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WKÖ-Initiative

"Das Silicon Valley kennt kein Scheitern"

Die Initiative der Wirtschaftskammer findet bereits zum dritten Mal statt, der Andrang ist angesichts der sehr kurzen Bewerbungsfrist von einigen Wochen und der wenigen verfügbaren Plätze groß. "Was hast Du anzubieten? Wie und wo passt Du in den Markt? Wie ist die User Experience? Und warum sind Nutzer mit Deinem Service, Deinem Produkt glücklicher als bei der Konkurrenz", fasst der langjährige Silicon-Valley-Kenner Tom Rice die wesentlichen Fragen an Start-up-Gründer und Unternehmer zusammen.

Arbeitsplätze im Plug & Play Tech Center winken
Rice ist einer der drei Jurymitglieder, die über die Vergabe der 20 physischen Arbeitsplätze im angesagten "Plug & Play Tech Center" in Sunnyvale, Kalifornien, entscheiden. Er wird die Firmen auch vor Ort betreuen und diese hinsichtlich ihrer Business-Pläne und Finanzierungsstrategien beraten. Das Silicon Valley ist als Start-up-Schmiede, aber auch als Wirtschaftsraum einzigartig, selbst für die USA. Rund 40 Prozent des gesamten Venture-Capital des Landes fließen in Unternehmen, die im Silicon Valley angesiedelt sind.

Das Tempo, mit dem Start-ups gegründet, Ideen mit millionenschweren Investitionen gefüttert und wieder verworfen werden, ist gerade für europäische Unternehmen eine große Herausforderung. "Die Geschwindigkeit hier ist für die meisten österreichischen Unternehmen zunächst einmal ein Schock", bestätigt Anton Emsenhuber, der als Wirtschaftsdelegierter der WKÖ die ausgewählten Start-ups vor Ort mitbetreut.

Speed kills
"Während in Österreich von der Idee zum ersten Webseiten-Prototypen gerne drei Monate verstreichen, wird so etwas im Silicon Valley übers Wochenende gebastelt. Entscheidungen werden enorm schnell gefällt, Angst vor dem Versagen oder vor dem Konkurs gibt es praktisch keine – im Gegenteil. Für das Scheitern erntet man genauso Anerkennung, weil es zeigt, dass man es zumindest probiert hat", erklärt Emsenhuber im Gespräch mit der futurezone.

Diese andere Business-Mentalität im großen Stil zu exportieren, sei bisher keinem anderen Land, aber auch keiner anderen Region gelungen. Selbst in den USA gebe es keinen vergleichbaren Wirtschaftsraum, so Emsenhuber. Wichtige Impulse mitnehmen könne man von den Erfahrungen vor Ort aber allemal, selbst wenn sich Unternehmen nach der Probezeit im Silicon Valley entscheiden, ihre Aktivitäten zukünftig wieder auf den europäischen Markt zu beschränken.

"Silicon Valley verändert eigene Business-DNA
"
"Selbst nach wenigen Monaten im Silicon Valley ändert sich die eigene Business-DNA durch die gemachten Erfahrungen und Kontakte völlig", meint auch Florian Kandler, der mit seinem Start-up Ulmon im Vorjahr von der WKÖ-Initiative profitierte und schließlich für weitere drei Monate in die USA zurückkehrte. Besonders begeistert hat Kandler der offene Umgang mit Ideen und die Bereitschaft, eigene Kontakte miteinander zu teilen und Brücken zu Investoren und potenziellen Geschäftspartnern zu bauen.

"Jeder hilft jedem, ohne im Hinterkopf eine konkrete Gegenleistung zu erwarten. Geheimniskrämerei nützt ohnehin nichts, denn wenn man eine gute Idee hat, kann man sicher sein, dass mindestens fünf andere Unternehmen bereits längst an der Umsetzung derselben arbeiten", so Kandler.

Von der "Go Silicon Valley"-Initiative zeigt sich der Unternehmer begeistert, wenngleich vor Ort viel Eigeninitiative gefordert sei. "Die Leute sind offen und gehen schnell einmal auf einen Kaffee, man kann sie relativ einfach für eine Idee begeistern. Aber man muss aktiv und präsent sein und sich in Erinnerung rufen. In den Supermarkt oder in eine Bar ohne Visitenkarten zu gehen, ist definitiv keine gute Idee", meint Kandler.

20 Unternehmen dürfen nach Kalifornien
Wer von den 50 Bewerbern es schafft, einen der 20 Plätze im Programm zu erhalten, entscheidet sich in den kommenden Tagen. Nach den Kurz-Präsentationen vor der Jury wird diese am Freitag ihre Auswahl treffen. Unter den teilnehmenden Unternehmen herrscht jedenfalls Aufbruchsstimmung. "Die Möglichkeiten im Silicon Valley sind großartig. Wenn man etwa im Social Media Bereich etwas machen will und global plant, dann führt eigentlich kein Weg daran vorbei, vor Ort die richtigen Leute zu suchen und zu finden", meint Markus Roth, Geschäftsführer von creative Bits, der mit Partnern ein neues Unternehmen auf die Beine stellen will.

Über einen Platz im "Plug & Play Tech Center", in dem mittlerweile bis zu 300 aufstrebende Start-ups angesiedelt sind, würde sich auch Peter Honeder, Geschäftsführer von HLW Software, freuen. Das Software-Unternehmen hat sich mit plattform-übergreifenden Remote-Desktop-Applikationen einen Namen gemacht und verfügt schon jetzt über einen Kundenanteil aus den USA von 80 Prozent. "Wir würden das dreimonatige Fenster in erster Linie zum Kontakte knüpfen und zur Kundengewinnung nutzen", so Honeder.

Finanzspritze zweitrangig

Wer auf das große Geld oder gar einen Venture-Capital-Investor hofft, sollte sich im Rahmen der Initiative aber keine allzu großen Hoffnungen machen. Denn selbst von den in den USA ansässigen Unternehmen erhalten nur die wenigsten eine große Geldspritze. "Wer an unserer Initiative teilnimmt, sollte definitiv mehrgleisig fahren. Neben der Auslotung potenzieller Investoren sollte man die Zeit zum Netzwerken, zum Finden strategischer Partner und für Neukunden nutzen", meint auch Emsenhuber.

Und auch die Erkenntnis, dass eine andere Firma mit der gleichen Idee schon fünf Millionen Dollar weiter ist, sei hilfreich, um die eigenen Ziele abzustecken. "Viele Ideen, die auf dem US-Markt aufgrund der enormen Konkurrenz keine Chance haben, können in Europa immer noch sehr erfolgreich sein. Eine derartige Erkenntnis kann folglich genauso Gold wert sein", so Emsenhuber im Gespräch mit der futurezone.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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