auf Webseiten mit sensiblen persönlichen Daten aus seiner Ergebnisliste zu streichen, wenn diese Informationen das Recht auf Privatsphäre und Datenschutz einer Person verletzen. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag in Luxemburg beschlossen.

Mit diesem Urteil wird das „Recht auf Vergessen“ im Internet gestärkt. Betroffene können sich mit der Bitte um Änderung der Suchergebnisse an Google wenden, Google muss jeden Einzelfall prüfen und dann entscheiden, ob die Anfrage gerechtfertigt ist oder nicht. Laut EuGH hat jeder Bürger einen einklagbaren Anspruch auf Löschung. Wenn Google dem nicht nachkommen sollte, können sich Betroffene an die Datenschutzbehörden wenden. Für „Personen des öffentlichen Lebens“ soll es jedoch Ausnahmen geben, da bei diesen ein „besonders Interesse“ vorliegt. Wie man künftig Inhalte von Google löschen lassen kann, erklärt die ARGE Daten hier.

Spanier klagte 2010

Anlass des EuGH-Urteils war eine Klage des Spaniers Mario Costeja Gonzalez. Gonzalez wehrte sich dagegen, dass Google bei der Eingabe seines Namens noch heute einen Artikel über die Zwangsversteigerung seines Hauses vor 15 Jahren anzeigt und brachte eine Beschwerde bei der spanischen Datenschutzagentur (AEPD) ein. Er argumentierte, dass die Pfändung, von der er betroffen gewesen sei, seit Jahren vollständig erledigt sei und keine Erwähnung im Internet mehr verdiene. Der EuGH gab ihm nun Recht.

In seinem Urteil stellt der EuGH nun fest, dass der Betreiber einer Suchmaschine, indem er automatisch, kontinuierlich und systematisch im Internet veröffentlichte Informationen aufspürt, eine „Erhebung“ von Daten im Sinne der Richtlinie vornimmt, Daten, die er dann mit seinen Indexierprogrammen „ausliest“, „speichert“ und „organisiert“, auf seinen Servern „aufbewahrt“ und gegebenenfalls in Form von Ergebnislisten an seine Nutzer „weitergibt“ und diesen „bereitstellt“.

Google verantwortlich

Der Gerichtshof stuft den Suchmaschinenbetreiber, da dieser über die Zwecke und Mittel einer solchen Verarbeitung entscheidet, als den im Sinne der Richtlinie für die Verarbeitung „Verantwortlichen“ ein. Zum Umfang der Verantwortlichkeit des Suchmaschinenbetreibers stellt der Gerichtshof fest, dass dieser unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet ist, von der Ergebnisliste, die im Anschluss an eine anhand des Namens einer Person durchgeführte Suche angezeigt wird, Links zu von Dritten veröffentlichten Internetseiten mit Informationen über diese Person zu entfernen.

Eine solche Verpflichtung kann auch bestehen, wenn der betreffende Name oder die betreffenden Informationen auf diesen Internetseiten nicht vorher oder gleichzeitig gelöscht werden, gegebenenfalls auch dann, wenn ihre Veröffentlichung dort als solche rechtmäßig ist.

Lokaler Datenschutzbezug

Zur Begründung schreibt der EuGH, mit der Eingabe eines Namens bei einer Suchmaschine könne ein Nutzer „ein mehr oder weniger detailliertes Profil der gesuchten Personen erstellen“. Dies sei ein Eingriff in die Rechte der Person. Die Ergebnisse seien nichts anderes als eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten. Das EU-Recht verlange daher einen Ausgleich zwischen den Interessen der Nutzer und denen der betroffenen Person. „Wegen seiner potenziellen Schwere kann ein solcher Eingriff nicht allein mit dem wirtschaftlichen Interesse des Suchmaschinenbetreibers an der Verarbeitung der Daten gerechtfertigt werden“, heißt es.

Darüber hinaus erklärte der EuGH ein wichtiges Argument von Google und anderen US-Internetdiensten in Europa für unwirksam: Google hatte argumentiert, da die Datenverarbeitung des Konzerns auf Servern außerhalb Europas erfolgt, seien die spanischen Datenschutzrichtlinien nicht geltend. Dem widersprachen die Richter deutlich: Wer in Spanien eine Filiale unterhalte und dort Werbung verkaufe, der müsse sich auch an lokale Datenschutzgesetze halten.

Löschanfragen-Flut befürchtet

Die Auswirkungen des Urteils sind weitreichend. Experten gehen davon aus, dass Verbraucher Google nun mit einer Flut an Löschanfragen überschwemmen. „Auf Google kommt mit Sicherheit ein großer Ansturm mit Löschungsanfragen zu“, meint der Datenschutzexperte Andreas Krisch auf futurezone-Anfrage. Der Konzern müsse auf jeden Fall künftig einen Index darüber führen, welche Dinge angezeigt werden dürfen und welche nicht. Der Konzern muss also eine Liste mit „sensiblen personenbezogenen Daten“ anlegen. "Außerdem könnte es bedeuten, dass Google künftig die Namenssuche deaktivieren könnte", so Krisch.

Für Google ist Urteil "enttäuschend"

Google selbst kritisierte das Urteil in einer ersten Reaktion heftig und gab sich überrascht. „Diese Entscheidung ist nicht nur für Suchmaschinen enttäuschend, sondern auch für alle, die Inhalte online publizieren“, sagt ein Google-Sprecher. Man werde sich Zeit nehmen, um die Auswirkungen zu analysieren. Krisch sieht dies ähnlich, dass das Urteil auf Dauer nicht nur Suchmaschinenbetreiber wie Google betreffen könnte, sondern in Folge auch andere Online-Inhalte, z.B. auch Medienhäuser. "Wenn eine Person eine Strafe abgesessen hat über einen Fall, über den online berichtet wurde und die Straftat nach einer gewissen Zeit aus dem Strafregister gelöscht wird, bleiben die Medienberichte nach wie vor online. Müssen Medienportale dann künftig ihre Archive beschränken?"

„Das Urteil hat auf jeden Fall das Potenzial, die Funktionsfähigkeit von Suchwerkzeugen erheblich einzuschränken und damit auch die Auffindbarkeit von Inhalten im Netz zu beeinträchtigen“, schreibt Rechtsanwalt Thomas Stadler, ein Experte für Internetrecht. Man müsse künftig eine Balance zwischen Meinungsfreiheit und Löschungsansprüchen finden, meint Krisch. "Jetzt kann praktisch jeder mit Löschungsansprüchen kommen."

Reaktionen aus Österreich

„Das Urteil ist von großer Bedeutung für den Datenschutz der Bürgerinnen und Bürger Europas. Der EuGH hat die Grundrechte in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen gestellt, nicht das Profitinteresse großer Unternehmen. Dadurch gibt das Urteil den europäischen Bürgern die Hoheit über ihre Daten zurück und stärkt die Anwendbarkeit von EU-Recht als Ganzes“, sagt EU-Abgeordneter Josef Weidenholzer, Mitglied im zuständigen Innenausschuss und Datenschutz-Experte der sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament.

„Der EuGH macht auch deutlich, dass die Verknüpfung öffentlich verfügbarer Informationen zu einem Personenprofil einen neuen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte darstellt“, kommentiert Ulrike Lunacek, Vizepräsidentin der Grünen im Europaparlament, die EuGH-Entscheidung. „Mit dem Urteil wird auch klargestellt, dass europäisches Datenschutzrecht dann gilt, wenn ein Datenverarbeiter sich auf dem Europäischen Markt bewegt.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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