So wird Österreichs nächster Satellit für den Abflug vorbereitet
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PRETTY ist der insgesamt erst sechste österreichische Satellit. Er ist 30 Zentimeter hoch, 10 Zentimeter breit und 10 Zentimeter tief und zählt damit wie seine 5 Vorgänger zur Kategorie der Nanosatelliten. Er hat eine Masse von 4,6 Kilogramm und soll künftig auf einer Umlaufbahn im niederen Erdorbit in 565 Kilometer Höhe um die Erde schwirren. Von dort aus soll er mit Hilfe seiner 2 Instrumente winzige Unterschiede in der Meereshöhe feststellen sowie Strahlung im Weltraum messen.
futurezone-Besuch beim Satelliten PRETTY
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Verschmutzungsfrei im Reinraum
Derzeit sitzt PRETTY noch in einem Keller an der TU Graz, in einem so genannten Reinraum. Dort soll er möglichst frei von Verunreinigungen bleiben, weshalb man sich ihm nur mit Laborkittel, Haube und Patschen über den Schuhen annähern darf. Durch einen Vorraum gelangt man in das Labor, in dem der Satellit auf einem Arbeitstisch steht. Er ist mit einem Testgerät verkabelt und gibt keinen Mucks von sich.
Seitlich eingeklappt erkennt man die Solarmodule, die den Satelliten im All mit Strom versorgen werden. An der Vorderseite sieht man 2 flache Antennen. Eine davon dient einem passiven Reflektometersystem, die andere einem Strahlungsdetektor (Dosimeter). Die beiden Instrumente verleihen PRETTY auch seinen Namen: Passive REflectromeTry and DosimeTrY.
Signale von GPS-Satelliten recyceln
Das erste Instrument könne man sich wie eine Art Radar vorstellen, erklärt Heinrich Fragner von Beyond Gravity. Das vormals als RUAG Space bekannte Unternehmen hat PRETTY gemeinsam mit der TU Graz entwickelt. Funkwellen, die von der Erdoberfläche reflektiert werden, können mit Hilfe des passiven Reflektometers aufgefangen werden, um den Wasserpegel des Meeres zu messen. Auf wenige Zentimeter genau kann man dadurch Höhenunterschiede feststellen. Auf den Ozeanen der Welt entdeckt man so Erhöhungen und Einbuchtungen, die u.a. mit Meeresströmungen zusammenhängen.
Mit dem Verfahren kann aber auch die Dicke von Eis an den Polkappen gemessen werden, sowie die Dimensionen der Eisflächen. Die Strahlen, deren Reflexionen PRETTY einsammelt, werden nicht vom Satelliten selbst ausgesendet. Stattdessen werden jene Signale verwendet, die Navigationssatelliten ständig abgeben. Die Satelliten des europäischen Galileo-Netzwerks und des US-amerikanischen GPS dienen als Quellen. "Damit produzieren wir keine zusätzlichen elektromagnetischen Wellen, sondern betreiben quasi Recycling", sagt Fragner.
Aufgefächerter Zwilling
2 Meter neben dem Satelliten steht im Labor eine flache Kiste, der den so genannten "Flatsat" enthält. Alle Komponenten des Satelliten sind hier in der Ebene aufgefächert. Es ist ein Zwilling des Satelliten, der wunderbar veranschaulicht, was alles in dem schuhschachtelgroßen Endresultat steckt. "Man sieht dadurch ganz gut, welche Herausforderung es ist, all das in den Satelliten hinein zu packen", sagt Manuela Wenger von der TU Graz. Sie ist Teil des vierköpfigen Teams der Universität, die mit tatkräftiger Unterstützung durch Studierende seit 4 Jahren an PRETTY arbeiten.
Ein Jahr, mit Verlängerungsoption
"Mit dem Satelliten sammeln wir mehr Informationen, um den Klimawandel besser zu verstehen", erklärt Wenger den hauptsächlichen Einsatzzweck von PRETTY. Ausgewertet werden die Daten von einem europäischen Forscher*innennetzwerk. Die zweite große Aufgabe sei die Erforschung der kosmischen Strahlung rund um die Erde. Das dazu dienende Messgerät wurde von Seibersdorf Laboratories entwickelt.
Der Satellit soll seine Aufgaben im All mindestens ein Jahr lang erledigen. An den bisherigen Satelliten aus Österreich, von denen 3 an der TU Graz entwickelt wurden, sehe man aber, dass auch wesentlich längere Dienstzeiten möglich sind. "TUGSAT, der erste österreichische Satellit, wurde 2013 für eine Missionsdauer von 2 Jahren gestartet", sagt Wenger. "Jetzt ist er schon 10 Jahre aktiv."
Kleine Kammer als Mission Control
Die Daten, die PRETTY sammeln wird, werden im Betrieb alle 90 Minuten zur Bodenstation übertragen. Eine große Antenne auf einem Institutsgebäude der TU Graz stellt künftig den Kontakt zum Satelliten her und gibt Beobachtungsaufträge weiter. Ein kleiner Raum im selben Gebäude bildet die "Mission Control". Ein Schreibtisch, 3 Bildschirme, eine Reihe von Funkgeräten in einem kleinen Raum bieten ein ganz anderes Ambiente, als man es von größeren Raumfahrtmissionen gewohnt ist.
Eine Back-up-Bodenstation gibt es bei der ESA in Darmstadt. Die europäische Raumfahrtorganisation hat den Auftrag für die Entwicklung von PRETTY gegeben. 2,5 Millionen Euro wurden Beyond Gravity, der TU Graz und Seibersdorf Laboratories dafür zur Verfügung gestellt.
Trägerrakete macht Probleme
In den kommenden Tagen hätte PRETTY eigentlich laut Plan verpackt werden sollen, um weitere Schritte bis zum Start zu absolvieren. In Brno (Tschechien) wird der Satellit mitsamt anderer Satelliten in einen Container verfrachtet (einen Dispenser), aus dem er im Weltraum von der Trägerrakete mit einer Sprungfeder herausgeschleudert wird. Von Brno wird die Reise nach Kourou in Französisch-Guyana weitergehen. Dort wird PRETTY an Bord der Trägerrakete vom Typ Vega-C gebracht.
Weil der letzte Start mit einer Vega-C jedoch schiefgegangen ist, wird der Zeitplan durcheinander geworfen. Eigentlich sollte PRETTY am 9. März ins All gebracht werden, ein neuer Termin steht noch nicht fest. "Wir hoffen auf einen Start im ersten Quartal 2023", sagt Andreas Hörmer, der ebenfalls am Satelliten mitgearbeitet hat. "Durch die Entwicklung der Hardware für den Satelliten sind mehrere Publikationen in Fachjournalen entstanden. Auch Dissertationen schauen heraus, unter anderem meine eigene."
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