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Crowdfunding: Nicht jeder lacht über "Boobs & Balls"

Als die NASA Anfang des Jahrzehnts 45 Prozent ihres Budgets für Forschung und Entwicklung gestrichen wurden, suchte die US-Weltraumbehörde nach einem Weg, den Mittelabfluss wettzumachen. Für eine effizientere Energieversorgung der Weltraumstation ISS schrieb sie einen Wettbewerb aus und stellte Preisgelder von insgesamt 40.000 Dollar in Aussicht. Mit Erfolg. Das Problem wurde gelöst und die Kosten waren weit geringer als Lösungen, die etwa von US-Rüstungsfirmen angeboten wurden. "Mit traditionellen Methoden hätte die NASA nie Zugang zu den Spezialisten bekommen", sagt Katja Hutter, Professorin für Marketing und Innovation an der Universität Salzburg. Mehr und mehr Unternehmen lagern Aufgabenstellungen an die "Crowd" aus, beziehen Kunden in Innovationsprozesse mit ein oder gehen neue Wege bei der Finanzierung. Wie sich Crowdsourcing, gemeinschaftliche Innovation und Schwarmfinanzierung auf Wirtschaft und Gesellschaft auswirken, erörterten am Donnerstag mehr als 400 Experten aus 32 Ländern beim CrowdDialog Europe, der heuer erstmals ins Graz stattfand.

Preisgelder reichen nicht

Wer sich auf Crowdsourcing einlasse, müsse Anreize für die Teilnehmer schaffen. Preisgelder alleine reichen nicht, sagt Hutter, die auch mit abschreckenden Beispielen aufwartet: Der Reinigungsmittelhersteller Henkel schlitterte 2011 mit einem Wettbewerb für eines neues Design der Verpackung seines Spülmittels Pril in eine Social Media-Deasaster. Die Community hatte im Online-Voting für einen Entwurf gestimmt, der dem Henkel-Management nicht behagte. Als daraufhin die Teilnahmebedingungen geändert wurden, nahm das Unheil seinen Lauf. "Man muss den Leuten gute Gründe geben, sich zu beteiligen und den Prozess klar strukturieren", sagte Crowdsourcing-Expertin Hutter: "Sonst geht es schief."

Nicht gescheitert sind die Projekte einer vom Land Südtirol betriebenen Innovationsplattform. Neue Ideen für Kinderbetten, Souvenirs aus Holz oder einer Kletterwand (Kraxl-Board Rock) wurden von den Nutzern von Open Innovation Südtirol nicht nur entwickelt, sie investierten auch Geld in die Umsetzung der Konzepte. Gemeinschaftliche Innovation und Crowdfunding wachsen mehr und mehr zusammen, sagt Giordani Koch vom Münchner Innovationslabor Hyve.

Chancen für KMUs

Reinhard Willfort nennt solche Prozesse Crowdbusiness. Kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) könnten sich auf diese Art neue Geschäftsmodelle erschließen, sagt der Betreiber der Innovationsagentur Innovation Service Network und der Crowdinvestingplattform 1000x1000.at.

Dort wurde auch das Minikraftwerk simon finanziert. Mehr als tausend Leute bestellten die handtuchgroße Solaranlage vor, die auch in der Stadt zum Einsatz kommen kann. Alles was es zu diesem Zeitpunkt gab, war ein Prototyp. "Vor 50 Jahren hätten wir von einer Bank eine Million ausgeliehen, um tausend Stück zu finanzieren, dann hätte sich das Marketing überlegen müssen, wie man das Produkt verkauft und es hätte vielleicht niemanden interessiert", sagt Willfort. Das Einbeziehen der Kunden biete vor allem KMUs Chancen, meint Willfort. Crowdbusiness könne Unternehmen neue Wege aufzeigen.

Crowdsourcing will Willfort aber nicht nur auf wirtschaftliche Prozesse beschränkt wissen. Am Donnerstag hat er die Website openinnovationgraz.at online gestellt, auf der Bürger Ideen für ein besseres Graz einbringen können. Aber nicht nur das. In einem weiteren Schritt, werden sie auch gefragt, welche Vorschläge sie finanzieren würden. "Wenn die Stadtregierung die Summe verdoppelt, wäre es fein", sagt Willforth.

Partizipation

Unternehmen müssten darüber nachdenken, wie sie ihre Kunden einbeziehen können, sagte die Crowdsourcing-Expertin Shelley Kuipers. An den gemeinschaftlich generierten Werten müssten alle Beteiligten teilhaben können, rät die Mitgründerin der Risikokapitalfirma Better Ventures. "Versuchen Sie sich vorzustellen, wie das nächste Uber oder Facebook aussehen könnte, wenn der durch das Unternehmen generierte Wohlstand allen Beteiligten zugutekommt."

Crowdsourcing wird auch beim US-Start-up Hyperloop Transportation Technologies großgeschrieben. Die Firma, die an einem Hochgeschwindigkeitstransportsystem arbeitet, bei dem Kapseln mit bis zu 1225 Stundenkilometern durch eine Röhre geschickt werden sollen, entwickelt ihre Lösungen gemeinsam mit 520 Experten, die ihre Arbeitskraft im Tausch für Aktienoptionen zur Verfügung stellen. Mehr als 60.000 Stunden hätten die externen Mitarbeiter bereits in das Projekt investiert, erzählt Karl Bruckmeier von Hyperloop. Daneben hat sich auch eine fast 30.000 Nutzer zählende Online-Community um das Projekt gebildet, in der Ideen für das System diskutiert werden.

Mit Humor

Aber auch Tipps für erfolgreiches Crowdfunding kamen bei der Konferenz zur Sprache. "Viele erfolgreiche Kampagnen haben gemeinsam, dass sie auf die eine oder andere Art Humor einsetzen", sagt Jana Ecksteinova von der größten tschechischen Crowdfunding-Plattform hithit.cz. Das Spektrum reiche vom Waschsalon, der seine Mitarbeiter in einem Online-Video als Westernhelden inszeniert, bis zu Spielenentwicklern, die Enten jagen und dabei die Namen ihrer Förderer in die Welt brüllen. Sie erzählte auch von einer Spendenkampagne für die Brustkrebshilfe. Den Slogan "Boobs & Balls" hätte zwar nicht jeder lustig gefunden, sagte Ecksteinova: "Er hat aber funktioniert."

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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