Wie Inhaltsstoffe in Lebensmitteln verlässlich nachgewiesen werden
Neben der Zahl der Nahrungsmittelunverträglichkeiten steigt auch der Trend zu einer bewussteren Ernährung. Innerhalb der EU achten einer Studie zufolge 56 Prozent der Befragten größtenteils auf eine nachhaltige Ernährungsweise. Laut einer aktuellen Umfrage von Marketagent bezeichnet zudem die Mehrheit der befragten Österreicher*innen mit 55,4 Prozent ihre Ernährungsweise als gesund oder eher gesund.
Der Blick auf die Inhaltsstoffe der Lebensmittel ist für viele zwar schon zur Gewohnheit geworden, bringt manchmal aber nichts. Denn auch Nahrungsmittelproduzenten selbst können getäuscht werden. Beim Pferdefleischskandal vor rund 8 Jahren etwa wurden in mehreren europäischen Ländern in als Rindfleischprodukt geführten Lebensmitteln bis zu 100 Prozent nicht ausgewiesenes Pferdefleisch, aber auch Medikamente nachgewiesen. Mehrere Unternehmen riefen die Produkte zurück.
„DNA-Analysemethoden sind in der Molekularbiologie ein großer Gewinn, da die DNA der Lebewesen eine unvergleichbare Informationsquelle anbietet.“
Mangelnde Sorgfalt
Hinter einer inkorrekten oder unpräzisen Angabe steckt aber nicht immer ein Betrugsversuch. Oft werden die Inhaltsstoffe nicht mit der erforderlichen Sorgfalt ausgewiesen – zudem können sie herkömmliche Analyse-Werkzeuge aufgrund der Komplexität der Lebensmittelversorgungskette nicht ausreichend rückverfolgen.
Eine höhere Verlässlichkeit bietet nun die Lebensmittelversuchsanstalt LVA – ein Institut der Austrian Cooperative Research (ACR). In einem vom Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW) geförderten Projekt wird die Methode „Next Generation Sequencing“ (NGS) entwickelt, welche mittels DNA-Sequenzen Inhaltsstoffe in Lebensmitteln präziser, schneller und günstiger nachweisen kann.
„DNA-Analysemethoden sind in der Molekularbiologie ein großer Gewinn, da die DNA der Lebewesen eine unvergleichbare Informationsquelle anbietet“, sagt die LVA-Forscherin Alma Licina gegenüber der futurezone.
Echtheit der Bestandteile
Im Labor für Lebensmittelanalytik werden ihr zufolge Saatgut, pflanzliche und tierische Lebensmittel unterschiedlicher Zusammensetzungen sowie Futtermittel untersucht. „Dabei wird die Anwesenheit der gentechnisch veränderten Organismen, der gesundheitsschädlichen Mikroorganismen, der Allergene oder überhaupt die Echtheit der Lebensmittelbestandteile überprüft.“ Die Identifizierung und Differenzierung der zahlreichen Bestandteile finden dabei in jeder Lebensmittelprobe parallel statt.
Im Vergleich zu einer gängigen, sogenannten „Realtime-PCR-Methode“, in der man 5 oder 6 Spezies parallel nachweist, könnten bei der NGS-Differenzierung laut Licina hunderte unterschiedlicher Spezies nachgewiesen werden.
Vorkenntnisse über die Lieferkette und die zu suchenden Ziele sind bei Anwendung der NGS-Methode unwesentlich – so können auch Inhaltsstoffe identifiziert werden, nach denen man nicht sucht. Zudem kann auch bei stark verarbeiteten Lebensmitteln die reine DNA in hoher Konzentration mithilfe der neuen Methode nun vereinfacht gewonnen werden. Das galt bisher als große Herausforderung.
"Der Daten-Output ist in dieser Methode nach dem heutigen Stand der Technik nicht zu übertreffen“
Aufbau von Datenbank
Um die Lebensmittelproben überhaupt so rasch identifizieren zu können, müssen die DNA-Sequenzen richtig zugeordnet und verglichen werden. Daher wird im Rahmen des NGS-Projekts zusätzlich eine Datenbank entwickelt. In dieser werden die DNA-Sequenzen je nach Art mittels Barcodierung aufgelistet.
Das Verfahren verspricht eine Genauigkeit von 100 Prozent, „da man direkt die einmalige Sequenz der Organismen nachweist und gegen die Datenbank vergleicht und identifiziert“, sagt Licina und ergänzt: „Somit ist der Daten-Output in dieser Methode nach dem heutigen Stand der Technik nicht zu übertreffen.“
Hilfe für KMU
Gängige Verfahren werden ihr zufolge durch NGS aber nicht ersetzt, sondern ergänzt. In Kooperation mit dem Österreichischen Institut für Baubiologie und -ökologie IBO soll die Methode der DNA-Sequenzierung auch für die Analyse von Mikroorganismen in Innenräumen angewandt werden. Hauptaugenmerk sind Schimmelpilze – geplant ist aber auch eine Erweiterung auf Bakterien und Viren.
Von dem NGS-Verfahren, das 2022 verfügbar werden soll, können jedenfalls heimische Klein- und Mittelunternehmen (KMU) profitieren und die Qualität und Herkunft ihrer Produkte rasch und präzise nachweisen.
Endverbraucher*innen hingegen können etwa auf Handy-Apps zurückgreifen (siehe Infobox unten), mit denen sie Inhaltsstoffe schneller überprüfen können.
Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort.
Produkte am Regal per App bewerten lassen
Damit Endverbraucher*innen schon vor dem Einkaufen einen Überblick erhalten, welche Inhaltsstoffe Lebensmittel und Kosmetika beinhalten, wurden in den vergangenen Jahren mehrere Smartphone-Apps entwickelt. Eine davon ist die Produkt-Info-App namens Yuka, welche die Kaufentscheidungen der Konsument*innen unterstützen soll.
Entwickelt wurde Yuka im Jahr 2017, um die Zusammensetzung von Produkten transparenter darzustellen. Im Dezember 2020 hat Yuka die Nutzer*innen-Marke von 20 Millionen geknackt. Konsument*innen müssen dafür lediglich den Barcode des Produktes per Handykamera scannen – Yuka bewertet in der Folge die Auswirkungen des Produktes auf die Gesundheit mittels Farbcode. Rot steht demnach für „schlecht“, Grün für „ausgezeichnet“. Daneben erhalten die Nutzer auch eine genaue Erklärung der Bewertung.
Eine Veröffentlichung der App in Österreich sei laut dem Unternehmen zwar angedacht, wann genau sie verfügbar sein wird, konnte Yuka der futurezone aber nicht sagen.
Alternativen geboten
Der Mehrwert der App: Stellt sie negative Auswirkungen auf die Gesundheit fest, empfiehlt sie Anwender*innen ähnliche, gesündere Produkte. Seit 2018 bietet die App auch eine Überprüfung von Kosmetika und Pflegeprodukten.
Eine weitere populäre App dieser Art ist Codecheck. Sie liefert Veganer*innen und ernährungsbewussten Menschen Informationen über Lebensmittelprodukte und überprüft sie auf tierische oder bedenkliche Inhaltsstoffe wie Mikroplastik. Die App zählt mehr als 4,5 Millionen Nutzer*innen. Berichten zufolge sei das Unternehmen trotz hoher Anzahl an Installationen insolvent.