Jan Trionow
Jan Trionow
© Drei

Interview

"Das Smartphone bleibt uns noch eine Weile erhalten"

Die Mobilfunker sehen sich zunehmend mit neun Konkurrenten konfrontiert. Google, Facebook und Co sind nicht nur bei Dienstleistungen stark, sondern betätigen sich auch vermehrt als Infrastrukturbetreiber und -erbauer. Der österreichische Mobilfunker Drei ist trotzdem optimistisch, wie CEO Jan Trionow im Gespräch mit der futurezone betont.

futurezone: Wo sehen Sie derzeit Innovationen im Mobilfunk?
Jan Trionow: Wir sind kontinuierlich dabei, neue Ideen zu entwickeln. Zuletzt haben wir mit 3TV das Fernsehen revolutioniert, indem wir TV als App anbieten. Auch im Bereich Internet der Dinge fördern wir Innovationen. Hier wird es in verschiedenen Bereichen, vom Tourismus bis zur Medizin, ganz neue Möglichkeiten geben. 5G stellt technologisch einen großen Sprung dar und ermöglicht uns, neue Bedürfnisse zu stillen. Es geht um große Geschwindigkeit, geringe Latenz und schmaleren Energieverbrauch.

Wann können Drei-Kunden sich ins 5G-Netz einwählen?
5G wird derzeit technisch vorbereitet, der Standard soll Mitte 2018 fertig sein. Die Markteinführung in Österreich wird ungefähr 2020 beginnen. Entscheidend wird die Frequenzvergabe, die für Mitte 2018 geplant ist. Hier brauchen wir als Mobilfunkbetreiber vernünftige Konditionen, um den Netzausbau in Angriff zu nehmen und den 5G-Standort Österreich aufzubauen.

Sie wollen also die Kosten für den Ausbau senken?
5G verlangt deutlich mehr Infrastruktur, wir gehen derzeit von einer Vervielfachung der Mobilfunkstationen im Vergleich zu heute aus, weil die Frequenzen höher und die Gerätedichte steigend ist. Da der Umsatzverlauf in den vergangenen Jahren eher flach war, ist es wichtig, dass darauf geachtet wird, den Mobilfunkern nicht zu viel wegzunehmen, damit Investitionen in den Netzausbau möglich bleiben. Wir müssen zudem die Kosten senken und neue Geschäftsmodelle erschließen.

Was kommt nach 5G?
Nach 5G wird die Entwicklung nicht stehen bleiben. Pro Generation rechnen wir mit zehn Jahren Betriebszeit. Ein Ende des steigenden Datenverbrauchs ist derzeit noch nicht in Sicht. Die Umstellung von HD auf 4K ist hier ein wichtiger Faktor, in Zukunft werden die Auflösungen noch weiter steigen. Zukunftstechnologien wie Virtuelle Realität und vielleicht sogar die Übertragung von Gerüchen werden diese Entwicklung weiter vorantreiben.

Ist das Netz also nie schnell genug?
Irgendwann wird eine Obergrenze erreicht, aber davon sind wir noch weit entfernt. Zudem gibt es noch andere Weiterentwicklungen, in den Bereichen Latenzzeit, Zunahme der Gerätedichte, Ausfallsicherheit und Energiebedarf. In Zukunft kann die Netzanbindung vielleicht auch über Leben und Tod entscheiden, das verlangt ein robustes Netz. Es gibt noch viele Herausforderungen.

Sollten Systeme, die über Leben und Tod entscheiden, wirklich ans Netz?
Leistungsfähige lokale und komplett autonome Systeme werden ihren Platz haben, aber es gibt Situationen, in denen es keine Alternative zur Netzanbindung gibt. Stellen sie sich einen Unfall in einer abgelegenen Region vor. Wenn es vor Ort keinen Arzt gibt, kann eine telemedizinische Versorgung hier Leben retten. Heute wäre das noch problematisch, aber in Zukunft können Netze auch solche Szenarien bewältigen.

Wie steht es um Neuerungen im Bereich Smartphones?
Das Smartphone bleibt uns noch eine Weile erhalten, aber revolutionäre Neuerungen zeichnen sich bereits ab. Die Fortschritte im Bereich künstliche Intelligenz, die auch in Smartphones Einzug hält, werden hier neue Möglichkeiten eröffnen. Ich bin der Meinung, dass die Ziegel in unseren Hosentaschen nicht der Weisheit letzter Schluss sind, wenn es um Bedienkonzepte geht. Hier gibt es mit Hologrammen und Projektionen vielleicht natürlichere Möglichkeiten zur Interaktion mit der digitalen Welt. Das braucht aber noch Zeit.

Durch das 4G-Netz stehen Sie auch in Konkurrenz mit kabelgebundenen Breitband. Wie hat sich die Situation hier entwickelt?
Gerade in Österreich ist es offensichtlich, dass der Mobilfunk eine große Rolle bei der Breitbandabdeckung spielt. Smartphone-Verträge sind für 46 Prozent der Breitbandzugänge im Land verantwortlich. Bei den restlichen 54 Prozent spielen die Mobilfunknetze ebenfalls eine wichtige Rolle. Nur 26% der Internetzugänge erfolgt noch über das Festnetz. 4G war hier der Türöffner.

Könnten die Mobilfunknetze die Konkurrenz sogar verdrängen?
Die Use-Cases sind heute zum Großteil drahtlos. Auch wenn sie einen Glasfaseranschluss in ihre Wohnung haben, sitzt darauf meist eine WLAN-Infrastruktur. Deshalb ist der Schritt zum Mobilfunk dann nicht mehr groß. Das ist eher eine Frage des Preises und der Verfügbarkeit. Dass kabelgebundene Technik verdrängt wird, wäre denkbar, aber Glasfasern spielen ja auch bei der Anbindung der Mobilfunkmasten eine wichtige Rolle. Ich denke, dass sowohl die Glasfaser- als auch die Mobilfunknetze weiter wachsen werden.

Werden mit dem Schritt zu 5G wieder neue Konkurrenten auftauchen, vielleicht sogar im Bereich Infrastruktur?
Die neuen Konkurrenten werden eher auf indirekten Zugang setzen und sich in bestehende Netze einmieten. Das sehen wir heute schon mit den virtuellen Betreibern. Mit dem Internet der Dinge wird sich dieser Trend verstärken. Dass neue Marktteilnehmer selbst Infrastruktur aufbauen, glaube ich nicht. Eher wird es zu einer verstärkten Kooperation der Betreiber beim Auf- und Ausbau der Netze kommen, auch mit Unterstützung durch die öffentliche Hand.

Firmen wie Google, Facebook und Amazon investieren aber ja durchaus auch in Infrastruktur.
Diese Dienste werden dort angeboten, wo der lokale Markt es nicht schafft, entsprechend leistungsfähige Netze hervorzubringen. In Österreich ist das nicht der Fall. Google investiert, wo es keine ausreichende Eigenleistung lokaler Anbieter gibt. Ein Gratis-Netz von Facebook kann ich nicht ausschließen, das ist aus Perspektive des technischen Fortschritts auch zu begrüßen. Aber da gibt es auf der Welt wahrscheinlich wichtigere Baustellen als Österreich.

Wie sieht es im Rennen um die Services aus? Hier haben sich die Großen bisher meist durchgesetzt.
Wir haben eine Chance gegen finanzstarke Konzerne. Das Spielfeld ist so groß, dass es genug Platz gibt. Nicht umsonst kaufen auch Google und Co immer wieder Start-ups, die innovativer sind. Drei hat zudem lokales Know-how und eine starke Marke in Österreich

Durch Netzwerkeffekte sind die großen Player aber klar im Vorteil. Sollten hier die Wettbewerbshüter eingreifen?
Die Netzwerkeffekte gibt es. Das müssen wir beobachten, damit faire Bedingungen für alle sichergestellt bleiben. Auch kartellrechtliche Kontrolle ist wichtig. Wenn hier einzelne Anbieter Marktanteile von über 90 Prozent erreichen, sollten die Behörden ein Auge darauf haben.

Wie beurteilen sie die Marktentwicklung seit Einstieg der virtuellen Betreiber und wie geht es hier weiter?
Die virtuellen Betreiber haben zu einer Dynamisierung der Preise geführt. Das war durchaus gewollt und kam deshalb nicht überraschend. Wichtig ist, dass die Betreiber noch genug Umsatz machen können, um die Modernisierung voranzutreiben. Derzeit können österreichische Kunden unter 38 Mobilfunkmarken wählen, ich erwarte in den kommenden zwei Jahren keine wesentliche Zahl neuer Mitbewerber mehr.

Sie fordern also neue Regeln?
Es muss eine gesunde Konstruktion erhalten werden. Dazu brauchen wir von der Politik regulatorische Bahnen und eine Stimulierung der Nachfrage, etwa durch Aufträge der öffentlichen Hand. Auch eine Anpassung der Netzneutralität wäre wünschenswert.

Wie könnte die im Detail aussehen?
Der Ansatz, dass jedes Bit gleich sein soll, hört sich gut an, hat aber weitreichende Konsequenzen. Deshalb wurden auch die Spezialdienste eingeführt, die hier etwas Schwung bringen sollen. Allerdings ist die Einrichtung solcher Dienste kompliziert, hier brauchen wir eine praktikablere Lösung. Die Freiheit des Internets muss aber natürlich erhalten werden.

Die Netzneutralität zu schwächen, kann ebenfalls weitreichende Konsequenzen haben. Das ist ein sehr schmaler Grat.
Jetzt ist die Regelung zu restriktiv. Wenn Amazon Musikstreaming mit Vorteilen bei der Bestellung bündelt und das Angebot somit verschenkt, ist das okay. Wir dürfen aber kein Datenguthaben für solche Dienste verschenken. Das schränkt uns in der Erschließung neuer Geschäftsmodelle mit unseren Partnern ein. In anderen Regionen der Welt gibt es kaum Regeln. In Europa herrscht eine Kultur der Überregulierung. Statt über Einschränkungen und Strafen sollte eher einmal über Rahmenbedingungen für Innovationen diskutiert werden.

Dieser Artikel ist im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und Drei entstanden.

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Markus Keßler

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