Zuhause CO2 aus der Luft abzapfen
Die Konzentration von Kohlendioxid in der Luft ist zu hoch. Um den Klimawandel zu bremsen, sollte man einerseits den Ausstoß des Treibhausgases reduzieren, andererseits sollte man CO2 auch wieder aus der Luft filtern und in den Boden befördern. Von dort kam es in Form fossiler Brennstoffe ja auch. Pflanzen machen das natürlicherweise, angesichts der rasch voranschreitenden Erderwärmung allerdings nicht schnell genug, weshalb Unterstützung durch so genanntes Direct Air Capture (DAC) sinnvoll erscheint.
Kleine, modulare DAClings
CO2 wird dabei auf technischem Weg aus der Luft gefiltert, entweder um es anschließend für lange Zeit im Boden zu lagern oder zu verwenden und zumindest keinen zusätzlichen Kohlenstoff aus dem Boden zu holen. In den vergangenen Jahren wurden bereits einige Unternehmen gegründet, die DAC im großen Stil betreiben wollen und entsprechend dimensionierte Anlagen entwickelt haben.
Der Silicon-Valley-Unternehmer Peter Relan hat dagegen die Idee, mit kleinen Geräten künftig an einer Vielzahl von Orten DAC zu betreiben, etwa in Gewerbeimmobilien oder in Privathaushalten. Durch modularen Aufbau sollen damit auch große DAC-Anlagen gebildet werden können. Auf der Suche nach Expertise zu dem Thema ist er auf die TU Wien gestoßen. Finanziert durch Relans Unternehmen YouWeb IV Impact Incubator wurde im vergangenen Jahr das Forschungsprojekt DAC Impact gestartet. Nun ist die erste Phase des Projekts abgeschlossen und ein erster Prototyp existiert, der "DACling".
Speicherung in Gasflaschen
Ein 8-köpfiges Forscher*innenteam unter der Leitung von Hermann Hofbauer hat ein Gerät entwickelt, in dem kleine Kügelchen mit Aminen (organische Verbindungen, die mit Ammoniak verwandt sind) CO2 aus der Luft aufnehmen. Sind sie mit dem Gas gesättigt, werden sie abgesondert und auf 50 Grad Celsius aufgeheizt. Das CO2 wird dadurch wieder freigesetzt und in Gasflaschen gespeichert. Das Endprodukt besteht aus 98 Prozent Kohlendioxid. Das ganze Gerät ist 2 Meter lang, ein Meter breit und 0,5 Meter hoch. Es kann problemlos auf einen Autoanhänger gepackt werden. "Unser Ziel war eine Architektur, die klein und flexibel genug ist, um es jeder Forschungsinstitution zu erlauben, damit zu experimentieren", sagt Peter Relan.
Der DACling soll beliebig modifiziert und unter einer Vielzahl von Bedingungen ausprobiert werden können. "DAC kann in Österreich nämlich ganz anders ablaufen als etwa in der Sahara oder in Singapur", erklärt Relan. Wetter, Wind, Temperatur und andere Bedingungen können den Prozess beeinflussen. "Wir wollen, dass das wirklich überall funktioniert."
Kühlschrankgroßes Gerät für Haushalte
Laut Hermann Hofbauer benötigt der DACling nicht übermäßig viel Strom. Im Betrieb sind es 200 Watt Leistung. Ziel sei es, pro Tonne abgeschiedenem CO2 rund 2.000 bis 3.000 Kilowattstunden zu verbrauchen. Der Energiebedarf könne mit Photovoltaik abgedeckt werden. Seltene Materialien benötige man für das Gerät nicht. Je mehr CO2 in der Luft vorhanden sei, umso effizienter arbeite es. Daher biete sich der Einsatz in Innenräumen an, wo die Konzentration des Gases mehr als doppelt so hoch wie im Freien sein kann.
Relans Idee ist es, DACling etwa in Büros als Teil der Lüftungsanlage einzusetzen. Dort könnte man auch die Abwärme des Gerätes nutzen. Aber auch in Privathaushalten soll das Gerät seine Verbreitung finden. Dort soll es nur noch so groß wie ein Kühlschrank sein.
Geld erhalten von der Müllabfuhr
Das abgesonderte CO2 könnte dann von einer Art Müllabfuhr abgeholt werden. Möglicherweise könnten Nutzer*innen Geld verdienen, indem sie das Gas an Industrieunternehmen verkaufen. Gebraucht werden könnte es laut Hofbauer für die Herstellung von Baumaterialien oder synthetischen Kraftstoffen. Um den CO2-Anteil in der Atmosphäre tatsächlich zu reduzieren sollte aber eine große Menge in Endlagern landen.
Open-Core-Modell für Interessierte
Zunächst einmal gilt es, mit dem DACling zu experimentieren. Die TU Wien wird mehrere Exemplare herstellen. Sie sollen dann an Forschungseinrichtungen verkauft werden, die sich ebenfalls mit DAC beschäftigen. Peter Relan schwebt ein "Open Core"-Modell vor, bei dem Teile des Systems für alle Interessierten offenstehen, der intellektuelle Kern jedoch im Besitz seiner Firma verbleibt: "Wir sind kein Non-Profit-Unternehmen und wollen den monetären Wert unserer verrichteten Arbeit behalten."
Der YouWeb IV Impact Incubator investiert seit 2007 in Start-up-Unternehmen. Das wohl erfolgreichste ist die Kommunikationsplattform Discord. Für das Projekt mit der TU Wien werden mehrere Millionen Euro aufgewendet. 2024 soll mit der Kommerzialisierung des Produkts begonnen werden. Darüber hinaus schmiede man laut Relan derzeit noch keine Pläne.
Fakten
Konzentration
Kohlendioxid hat einen Volumenanteil in der Erdatmosphäre von derzeit 420 ppm (Parts per Million). Das sind etwa 0,04 Prozent. Der Wert steigt jährlich an. Zum Vergleich: 1958 lag er bei rund 300 ppm. Der steigende CO2-Anteil in der Luft beschleunigt den Klimawandel.
CCS und CCU
Beim Herausfiltern von CO2 aus der Luft wird zwischen Carbon Capture and Storage (CCS) und Carbon Capture and Utilisation (CCU) unterschieden. Ersteres meint die Endlagerung tief im Boden, etwa in ehemaligen Erdöl- oder Erdgaslagerstätten. Zweiteres bedeutet die CO2-neutrale Verwendung. In die Luft geblasenes Treibhausgas wird anschließend wieder heraus gefiltert.
Erfahrung
Die TU Wien hat langjährige Expertise beim Filtern von CO2. Im Projekt ViennaGreenCO2 wurde unter der Leitung von Herman Hofbauer etwa eine Pilotanlage errichtet, die Abgase eines Biomassekraftwerks in Wien reinigt. Das abgeschiedene CO2 wird dabei als Pflanzendünger in Gewächshäusern verwendet.