Wie kosmische Strahlung Quantencomputern schadet
Quantencomputer sollen der nächste große Meilenstein der Computertechnik werden. Sie sollen Prozesse für Forschung und Unternehmen enorm verbessern. Probleme, die kein Rechner derzeit bearbeiten kann, sollen in kürzester Zeit gelöst werden.
Ein Quantenprozessor wird aus sogenannten Quanten-bits (Qubits) aufgebaut. Diese Qubits können nicht nur den Zustand 1 oder 0 annehmen wie reguläre Bits, sondern auch Überlagerungen der beiden Zustände annehmen – also 0 und 1 gleichzeitig. Bei einem ganzen Register an Qubits wird es vereinfacht gesagt möglich, mit mehreren Zahlen gleichzeitig Rechenoperationen durchzuführen.
Kosmische Strahlung vs. Qubits
Eine der größten Herausforderungen beim Bau von Quantencomputern ist es, diese Qubits stabil zu halten. Dafür werden beispielsweise Supraleiter eingesetzt, mit denen Qubits aus Elektronenpaaren – sogenannte Cooper Paare – erzeugt werden. Sie länger als einige 100 Mikrosekunden stabil zu halten ist bereits ein enormer Aufwand. So müssen die Supraleiter stark gekühlt werden, damit die Elektronenpaare nicht aufbrechen. Derzeit noch auf -273 Grad, den absoluten Nullpunkt.
Nun haben Studien des MIT (Nature Physics) und von Google (Nature Physics) gezeigt, dass diese Elektronenpaare ein großes Problem haben: hochenergetische Teilchen, etwa aus kosmischer oder radioaktiver Strahlung. Die treffen regelmäßig die Erde und schießen auch ständig durch unseren Körper hindurch. Und sie treffen eben auch auf Supraleiter. Ihre Energie reicht aus, um die Elektronenpaare aufzubrechen. Das konnte das MIT bereits 2020 feststellen, nun vertiefte Google die Analyse des Problems.
Fehlerkorrektur reicht nicht aus
“Es leidet nicht nur ein Qubit, sondern das Problem ist großflächig. Wäre es nur lokalisiert, gebe es kein Problem, das wäre dann einfach eine zusätzliche Fehlerrate, die man berücksichtigen müsste. Dafür macht man eine Fehlerkorrektur. Wenn auf einmal alle meine Qubits schlechter werden, dann kann man das nicht mehr korrigieren”, beschreibt Gerhard Kirchmair vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Akademie der Wissenschaften gegenüber der futurezone.
Im Testaufbau von Google wurde ein Chip mit 26 Qubits verwendet. Normalerweise treten im Schnitt maximal bei 4 dieser Qubits Fehler in einem bestimmten Zeitintervall auf. Sobald sie von hochenergetischen Teilchen getroffen wurden, erhöhte sich diese Zahl auf 24. Das sei ein ernsthaftes Problem für Quantencomputer, die mit Supraleitern arbeiten, sagt Kirchmair. Denn jedes Mal, wenn hochenergetische Teilchen die Qubits aufbrechen, muss der Vorgang im Quantencomputer pausiert und neu gestartet werden.
Das ist nicht nur mühsam, sondern wirkt der eigentlichen Idee, nämlich der großen Geschwindigkeit, entgegen. Außerdem kommt so ein Ereignis nicht einmal am Tag, sondern ungefähr alle 10 Minuten vor. Die Berechnungen in Quantencomputern beanspruchen aber häufig mehrere Stunden.
Suche nach Abschirm-Strategien
„Das kann den Prozess als Ganzes ausschalten”, erklärt Kirchmair. Den Todesstoß für die Technologie bedeutet es aber sicher nicht. „Man muss jetzt auswerten, welche Strategien helfen, um die Teilchen abzuschirmen“. Eine solche Methode sei es etwa, Rechenzentren zukünftig in massive Berge oder tief unter der Erde zu bauen. Das sei wahrscheinlich eine der einfachsten Lösungen.
Andere Ideen kommen aus der Astrophysik, wo man häufig Messungen durchführen möchte, ohne dass ständig kosmische Strahlung das Ergebnis stört. „Man könnte andere Materialien verwenden, die die Energie der Teilchen ableiten und damit nicht die Kohärenzzeit der Qubits verringert”, sagt der Physiker. Eine andere Möglichkeit wäre es, „Fallen“ zu bauen, die die aufgebrochenen Elektronenpaare einfangen und nicht mehr rauslassen. Damit würden sie die anderen Qubits nicht mehr beeinflussen und der Prozess könnte weiterlaufen.
„Wahrscheinlich wird man eine Kombination dieser Methoden einsetzen”, sagt Kirchmair. Überraschend kamen die Ergebnisse für ihn nicht. Dass kosmische Strahlung und radioaktive Teilchen das Potenzial haben, Supraleiter zu stören, war schon bekannt. Wie groß die Auswirkungen tatsächlich sind, konnte aber erst die Google-Studie zeigen. Nun wird man sich an das Erarbeiten von Lösungen setzen müssen.