Umstrittener Plan: Norwegen setzt auf CO2-Speicher unter dem Meer
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Kohlendioxid ist wohl das bekannteste Treibhausgas - und allein im vergangenen Jahr wurden 36,6 Gigatonnen (1 Gigatonne entspricht eine Milliarde Tonnen) ausgestoßen. Um der Klimakatastrophe zu entgehen, soll daher nicht nur weniger CO2 ausgestoßen werden, sondern produziertes Kohlendioxid auch wieder eingefangen und gelagert werden. Doch wohin mit dem ganzen CO2? Die Antwort lautet Carbon Capture & Storage (Kohlenstoff-Abscheidung und Speicherung), kurz CCS. Bei der Methode wird das Treibhausgas eingefangen, Expert*innen sprechen von "Abscheidung", und meist im Untergrund gespeichert.
Nasses Grab für CO2
Norwegen gilt als Vorreiter beim CCS. Seit 1996 speichert das Land CO2 unterhalb des Meeresbodens gespeichert. Die Verarbeitung des CO2 findet dabei auf hoher See statt. Im Sleipner-Gasfeld, 260 Kilometer westlich der norwegischen Küste, wird dabei Erdgas gefördert und der darin enthaltene CO2-Anteil direkt herausgefiltert. Das CO2 wird dann wieder in eine poröse Sandgesteinsschicht in 800 bis 1.000 Metern Tiefe gepumpt. Seit 1996 werden dort jährlich mehr als eine Million Tonnen CO2 gespeichert.
Noch tiefer soll es allerdings beim Northern Lights Projekt in den Untergrund gehen. Bei dem Projekt soll das CO2 von der europäischen Zement- und Stahlindustrie mit Schiffen an ein Terminal nördlich von Bergen angeliefert werden. Von dort aus wird es über Pipelines 100 Kilometer vor die Küste transportiert, wo es in 2.400 Metern Tiefe gelagert werden soll. Die 1. Phase des Projekts soll Mitte 2024 abgeschlossen sein und 1,5 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr speichern können. In Zukunft soll die Speicherkapazität auf 5 Millionen Tonnen pro Jahr ausgeweitet werden.
Am Montag ließ der norwegische Ministerpräsident Jonas Gahr Støre außerdem aufhorchen, als er anbot, künftig das gesamte europäische Treibhausgas unter dem Meeresboden zu speichern. Norwegen will das CO2 später wieder als Rohstoff nutzen.
Was passiert, wenn der Speicher leckt?
Umweltschützer*innen sind jedoch skeptisch und warnen vor Gefahren, die bei Lecks entstehen können. Tatsächlich würde beim Austritt des CO2 das Meer deutlich saurer werden, was eine Gefahr für die dortigen Lebewesen darstellt. Zudem könnte die Chance bestehen, dass austretendes CO2 wieder in die Atmosphäre zurück gelang und so die Klimakrise weiter antreibt.
Forscher*innen des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung in Kiel haben diese Bedenken zumindest teilweise entkräftet. Bei Untersuchungen konnten zumindest am Sleipner-Gasfeld keine Lecks festgestellt werden. Vorhandene Bohrlöcher seien jedoch auch dort ein Risiko, die zu undichten Stellen führen könnten.
Bei einem Freisetzungsexperiment mit einer Rate von 31 Tonnen pro Jahr zeigte sich außerdem, dass das CO2 am Meeresboden vollständig gelöst wird und nicht in die Atmosphäre gelingt. Dadurch sinkt der pH-Wert des Bodenwassers jedoch ab - von ursprünglich 8 auf 7. Laut Projektleiter Klaus Wallmann ist das ein Nachteil für die am Meeresboden lebende Organismen. Durch die Strömung hält sich der Effekt aber in Grenzen. Das CO2 verteilt sich nämlich so stark, dass nur das Biom in der direkten Umgebung der Lecks betroffen ist.
Mineralölkonzerne setzen auf CCS
Skeptiker*innen sehen jedoch einen weiteren Grund zur Sorge: Durch die CCS-Technologie scheint es nicht mehr so dringend, den CO2-Ausstoß einzuschränken. So ist es wohl kein Zufall, dass es sich bei Northern Lights um ein Joint Venture der Mineralölunternehmen Equinor, Shell und TotalEnergies handelt. Diese profitieren nämlich davon, weiterhin Kohlendioxid ausstoßen zu dürfen und später wieder abzuscheiden.
Stellt sich noch die Frage, die sich immer stellt: Wieso muss man CO2 aufwändig einfangen und speichern, wenn Bäume fast ganz ohne Zutun die reinsten CO2-Sauger sind? Die Antwort liegt in der Menge an CO2, die wir ausstoßen. Durch die Förderung von Kohle, Erdöl und Erdgas setzen wir Kohlenstoff frei, der sich vor 200 bis 150 Millionen Jahren über Millionen von Jahren gebunden hat. Aufforstung alleine reicht da nicht aus, um das CO2 wieder zu binden. Daher soll es wieder dort hin, wo es hergekommen ist - tief unter die Erde.
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