Wie wichtig der IQ für Erfolg ist und wie er sich entwickelt
Haben wirklich die dümmsten Bauern die dicksten Kartoffeln? Wohl nicht. Denn eine neue Studie der tschechischen Masaryk Universität untermauert einmal mehr, dass man vor allem eines braucht, um erfolgreich zu sein: Intelligenz.
Darüber waren sich Wissenschafter*innen nicht immer einig. Unter anderem haben Forscher*innen der University of Pennsylvania im Jahr 2005 ermittelt, dass nicht der Intelligenzquotient (IQ), sondern vorrangig Selbstdisziplin die treibende Kraft für akademischen Erfolg sei. Allerdings wurde diese Studie vor allem außerhalb Nordamerikas nur wenige Male wiederholt und Faktoren wie Motivation unberücksichtigt gelassen. Das wurde in der aktuellen Studie nachgeholt.
Unangenehmer Befund
Laut dem Intelligenzforscher Jakob Pietschnig, der den Arbeitsbereich für Differentielle Psychologie und Psychologische Diagnostik an der Universität Wien leitet, sei der aktuelle Befund grundsätzlich schon gut etabliert, werde aber immer wieder diskutiert und infrage gestellt. Der Grund: „Er ist intuitiv unangenehm“, sagt er gegenüber der futurezone.
Auch scheint der Zusammenhang inhärent unfair zu sein, weil jemand, der sich mehr anstrengt, offenbar nicht erfolgreicher ist als jemand, der schlichtweg bessere Ergebnisse in einem IQ-Test erzielt. Ganz so einseitig sei es aber auch nicht. Zwar sei Intelligenz der treibende Faktor für Erfolg, dennoch sei zusätzlich auch eine Leistungsmotivation nötig: „Eins ohne das andere reicht nicht“, sagt er.
Prognose auf Erfolg
Generell begünstigt ein hoher Intelligenzquotient ein erfolgreiches Leben, wie Pietschnig auch in seinem neu erschienenen Buch „Intelligenz: Wie klug sind wir wirklich“ (ecowin Verlag) schreibt. „Da ein ,erfolgreiches Leben’ jedoch subjektiv ist, versucht man in der Forschung, es zu quantifizieren und zu objektivieren“, sagt er. Gemessen werde es an Faktoren wie Einkommen, Prestige eines Jobs, Gesundheit, Langlebigkeit oder selbstberichteter Lebenszufriedenheit. Grundsätzlich geben intelligentere Menschen an, zufriedener zu sein.
Doch laut einer groß angelegten Überblicksstudie der Uni Wien, die in Pietschnigs Buch Erwähnung findet, verändert sich der Intelligenzquotient der Allgemeinbevölkerung. Zwischen 1909 und 2013 ist dieser um 30 Punkte gestiegen. Analysiert wurden Daten aus über 200 Studien mit rund 4 Millionen Teilnehmer*innen aus aller Welt. Dieser sogenannte „Flynn-Effekt“ wurde durch bessere Ernährung, Bildung, medizinische Versorgung und Umwelteinflüsse begünstigt.
IQ sinkt
Besonders im europäischen Raum nimmt die Intelligenzleistung seit Mitte der 1980er und Anfang der 1990er-Jahre allerdings wieder ab. Beobachtungen deuten sogar weltweit auf eine Verlangsamung und möglicherweise bevorstehende Stagnation oder gar Umkehr des Flynn-Effekts hin. Ein solcher „Anti-Flynn-Effekt“ ist in vielen Ländern wie Deutschland, Finnland, Frankreich oder Österreich und seit 2019 auch in den USA nachweisbar.
Eine Massenverblödung wie in der Science-Fiction-Komödie „Idiocracy“ aus dem Jahr 2006 wird laut Pietschnig glücklicherweise aber nicht unsere Zukunft sein. Denn zwar haben unsere allgemeinen kognitiven Fähigkeiten laut der Studie nachgelassen, unsere Einzelleistungen haben sich aber verbessert.
Mehr Spezialist*innen und weniger Generalist*innen
Der Forscher erklärt den Anti-Flynn-Effekt mit einem Zehnkampf. So sammelt ein*e Sportler*in in jeder Disziplin Punkte, aus deren Summe sich sein oder ihr Ergebnis ableitet. Manche*r trainiert eine Disziplin aber intensiver als andere, sodass er oder sie in diesem Bereich besser wird. Dadurch erhöht sich die Gesamtleistung der Sportler*innen. Irgendwann sind aber alle so spezialisiert, dass es keine „Alleskönner“*innen mehr gibt und sich ihre Gesamtleistung verringert.
Pietschnig zufolge werden wir also nicht dümmer, es gibt heute lediglich mehr Spezialist*innen und weniger Generalist*innen. „Während wir vor 100 Jahren noch ein balanciertes Wissen gehabt haben, also sowohl Allgemein- als auch Spezialwissen, ist es heute wichtiger, in einzelnen Facetten besonders hohe Leistungen zu erbringen“, erklärt er.
Moderne Technologien
Da moderne Welten eine Spezialisierung noch weiter begünstigen, dürfte sich diese Tendenz in Zukunft fortsetzen. Erfolg wird dann weiterhin darin bestehen, dass man genau die Fähigkeiten hat, die im Moment gefragt sind, wie Henry Ford Erfolg einst passend definiert hatte. Wie sich moderne Technologien generell auf unseren IQ auswirken, darauf gibt es in der Wissenschaft aber keine eindeutige Antwort.
„Moderne Technologien verändern unsere Denkprozesse, macht sie weder schlechter noch besser“, sagt Pietschnig. Was jedoch nötig sei, ist ein ausgewogenes Profil kognitiver Fähigkeiten. Der Konsum virtueller Welten und digitaler Medien, die in Zukunft wahrscheinlich noch mehr Raum in unserem Leben einnehmen werden, sollte mit jenem älterer Medien wie Bücher oder Zeitungen gepaart werden. Pickt ein Kind nämlich nur am Handy, leiden auf Dauer seine kognitiven Fähigkeiten darunter.
So könnte die Coronakrise unseren Intelligenzquotienten beeinflussen
Isolation, Krankheit, psychischer Stress und Ängste: Dass sich die Coronakrise jetzt schon auf uns auswirkt, ist ersichtlich. Wie uns die Krise aber langfristig noch beeinträchtigen wird, ist zum momentanen Zeitpunkt nicht einschätzbar.
Allein eine Covid-Erkrankung soll einer aktuellen, aber umstrittenen, britischen Studie zufolge die kognitiven Fähigkeiten von Betroffenen beeinflussen und ihren Intelligenzquotienten (IQ) senken. Aufgaben zu logischem Denken, Planen oder Problemlösen fielen den Forscher*innen zufolge bei Infizierten schlechter aus als bei Nicht-Infizierten. Der IQ von Corona-Erkrankten lag im Schnitt um sieben Punkte unter dem IQ der gesunden Intelligenztest-Teilnehmer*innen.
Vorerkrankungen
Viele Experten kritisieren jedoch, dass die Studie lediglich ein Querschnitt und durch Vorerkrankungen deutlich beeinträchtigt sei. Weitere Untersuchungen werden daher erforderlich sein. Abgesehen davon könnte die Krise als solche gegebenenfalls auch eine Auswirkung auf unseren IQ haben. Laut dem Wiener Intelligenzforscher Jakob Pietschnig hänge Gesundheit generell mit kognitiver Fitness zusammen.
Das Implementieren von Fernunterricht sei zudem nicht optimal, zumal vieles zu kurz käme. Wie sich die Krise wirklich auswirken könnte, werden wir ihm zufolge aber erst in 20 bis 30 Jahren wissen, wenn es Daten dazu gibt. „Wenn die Krise einen Einfluss haben sollte, dann auf jeden Fall keinen positiven“, sagt er. „Die Frage ist, wie lange das noch dauert. Je länger, umso schwieriger wird es, aufzuholen und umso gravierender die Konsequenzen. “