Grazer Fahrzeug soll auf dem Mond herumkurven
Dass die Amerikaner es in der Zeit des Kalten Krieges als erste schafften, Astronauten auf den Mond zu befördern, war ein großer Triumph über die Sowjetunion. Bei der vierten Mission zur Mondoberfläche, Apollo 15, wurde erstmals das sogenannte Lunar Roving Vehicle mitgenommen.
Nun bekam man in aller Welt nicht nur Fernsehbilder von Männern in Raumanzügen zu sehen, sie düsten sogar mit einem kleinen Auto durch die staubige Gegend. In naher Zukunft wollen die USA im Rahmen des Artemis-Programms die Leistungen der Apollo-Ära wiederholen und übertreffen. Auch ein neues Vehikel für Astronaut*innen soll kreiert werden. Das österreichische Unternehmen AVL könnte dabei eine bedeutende Rolle haben.
Meiste Zeit ohne Passagiere
Um es von seinem Vorgänger aus den 70er-Jahren abzugrenzen, soll es Lunar Terrain Vehicle heißen. Es soll ebenfalls Platz für zwei Menschen in Raumanzügen bieten und mit 15 km/h ähnlich schnell unterwegs sein, an anderer Stelle sind die Ambitionen aber sehr viel höher. Bis zu 8 Stunden lange Ausflüge sollen mit dem LTV möglich sein, bis zu 20 Kilometer sollen mit einer Batterieladung zurückgelegt werden. Im Gegensatz zum Vorgänger soll die Batterie auch wieder aufgeladen werden können, etwa an Solarmodulen. Das Fahrzeug soll schwerere Lasten transportieren und Steigungen von 20 Grad bewältigen.
Die größte Veränderung wird der optionale autonome Betrieb sein. Während Astronaut*innen das LTV nur bei relativ kurzen Besuchen nutzen werden, kann das Fahrzeug die restliche Zeit des Jahres selbstständig am Mond umherfahren, etwa um wissenschaftliche Instrumente zu verteilen und zu betreuen. Zu dem Zweck soll auch ein Roboterarm an Bord sein. Über kurze Distanzen soll das LTV bis zu 1,6 Tonnen Fracht transportieren können.
Fahrzeugspezialist in der Gruppe
All diese Anforderungen hat die NASA aufgestellt, gebaut und betrieben werden soll das LTV aber von Privatunternehmen. Mehrere Konsortien haben sich gebildet, um den Auftrag zu erhalten. Die Entscheidung, wer den Zuschlag erhält, steht noch aus. AVL ist Teil einer Gruppe, die vom US-Unternehmen Northrop Grumman angeführt wird. Außerdem dabei sind die Raumfahrtunternehmen Intuitive Machines und Lunar Outpost, sowie der Reifenhersteller Michelin.
AVL soll den Antrieb, die Batterietechnik und die Hard- und Software für das autonome Fahren beisteuern. Auch bei Simulation und Tests des Rovers soll das Grazer Unternehmen einen großen Anteil haben. "In diesem Bereich fehlte dem Konsortium das Know-How und wir bringen das mit", sagt Stephan Tarnutzer, Leiter der US-Niederlassung von AVL in Detroit. Eine der größten Herausforderungen für AVL werde das selbstständige Navigieren am Mond darstellen. "Es gibt kaum Anhaltspunkte, dazu kommen starke Temperaturschwankungen und die geringe Schwerkraft."
Starke Konkurrenz
Northrop Grumman hat reichhaltige Erfahrung in der Raumfahrt. Vor mehr als 50 Jahren hat Grumman Aerospace, später mit Northrop Aircraft fusioniert, die Mondlandefähre für die Apollo-Missionen gebaut.
Das Konsortium ist für den Auftrag gut aufgestellt, hat aber starke Konkurrenz. Eine andere Gruppe wird vom US-Aerospace-Unternehmen Lockheed Martin angeführt und hat u.a. General Motors und Goodyear als Partner. Eine weitere Gruppe rund um die US-Firma Teledyne umfasst die Raumfahrtfirma Sierra Space, Autohersteller Nissan und Bridgestone.
Weiterer Rover mit Druckkabine
Das LTV soll erstmals bei der Mission Artemis V zum Einsatz kommen. Sie soll frühestens 2028 stattfinden. Davor muss es die NASA aber erst mal schaffen, mit einer Besatzung im Orion-Raumschiff den Mond zu umrunden (Artemis II, 2024), sowie zwei Mal auf dem Mond zu landen (Artemis III und IV, 2025 und 2027). Jedes LTV soll am Mond mindestens 10 Jahre lang funktionstüchtig sein.
Während Astronaut*innen darin nur mit Raumanzug unterwegs sein können, plant die NASA für die weitere Zukunft auch einen Mond-Rover mit Druckkabine. Astronaut*innen sollen den Erdtrabanten damit wie in einer Art Wohnwagen erkunden können. Der Auftrag dafür scheint bereits fix vergeben. In Zusammenarbeit mit der japanischen Raumfahrtagentur JAXA soll Toyota den "Lunar Cruiser" bauen.
Ein robuster, aufklappbarer Buggy
Die Idee für ein motorisiertes Fahrzeug für Mondmissionen kam in den USA erstmals Anfang der 60er-Jahre auf. Eine treibende Kraft war Raketenpionier und Ex-Nazi Wernher von Braun. Mit der Entwicklung des Lunar Roving Vehicle ließ man sich allerdings Zeit. Dann ging es aber schnell. In knapp eineinhalb Jahren stellte Boeing ein Gerät fertig, das erstmals im Juli 1971 am Mond verwendet wurde.
Es wurde zusammengefaltet an Bord der Mondlandefähre transportiert und von den Astronauten auseinander gefaltet. Zwei Astronauten nahmen auf Klappsesseln Platz, eine Fernsehkamera an Bord konnte von der Erde ferngesteuert werden. Es gab eine Vorder- und Hinterradlenkung. Die Batterie des 210 Kilogramm leichten Fahrzeugs reichte für 92 Kilometer Reichweite. 13 km/h schnell sollte es fahren, es erreichte aber 18 km/h. Die Astronauten, die bei drei Missionen (zuletzt Apollo 18, 1972) damit fahren durften, waren vom LRV begeistert.