Mars-Experte: "Die NASA wird von einer privaten Firma überholt"
Der Österreicher Rudolf Schmidt hat mit Mars Express die erste europäische Raumsondenmission zum roten Planeten geleitet. Regisseur Ridley Scott hat ihn als Berater für seinen Science-Fiction-Film "Der Marsianer" engagiert. Beim diesjährigen futurezone Day 2019, der unter dem Motto "Raumfahrt und Klima" steht, wird Schmidt die Keynote-Ansprache halten. Die futurezone hat mit Schmidt über die Bedeutung von Weltraumabenteuern für die Menschheit gesprochen.
futurezone: Warum ist der Mars so interessant für Forscher auf der Erde?
Rudolf Schmidt: Er ist der erdähnlichste Planet. Wenn man irgendwo hinfliegen und dort leben wollte, dann kann es nur der Mars werden - obwohl es dort sehr kalt ist. Bei Tag hat es minus 20, bei Nacht minus 100 Grad. Es gibt keinen Sauerstoff und es ist staubtrocken. Überleben ist nicht einfach, aber einfacher als auf anderen Planeten. Die Venus ist viel zu heiß, der Merkur zu nah an der Sonne. Nur die Monde von Jupiter und Saturn könnten unter Umständen ebenfalls Ressourcen bieten, die einen Aufenthalt möglich machen.
Dass Menschen den Mars betreten ist ein jahrzehntelang gehegter Traum. Könnte es nun durch den Erfolg privater Weltraumunternehmen bald wirklich soweit sein?
Die
NASA hat ja im Augenblick Mond- und langfristig Marspläne. Aber dann gibt es Elon Musk. Er hat mit SpaceX etwas aus dem Boden gestampft, worüber man vor zehn Jahren noch gelacht hätte. Seine Pläne hat damals keiner ernst genommen und jetzt ist SpaceX die Schlüsselfirma in der Raumfahrt. Derzeit wird das Starship entwickelt, das nächstes Jahr erstmals in den Orbit fliegen soll. Ich glaube, dass es erst in zwei oder drei Jahren soweit sein wird. Es ist aber durchaus für Marsflüge ausgelegt, das kann man von den aktuellen NASA-Raumschiffen nicht gerade sagen. Die müssten erst umgebaut werden. In drei bis vier Jahren schaut die NASA dann blöd aus der Wäsche. Dann werden sie von einer kommerziellen Firma links überholt.
Was können Menschen denn am Mars machen, was Roboter nicht können?
Roboter können schon sehr viel, aber nur das, wofür sie programmiert worden sind. Improvisieren geht kaum. Unter den Mond-Astronauten war ein Geologe, der schnurstracks auf wissenschaftliche relevante Felsbrocken zugegangen ist. Ein Roboter kann das nicht. Wissenschaftler auf den Mars zu schicken, ist der nächste logische Schritt. Kolumbus hat auch keine Roboter vorausgeschickt, sondern ist einfach losgefahren. So wird es mit der Mond- und Marsforschung auch sein müssen.
Wenn Leben auf dem Mars entdeckt wird, hätte das laut NASA-Chefwissenschaftler Jim Green eine ähnliche Wirkung wie die Entdeckung, dass die Erde um die Sonne kreist. Glauben Sie das auch?
Ja, ganz sicher. Die große Schlussfolgerung wäre dann, dass wir nicht alleine im Weltraum sind. Aber Leben am Mars zu finden, wird keine einfache Aufgabe. Auf der Oberfläche ist alles ziemlich zerstört. Man wird Felsen umdrehen müssen oder in die Oberfläche reinbohren und nachsehen, ob es im Untergrund Lebensspuren gibt.
Laut
Musk sollte man ja den Mars unbedingt besiedeln, für den Fall, dass die Erde zerstört wird. Für wie aussichtsreich halten Sie das Überleben dort ohne Verbindung zur Erde?
Genau, Stichwort 'Planet B'. Da gibt es die Idee, die Mars-Umgebung umzuwandeln - Terraforming. Ich bin kein großer Freund davon. Wir müssen zuerst die Erde erhalten, erst dann können wir etwas mit dem Mars machen. Kolonien auf dem Mars zu errichten, wird unglaublich komplex und teuer. Bis man dort wirklich autark leben kann, wird viel Zeit vergeben.
Welchen Beitrag leistet die Raumfahrt zum Klimaschutz?
Einen sehr großen. Im Augenblick werden mehr Daten produziert, als ausgewertet werden können. Durch Satelliten im Orbit werden alle möglichen Parameter gemessen. Das hat wesentlich zum besseren Verständnis unseres Ökosystems beigetragen.
Was halten Sie eigentlich von der Ressourcengewinnung im All, etwa auf Asteroiden?
Die Unternehmen, die das verfolgen, sind in erster Linie an Edelmetallen interessiert. Es gibt auch Asteroiden die dafür interessant sind. Aber es ist ein großer Aufwand, Sonden und Roboter zu bauen, die das abbauen und zur Erde zurückbringen können. Man müsste Milliarden Euro da reinstecken. Ob sich das auszahlt, ist fraglich. Ich stehe dem im Augenblick etwas skeptisch gegenüber.
Wie sind Sie eigentlich zur Weltraumforschung gekommen?
Ich habe an der Uni Graz Experimentalphysik studiert und bin dann durch eine Stellenanzeige in der Zeitung bei Professor Willibald Riedler gelandet. Er arbeitete beim Projekt Spacelab mit, einem Weltraumlabor, das Jahre später an Bord des Space Shuttle ins All gebracht werden sollte. Das war ein Gemeinschaftsprojekt von
ESA und NASA, dadurch bin ich mit der ESA in Kontakt gekommen. Ich habe mich dann beim ESA-Weltraumforschungszentrum in Noordwijk (Niederlande) beworben und habe schließlich 33 Jahre lang für die ESA gearbeitet.
Sie sind dann später zum Leiter der Mission Mars Express ernannt worden. Wie kam es dazu?
1983 bin ich zum Leiter der Raumsonden-Mission Cluster ernannt worden. Da habe ich erkannt, dass mich das Programm-Management mehr interessiert als das Auswerten von Daten. Bei einem Flug nach China hat mich ein Vorgesetzter dann gefragt, ob ich jemanden aus Österreich kenne, der das Zeug zur Leitung einer Mars-Mission hat. Ich habe überlegt und nicht gleich erkannt, dass er eigentlich mich fragt. Aber als das dann klar war, habe ich zugesagt.
Und das Projekt Cluster war da schon erledigt?
Nein. 1996 sind die vier Cluster-Satelliten an Bord der allerersten Ariane-V-Rakete gestartet und die ist kurz nach dem Start explodiert. Die Trümmer der Satelliten sind aus 3000 Meter Höhe heruntergefallen. Ich habe noch nie so viele Männer weinen gesehen wie damals. Ich habe dann noch um das Budget für einen zweiten Versuch gekämpft, als die Planung für Mars Express 1997 begann. Aber auch da war ich nicht bis zum Schluss dabei. Ich bin dann zum Projekt Venus Express gewechselt, dann zum Weltraumteleskop Gaia, dann wurde ich Telekommunikationschef und schließlich 2012 Generalinspekteur der ESA.
Welche Aufgabe hat man als Generalinspekteur?
Man ist die technische Hand des Generaldirektors. Alle Projekte liefen da über mich zum Generaldirektor, der dann seine Zustimmung erteilen musste.
Sie sind ja bereits im Ruhestand. Stimmt es, dass Sie jetzt Landwirt sind?
Ich bin seit drei Jahren in Pension. Wir haben einen Vierkanthof renoviert, haben einen Weingarten, aber ich bin kein Bauer.
Das heißt, sie arbeiten jetzt wie Captain Picard in ihrem eigenen Weingut?
(lacht) Das Ganze wird von Profis betrieben, ich mache das nicht selber. Ich habe es mal probiert, aber es ist nix Gescheites draus geworden.