Be My Eyes
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Blinde leihen sich Sehkraft mittels Smartphone-App

Die Idee hinter der dänischen App "Be My Eyes" ist einfach. Blinde oder Personen mit eingeschränkter Sehfähigkeit werden, wenn sie die Hilfe einer sehenden Person brauchen, mit Freiwilligen verbunden, die über die Kamera Objekte identifizieren, Texte lesen oder andere Aufgaben lösen können.

"Das Herstellen der Live-Videoverbindung funktioniert sehr einfach, die App besteht nur aus einem Knopf, der einen Freiwilligen kontaktiert. Das Öffnen der App funktioniert über Sprachsteuerung oder Touch-Gesten", erklärt Hans Jørgen Wiberg, der Erfinder der App. Seit dem 15. Jänner gibt es die Be My Eyes für iOS, eine Android-Version soll in absehbarer Zeit folgen, auch Windows-Unterstützung ist angedacht. Wiberg, der selber nur noch fünf Prozent seines Sehvermögens besitzt, wollte eine App entwickeln, die blinden Personen den Alltag erleichtert. "Die Freiwilligen können etwa dabei helfen, die Einkäufe in die richtigen Kästen zu räumen, Gegenstände zu identifizieren, zusammenpassende Kleidung zu finden oder den Stromzähler abzulesen. Meist sind es sehr einfache Aufgaben, die kaum Zeit benötigen, wie etwa das Identifizieren des Inhalts einer Konservendose", erklärt Wiberg.

Über 70.000 Freiwillige haben sich schon angemeldet, 5500 Blinde verwenden die App. "Wir bekommen alle fünf Sekunden einen neuen Nutzer. Das ist Wahnsinn. Mit dem Erfolg hätten wir nicht gerechnet. Wir haben mittlerweile Freiwillige, die Hilfestellung in über 80 Sprachen bieten können", so Wiberg. Bei der Anmeldung werden Blinde und Freiwillige nach der Sprache, die auf ihren Mobiltelefonen eingestellt ist, eingeteilt. Wer zusätzliche Sprachkenntnisse hat, kann das nachträglich ergänzen. Die meisten Freiwilligen sind englischsprechend. "Wir können für die gängigsten Sprachen, also etwa Deutsch, Französisch oder Spanisch, garantieren, dass immer ein Freiwilliger verfügbar ist. Dänisch ist natürlich auch stark vertreten", sagt Wiberg.

Non-Profit

Geld verdienen will der Erfinder mit seiner App nicht. Es handelt sich um ein Non-Profit-Projekt. Das Startkapital hat die dänische Stiftung Velux zur Verfügung gestellt. "Die App ist gratis. Wir haben sie im November in den dänischen App-Store gestellt, das aber nicht groß beworben. Das hat sich trotzdem sehr schnell herumgesprochen. Wir waren dann auch im dänischen Fernsehen zu sehen, was das Interesse weiter befeuert hat", sagt Wiberg. Mittlerweile wurde auch eine Crowdfunding-Aktion ins Leben gerufen, die bereits 450 Geldgeber motivieren konnte. Damit ist der Betrieb des Projekts nach derzeitigem Stand bis zum 1. September gesichert. Längerfristig ist auch die Integration eines Spenden-Buttons in die App geplant.

"Wir müssen schließlich unsere Leute bezahlen, Optimierungen vornehmen, den technischen Ablauf und Service sicherstellen und eventuell neue Versionen für künftige iOS-Versionen anpassen. Die Android-Version wird ebenfalls Geld kosten", erklärt Wiberg. Fulltime-Jobs gibt es bei Be My Eyes aber keine. "Ich arbeite etwa 12 Stunden die Woche an der App. Meine Kollegen handhaben das ähnlich", so der Erfinder. Zusätzliche Funktionen für die App sind derzeit nicht angedacht. "Die einfache Bedienung ist das Wichtigste. Wenn wir neue Ideen haben, würden wir die deshalb eher in einer eigenständigen App verwirklichen. ", sagt Wiberg.

Begeisterte Nutzer

Die Rückmeldungen der Nutzer waren bisher sehr positiv. "Wir haben über 1500 Mails bekommen, die mit Worten wie fantastisch oder wunderbar gespickt waren. Das freut uns natürlich sehr, besonders wenn wir Feedback von Blinden bekommen", sagt Wiberg. Be My Eyes ist tatsächlich die erste App, die Unterstützung für Blinde liefert, indem sie Crowdsourcing verwendet. Vergleichbare Apps setzen eher auf Algorithmen und Bilderkennungssoftware, die Objekte und Texte automatisch erkennen sollen. Das funktioniert aber nicht annähernd so zuverlässig wie die Hilfe eines Menschen.

"Ich war verwundert, dass vor mir anscheinend keiner auf die Idee gekommen ist. Mir ist das Konzept vor etwa zwei Jahren eingefallen, und jetzt ist die Technik auf dem richtigen Stand", so Wiberg. Um Missbrauch zu verhindern, gibt es nach jeder Sitzung die Möglichkeit, die Interaktion zu bewerten, sowohl für die Blinden als auch für die Helfer. Personen, die das System missbrauchen, werden verbannt.

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Markus Keßler

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