Hefe aus Holz und UV-Licht für Erdbeeren
In der ölreichen Nation Norwegen gibt es zahlreiche ehrgeizige Forschungsprojekte, welche die grüne Transformation des Landes vorantreiben sollen. Neben Projekten zu erneuerbaren Energien oder zur Digitalisierung diverser Bereiche wie dem Wassersektor, setzt man sich auch für eine nachhaltige Agrar- und Aquakultur ein, wie der Besuch einer Delegation der Austrian Cooperative Research (ACR) gezeigt hat.
UV-Licht gegen Mehltau
Für einen chemiefreien Erdbeer- und Weinanbau etwa hat Saga Robotics, ein Spin-off der Norwegian University of Life Sciences (NMBU), einen vollautonomen elektrischen Roboter namens „Thorvald“ entwickelt. Er kommt auf freien Feldern sowie in Glashäusern zum Einsatz und ersetzt umweltschädliche Pestizide durch UV-C-Licht, erklärt Pål Johan From, CEO von Saga Robotics. „Die Roboter wachen nachts auf, fahren aufs Feld und schalten das Licht ein“, sagt er. Jede einzelne Pflanze werde zweimal die Woche mit dem UV-C-Licht bestrahlt. So könne der Ausbruch von Mehltau – das Hauptproblem im Erdbeer- und Weinanbau – verhindert werden. Feldtests haben gezeigt, dass das UV-C-Licht zu 100 Prozent wirksam gegen Mehltau ist.
„Da die Pflanzen stärker und gesünder werden, können sie auch andere Pflanzenkrankheiten überstehen“, so From. Die Roboter werden mit Akkus betrieben – sie brauchen ihm zufolge nicht viel Energie. „Tagsüber werden sie über einen regulären Stromanschluss geladen“, erklärt er der futurezone. Für seine Navigation durch die Felder und Reben ist der Roboter mit Sensoren ausgestattet. Die aufgezeichneten Daten werden in eine Software eingebettet, die es dem Roboter ermöglicht, autonom zwischen den Pflanzenreihen zu fahren. Menschliche Interventionen seien laut From nicht erforderlich.
Heuer soll Thorvald eine Zusatzfunktion erhalten und Raubmilben auf Pflanzen freisetzen. Diese fressen andere für die Nutzpflanzen schädliche Milben. Geplant sind auch weitere Funktionen, etwa das Sammeln von Daten, um Krankheiten frühzeitig zu erkennen und eine Ernte-Prognose zu bieten. Die Maschinen finden nicht nur in Norwegen, sondern bereits auch in Kalifornien, Großbritannien und Italien Anwendung. Mit dieser Art der zielgerichteten Bewirtschaftung sei es laut From möglich, auf einer stetig zurückgehenden landwirtschaftlichen Nutzfläche mehr zu produzieren, um die ansteigende Bevölkerung mit Nahrung zu versorgen.
Hefe aus Fichten
Dieses Ziel verfolgt auch Foods of Norway, ein Zentrum für forschungsbasierte Innovation an der NMBU. Daneben sieht die norwegische Regierung vor, dass das Fisch- und Tierfutter bis 2030 aus nachhaltigen Ressourcen hergestellt wird. Margareth Øverland, Leiterin von Foods of Norway, erkennt die Chance in der norwegischen Flora. Ihr zufolge sei das Land zur Hälfte mit Bäumen bedeckt – diese erneuerbare Ressource ist für die Agri- und Aquakultur nutzbar. Konkret stellt das Team rund um Øverland nachhaltiges und gesundes Futtermittel für Fische und Nutztiere aus Fichtenholz her. „Die Lösung ist, Technologien zu nutzen, um vorhandene Ressourcen in nachhaltige Inhaltsstoffe mit einem geringen CO2-Fußabdruck umzuwandeln“, sagt sie.
Über einen thermochemischen Prozess in Kombination mit der sogenannten enzymatisch katalysierten Hydrolyse werden Nebenprodukte der Bäume in Zucker umgewandelt. Anschließend entsteht im Zuge der Fermentation und weiteren Schritten Hefe als Futtermittel. Dieses besteht zu 50 bis 60 Prozent aus wichtigen Proteinen. In einem Fermentationslauf konnten im vergangenen Jahr 1.600 Kilogramm Hefe aus einigen Tausend Litern Zucker aus Fichte erzeugt werden.
Das nährstoffreiche Endmaterial wird zu Studienzwecken aktuell an Schweine und Lachse verfüttert – die vorläufigen Ergebnisse sind laut Øverland vielversprechend: „Wir sehen sehr gute Ergebnisse, sowohl in Hinblick auf die Performanz als auch auf die positiven Auswirkungen auf die Tiergesundheit“, so die Forscherin. Der CO2-Fußabdruck bei der Herstellung sei zudem gering. Wie sich die Hefe aber genau auf Wachstum und Gesundheit der Tiere sowie auf ihre Produktqualität auswirkt, wird sich erst noch zeigen. Gefördert wird das Zentrum unter anderem von der staatlichen Wirtschaftsfördergesellschaft Innovation Norway.
Aus der Abhängigkeit lösen
Aufgrund seiner Öl- und Gasvorkommen zählt Norwegen auch zu einem der reichsten Länder der Welt. Die fossilen Brennstoffe werden überwiegend exportiert – zusammen macht ihre Ausfuhr laut einer Studie rund 60 Prozent der norwegischen Gesamtexporte aus. Laut Annette Mellbye von der staatlichen Wirtschaftsfördergesellschaft Innovation Norway sei die norwegische Wirtschaft „extrem“ abhängig von diesem Sektor. Wegen des Ukraine-Kriegs ist der Bedarf noch weiter gestiegen. Von dieser Abhängigkeit wolle man sich aber peu à peu lösen.
Dieser Artikel entstand in redaktioneller Unabhängigkeit im Rahmen einer Studienreise auf Einladung der Austrian Cooperative Research.
Internationale Teamarbeit in der Forschung
Zwar wird die Wirtschaftsleistung Norwegens wesentlich vom Öl-Export bestimmt, das Land will dennoch zunehmend umweltfreundliche Industrien fördern. Für Anregungen sorgt unter anderem die im Jahr 2020 gegründete „Grüne Plattform“. Die soll Norwegen dabei helfen, Exporte außerhalb des Öl-Sektors bis 2030 um 50 Prozent zu erhöhen. Als Nicht-EU-Staat beteiligt sich Norwegen aber auch aktiv am EU-Forschungsrahmenprogramm Horizon 2020. Im Fokus stehen unter anderem die arktische Forschung, der Klimawandel, erneuerbare Energien sowie die Aquakultur.
Mit einer Erfolgsrate von 15,1 Prozent weist Norwegen beispielsweise bei den Projektbewerbungen eine überdurchschnittliche Bewilligungsquote auf. „Man sieht, wie gut man sich arrangieren kann, wenn man gut vernetzt ist, Teamarbeit macht und international arbeitet“, zeigt sich Iris Filzwieser, Präsidentin der Austrian Cooperative Research (ACR), von der norwegischen Strategie begeistert. Das Land wurde im Rahmen einer Studienreise besucht.
Co-Finanzierung
Auch das österreichische Forschungsnetzwerk verfolgt das strategische Ziel, die internationale Zusammenarbeit in der angewandten Forschung zu stärken und zu forcieren. Unter anderem werde man ab Juni wachsen: So werden die 17 ACR-Institute um zwei weitere ergänzt. Anders als in Österreich erhalten nicht-basisfinanzierte Forschungseinrichtungen in Norwegen außerdem eine staatliche Co-Finanzierung für EU-Forschungsprojekte. Ein solches Modell wäre laut ACR-Geschäftsführerin Sonja Sheikh auch hierzulande wünschenswert – so könne die Beteiligung von Klein- und Mittelunternehmen an internationaler Forschung gestärkt werden.