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Designermöbel zum kostenlosen Download

Der in Berlin lebende israelische Designer Ronen Kadushin setzt bei der Verbreitung seiner Entwürfe auf radikale Offenheit. Auf seiner Website können Vorlagen für Regalsysteme, Sessel, Lampen und vieles mehr heruntergeladen werden. Die Entwürfe stehen unter einer Creative-Commons-Lizenz. Nutzer können die Designs kopieren, verändern und mit digitalen Herstellungsmethoden wie Lasercutter oder CNC Maschinen ihre eigenen Versionen davon produzieren oder produzieren lassen. Lediglich die kommerzielle Verwertung seiner Entwürfe ist nicht erlaubt. Sein Credo fasste Kadushin bereits 2004 in seinem Open Design Manifesto (PDF) zusammen.

Am Mittwoch war Kadushin beim Open Design Symposium in Linz zu Gast, wo er über Design in einer vernetzten Kultur sprach. Die futurezone hat den Open-Design-Vordenker zu seiner Arbeit und dem Potenzial von offenem Design befragt.

futurezone: Sie stellen die Entwürfe unter einer freien Lizenz im Netz zum Download. Was machen die Nutzer konkret mit Ihren Designs?
Ronen Kadushin: Sie machen ihre Versionen und Variationen. Ich habe zum Beispiel ein Regal-System entworfen. Das wurde von Architekten aufgegriffen, die es in ihre Arbeit integriert und so Architektur daraus gemacht haben. Ein Tisch von mir wurde überarbeitet und kam in Peru als Schutz für Überlebende eines Erdbebens zum Einsatz. Das sind Beispiele, die die Kraft von Open Design zeigen. Es geht darum, Kreativität anzuregen. Viele Leute, die meine Entwürfe herunterladen, wollen aber meine Version. Sie schätzen meine Arbeit und wollen die Entwürfe genauso beibehalten.

Worum geht es bei Open Design?
Ich sehe Open Design aus einer politischen Perspektive. Designer von Produkten arbeiten üblicherweise in der Massenproduktion. Da gibt es Produzenten, Marketing und Vertrieb. Es ist ein streng hierarchisches System. Der Designer befindet sich gewöhnlich auf der untersten Stufe der Befehlskette. Die Produzenten bestimmen, welche Entwürfe produziert werden. Ich wollte das nicht akzeptieren. Ich habe auch gesehen, was in der Welt der Open-Source-Software, des Films und der Musik passiert. Das hat mich inspiriert.

Sie haben Ihr Open Design Manifest bereits 2004 veröffentlicht. Wie hat sich Open Design seither entwickelt?
Design und Produkte entwickeln sich in kleinen Schritten in diese Richtung. Ich treffe immer mehr Leute, die verstehen, was ich mache.  Open Design ist im Einklang mit allgemeinen Entwicklungen. Wir leben in einer sehr speziellen Zeit. Die menschliche Kultur und die soziale Organisation verändert sich von der Hierarchie zum Netzwerk. Das Internet hat alles verändert. Wir sehen das nicht nur in unserem Alltag, wo wir uns über Facebook, Twitter und anderen Diensten vernetzen, sondern auch an sozialen und politischen Bewegungen, wie etwa der Occupy-Bewegung die auf vernetzter Organisation basiert. Sie sind ein Netzwerk und ihre Forderungen orientieren sich an Netzwerken. Jeder kann mitmachen. Netzwerke sind transparent. Open Design hat sehr viel mit diesen Bewegungen zu tun. 

Wie wirken sich diese vernetzten Prozesse auf ihre Arbeit aus?
Ich frage mich, was ich ausdrücken will. Das ist mir am wichtigsten. Ich will keine niedlichen Produkte machen. Manchmal will ich den Leuten auch in den Arsch treten. Wie etwa beim Hack Chair. Das ist ein sehr aggressiver Entwurf. Sie würden nicht wollen, dass Ihre Kinder um ihn herum spielen. Da es sich dabei aber um Open Design handelt, können Sie den Entwurf aber herunterladen und ihn verändern. Sie können die Ecken abrunden und damit machen, was Sie wollen. Der Entwurf ist immer nur der Beginn eines Prozesses.

Sie haben auch einen iPhone-Killer in Form eines Vorschlagshammers entworfen. Hat sich eigentlich Apple bei Ihnen gemeldet?
Ich hatte gehofft, dass sie mich klagen oder dass ich zumindest einen Brief von ihrem Anwalt bekomme. Das ist aber nicht passiert. Der iPhone-Killer ist eine Kritik auf unsere Kultur. Ich habe aber tatsächlich auch einige Stück davon verkauft, an eine Investmentgesellschaft in Seattle. Das ist in der Nähe von Redmond. Ich weiß aber nicht, ob Microsoft damit etwas zu tun hatte.

Digitale Herstellungsmethoden wie 3D-Druck, CNC-Maschinen oder Lasercutter werden zunehmend verfügbar. Wie verändern sich dadurch die Produktionsprozesse?
Wenn wir unsere Türen für diese Technologien wie dem 3D-Druck öffnen, werden wir nicht nur neue Produkte, sondern auch ganz neue Geschäftmsodelle sehen. Ich denke etwa an Verbindungen zwischen der Unterhaltungsindustrie und 3D-Druck. Wenn Sie eine Disney-Show im Fernsehen sehen, werden Sie sich digitale Files von Figuren aus der Show herunterladen und sie ausdrucken. Solche Angebote werden vor allem von Teenagern genutzt werden. Sie werden kreativ mit diesen Technologien umgehen und die Vorlagen verändern und die Geräte hacken. Was wir in der Musik gesehen haben, werden wir schon bald auch bei physischen Gegenständen sehen.

Die Unterhaltungsindustrie hat in den vergangenen Jahren mit Händen und Füßen versucht, ihre Urheberrechte zu verteidigen.  Auch bei 3D-Druckvorlagen zeichnen sich Auseinandersetzungen ab.
Wir befinden uns in einem Krieg zwischen zwei Strategien. Dem Abgeschlossenen und dem Offenen, dem Analogen und dem Digitalen. Aber im Grunde genommen ist diese Auseinandersetzung schon entschieden. Die Copyright-Enthusiasten haben verloren und das wissen sie auch. Sie wollen noch ein paar Punkte sammeln. Was für einen Sinn soll es haben, wenn eine Multimilliarden-Dollar-Industrie Teenager verklagt, die sich Star-Wars-Figuren ausdrucken. Das ist lächerlich. Information will frei sein. Das lässt sich nicht aufhalten.

Software, mit der Druckvorlagen erstellt und bearbeitet werden können, ist noch sehr komplex. Ungeübte Nutzer tun sich damit schwer. Wie wichtig ist es, intuitivere Interfaces zu schaffen?
Es geht in diese Richtung. Die Leute, die diese Technologie nutzen werden, sind sehr jung. Denken sie an ein 13-jähriges Mädchen, das sich etwas für sein Puppenhaus ausdrucken will. Das ist der Markt und er wird mit dieser Generation wachsen.

Wie verändert sich unser Verhältnis zu Produkten, wenn wir nicht nur an ihrer Entwicklung beteiligt sind, sondern sie auch selbst herstellen?
Es kann sein, dass uns diese Produkte eine große Bedeutung für uns haben werden, es kann aber auch das Gegenteil eintreten. Produkte mit einem 3D-Drucker herzustellen, ist ein bisschen so, wie sie aus Plastilin zu formen. Wenn sie uns nicht gefallen, knüllen wir sie zusammen und beginnen von Neuem. Auf jeden Fall wird sich der Konsum verändern und die Art und Weise, wie diese Produkte in unser Leben kommen. Die Hersteller von 3D-Druckern verstehen das. Sie sehen sich als die zukünftigen Lieferanten. Die Massenproduktion hat ausgedient. Deshalb arbeiten sie auch sehr hart daran, dass 3D-Drucker billig und zugänglich werden.

Wann wird es soweit sein?
Mit intuitiver Software und billigen Geräten wird sich die Situation ändern. Wir werden bald ein YouTube für Produkte sehen, auf denen es wohl auch Dinge geben wird, die wirklich cool sind. Die werden dann hundert Millionen Mal heruntergeladen, produziert und auf hunderten Millionen Maschinen ausgedruckt. Das ist verteilte Produktion.

Wie könnte so ein Produkt aussehen? Sie haben ja vor einigen Monaten ein Konzept für eine Spirale, ein Produkt zur Empfängnisverhütung entwickelt, das mit einem 3D-Drucker hergestellt werden kann.
Der Großteil der 3D-Druck-Vorlagen, die wir heute sehen, sind aus der Perspektive eines Designers bestenfalls mittelmäßig. Ich habe mich gefragt, welches Produkt einen Unterschied machen könnte. Das Ergebnis war ein solches Mittel zur Empfängnisverhütung, die Bearina. Solche Kontrazeptiva sind sehr teuer. In Berlin zahlen sie dafür in der Apotheke 120 Euro. Dazu kommen noch die Kosten für einen Gynökologen, der die Spirale einsetzen muss. Viele junge Frauen können sich das nicht leisten. Wenn sie ungewollt schwanger werden, kann sich aber ihr Leben verändern. Mit einem 3D-Drucker können sich ein solches Produkt zur Empfängnisverhütung um 1,25 Euro selbst herstellen. Statt dem Kupfer, das in Produkten der Pharmaindustrie zum Einsatz kommt, habe ich eine 1-Cent-Münze genommen. Damit kommt es dann auf 1,26 Euro.

Für medizinische Produkte gibt es aber strenge Auflagen.
Es ist nur ein Konzept. Medizinische Produkte unterliegen tatsächlich sehr strengen Auflagen und müssen getestet und bewilligt werden. Das Produkt sollte in seiner jetzigen Form auf gar keinen Fall verwendet werden. Darauf weise ich auch beim Download hin. Ich wollte nur aufzeigen, was mit dieser Technologie möglich ist und wo es Potenzial gibt. Ob es auch umgesetzt wird, weiß ich nicht.

Zum Schluss eine Frage, die Sie wahrscheinlich nicht mehr hören können: Womit verdienen Sie eigentlich Geld, wenn Sie ihre Entwürfe zum kostenlosen Download bereitstellen?
Ich kann nicht behaupten, dass ich reich werde.  Ich bin kein Geschäftsmann. Ich arbeite alleine und konzentriere mich voll und ganz auf Open Design. Meine Einnahmen teilen sich auf. Einerseits verkaufe ich meine Produkte auch - ich stelle sie selbst her und gebe sie in den Vertrieb oder verkaufe sie über Gallerien. Daneben unterrichte ich, werde zu Vorträgen eingeladen und bin auch als Berater tätig. Es summiert sich. Von der Wirtschaftskrise war ich aber genauso betroffen.

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Zur Person
Ronen Kadushin gilt als Vordenker des Open Design, das die Philosphie von Open Source Software auf physische Gegenstände anwendet. Der 1964 in Haifa (Israel) geborene Industrial Designer, lebt und arbeitet in Berlin.
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Ronen Kadushin

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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