F-35B war 118 km führerlos: Jetzt spricht der Pilot

F-35B war 118 km führerlos: Jetzt spricht der Pilot

© U.S. Marine Corps / Sgt. Amelia Kang

Militärtechnik

F-35B war für 118 km führerlos: Jetzt spricht der Pilot

Im September 2023 gab es einen kuriosen Zwischenfall mit einem Stealth-Jet der US-Streitkräfte. Eine F-35B des US Marine Corps geriet beim Landeanflug im schlechten Wetter in eine Notlage. Der Pilot rettete sich mittels Schleudersitzes, doch der Jet flog noch 12 Minuten weiter. 

Nachdem die F-35B etwa 118 Kilometer zurückgelegt hatte, stürzte sie in ein Feld. Der rund 136 Millionen Dollar teure Kampfjet wurde dabei zerstört, verletzt wurde dadurch niemand. Durch den Ausstieg per Schleudersitz trug der Pilot jedoch einige Verletzungen davon. 

Was war passiert? Darüber gibt es verschiedene Versionen. Selbst die 3 Untersuchungsberichte kommen zum Teil zu unterschiedlichen Ergebnissen. Am Ende wurde eine Teilschuld des Piloten festgestellt. Dieser wurde von seinem Posten abgezogen und ist mittlerweile im Ruhestand. Nun hat er seine Sicht der Dinge dargelegt. 

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Der missglückte Landeanflug

An jenem 17. September 2023 war der mittlerweile 48-jährige Pilot Charles Del Pizzo auf einer Trainingsmission über dem Atlantik. Als er mit seiner F-35B zur Basis zurückkehrte, hingen die Wolken tief über der Landebahn. Ein Gewittersturm mit Starkregen und absolut keiner Sicht

Kurz nachdem er zum senkrechten Landemanöver angesetzt hatte, begann die Bordelektronik verrückt zu spielen. Auf dem Display, das in den Helm integriert ist, flackerte plötzlich die Anzeige. Gleich darauf wurde eine ganze Reihe von Warnungen angezeigt. 

Demnach fiel das Flugkontrollsystem, sowie das Navigationssystem und GPS aus, es gab Fehler in der Avionik, beim Funk und der Kühlung. All das wurde begleitet von lauten Warntönen. Anschließend ist das Helm-Display komplett ausgefallen. 

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Warnmeldungen und nichts als Grau

15 Sekunden später kam es erneut zum Ausfall des Helm-Screens. Zu dieser Zeit befand sich der Jet 230 Meter über dem Boden, mit einer Sinkrate von 244 Meter pro Minute. Del Pizzo entschied sich dazu, das Landemanöver abzubrechen und durchzustarten. 

Als er vom vertikalen in den horizontalen Flug überging und die Maschine Schub aufnahm, kam es zu einem weiteren, dritten Ausfall des Helms. Del Pizzo versuchte Funkkontakt mit dem Tower aufzunehmen, doch der Funk war tot. Gleichzeitig teilten ihm mehr als 25 Warnmeldungen mit, dass der Jet in einer Notlage war. Zu diesem Zeitpunkt waren die Instrumente hinüber und draußen war nichts als Grau zu sehen. 

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Völlige Orientierungslosigkeit

Del Pizzo war komplett desorientiert. Er versucht mehr Schub zu geben, hörte aber ein Geräusch, das so klang, als würde das Triebwerk ausfallen. Er spürte, wie die Nase des Jets nach oben ging. Ihn beschlich ein Gefühl, als würde das Flugzeug in den freien Fall übergehen. 41 Sekunden waren seit den ersten Fehlermeldungen vergangen.

In der völligen Orientierungslosigkeit nach all den Warnmeldungen, Fehleranzeigen und Alarmtönen entschied sich Del Pizzo für die Schleudersitzoption. Beim Ausstieg wurde ihm der Helm vom Kopf gefetzt, sein Rücken wurde gebrochen und Metallsplitter bohrten sich in sein Genick. 

Er spürte den Regen in seinem Gesicht und hörte den Lärm des Flugzeugs, das sich selbständig auf den Weg machte. "Meine größte Angst in diesem Moment war, dass der Jet jemanden verletzen könnte", sagte Del Pizzo. Das ist glücklicherweise nicht passiert. Der zerstörte Jet wurde erst einen Tag später gefunden

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In den Ruhestand entlassen

Aus seiner Sicht hatte er keine andere Möglichkeit als sich per Schleudersitz zu retten. Nachdem die Bordelektronik versagte und das Helm-Display mehrfach ausfiel, war es Del Pizzo unmöglich festzustellen, wo er sich befand und wie weit er vom Boden entfernt war. 

Die ersten beiden Untersuchungsberichte kamen zu einem ähnlichen Ergebnis. Doch der 3. und abschließende Bericht sah die Schuld des Absturzes beim Piloten. Er sei aus einem flugtauglichen Flugzeug per Schleudersitz ausgestiegen, was zum Verlust der F-35B geführt habe. Im Abschlussbericht werden allerdings keine Erklärungen für die Fehler in der Bordelektronik veröffentlicht. Diese Ursachen unterliegen strenger Geheimhaltung, schreibt Post and Courier. 

Als Folge wurde Del Pizzo im Oktober 2024 überraschend seines Postens enthoben. Zu diesem Zeitpunkt war er Kommandant der Testeinheit der US Marines VMX-1. Als Grund dafür wurde der "Verlust des Vertrauens in seine Fähigkeiten" genannt. Daraufhin wurde er ehrenvoll in den Ruhestand entlassen. 

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Interne Kritik

Die Entlassung von Del Pizzo hat innerhalb der US-Streitkräfte für Kritik gesorgt. "Das Einfachste ist, dem Piloten die Schuld zu geben", wird ein Soldat von Post and Courier zitiert. Del Pizzo selbst hat mit dem Kapitel abgeschlossen, mahnt aber Verantwortung ein.

"Wir müssen uns das genau ansehen, um zu verhindern, dass so etwas noch einmal passiert", sagte er. "In der Luftfahrt haben wir eine Kultur. Wenn es Fehler gibt, lernen wir daraus. Wenn man das nicht tut, dann hat man eine Kultur der Angst. Und wenn man eine Kultur der Angst hat, dann sind die Leute wie gelähmt und nicht in der Lage, Entscheidungen zu treffen. Und das führt dazu, dass Menschen verletzt und getötet werden."

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