Jogger als Virenschleuder: Kritik an Forscher
In den vergangenen Tagen verbreitete sich in zahlreichen sozialen Netzwerken eine Untersuchung des belgischen Forschers Bert Blocken, die zeigt, wie sich Tröpfchen beim Joggen und Radfahren verbreiten. Viel Beachtung fand unter anderem ein Artikel darüber auf der Plattform Medium.
Darin heißt es, dass man beim Joggen hintereinander mindestens 4 bis 5 Meter und beim Radfahren mindestens 10 bis 20 Meter Abstand halten müsse, um sich vor den Tröpfchen zu schützen und eine mögliche Ansteckung mit dem Coronavirus zu vermeiden. Zahlreiche Menschen sahen das als Beweis, dass sicheres Joggen und Radfahren im urbanen Raum in Zeiten der Pandemie mehr oder weniger unmöglich sei und kritisierten Menschen, die diesen Aktivitäten nachgehen.
Kein Peer Review
Ein Problem an der Veröffentlichung ist, dass weder eine vollständige Untersuchung veröffentlicht, noch sie einem Peer Review unterzogen wurde, wie Vice Motherboard anmerkt. Blocken selbst begründete dieses Vorgehen auf Twitter mit der “Dringlichkeit” der Situation".
Zu dem weit verbreiteten Medium-Artikel schreibt er außerdem “Das ist eine massive Fehlinterpretation unserer Arbeit”, so der Forscher. Gleichzeitig verspricht er einen ausführlichen Artikel zu den Ergebnissen der Untersuchung auf Linkedin.
Epidemiologe
Harvard-Epidemiologe William Hanage kritisiert gegenüber Vice Blockens Vorgehen massiv. Die Verbreitung dieser Artikel sei “schädlich” und die Andeutung, dass Blocken dabei einen Beitrag im Kampf gegen COVID-19 leiste, bringe sein “Blut zum kochen”.
Wo beim Joggen und Radfahren die Tröpfchen sind, sei weit weniger relevant, als der Faktor, wie viele Ansteckungen es auf diesem Weg wirklich gibt. Selbst wenn eine Übertragung auf dem gezeigten Weg möglich sei, werde sie durch alle anderen Übertragungswege in den Schatten gestellt. Blockens Untersuchung erwähne auch an keiner Stelle, wie groß die Virenlast bei einer derartigen Übertragung überhaupt sein kann.
Forschung unklar
Wie groß die Ansteckungsgefahr im Freien derzeit wirklich ist, ist unter Forschern umstritten. Ein ausführlicher Artikel im Atlantic widmete sich dieser Frage Anfang April und fand unter mehreren befragten Wissenschaftlern keinen Konsens. Sicher ist jedoch, dass man die psychischen Vorteile des sich draußen Bewegens nicht unterschätzen sollte.