Unfreiwillige Hilfe: China spürt mit Starlink Stealth-Flugzeuge auf
Mit Worten wie „beispiellos“, „bahnbrechend“ und „noch nie zuvor gemacht“ beschreiben chinesischen Medien ein aktuelles Forschungsprojekt. Dabei werden Starlink-Satelliten genutzt, um ein alternatives Radarsystem zu kreieren – ohne, dass das US-Unternehmen SpaceX direkt daran beteiligt ist.
Mit dieser Methode sei es möglich, US-Kampfflugzeuge mit Stealth-Eigenschaften aufzuspüren. „Sie hat das Potenzial die Zukunft der Kriegsführung zu ändern“, frohlockt scmp.
Experiment mit Drohne geglückt
Im Gegensatz zu ähnlichen chinesischen Studien, die erforschen, wie sich US-Tarnkappentechnologie aushebeln lässt, hat bei dieser ein Experiment in der realen Welt stattgefunden. Dabei wurde an der Küste von Guangdong eine Drohne des Typs DJI Phantom 4 Pro über das Südchinesische Meer geflogen.
Sie tauchte am Bildschirm der Forscher auf – obwohl keine Radarstrahlung in Richtung der Drohne geschickt wurde. Sie nutzten lediglich eine Empfangsantenne in der Größe einer Bratpfanne. Möglich wurde das durch eine Methode, die bisher nur in der Theorie existierte.
So funktioniert ein Radar
Klassisch funktioniert ein Radar so: Es werden Radarstrahlen losgeschickt, die von Objekten abprallen. Das Radar fängt die zurückgeworfenen Strahlen auf. Je größer das Objekt ist, desto mehr Strahlen werden zurückgeworfen.
Flugzeuge mit Stealth-Technologie nutzen bestimmte Rumpfformen und Beschichtungen, um die auftreffenden Radarstrahlen zu zerstreuen. Dadurch prallen weniger davon zum Radar zurück. Man spricht dann von einem kleinen Radarquerschnitt. Umso kleiner der ist, umso schwerer kann ein Objekt vom Radar aufgespürt werden.
Stealth-Technologie macht also ein Flugzeug kleiner für das Radar, als es tatsächlich ist. Wegen des geringen Radarquerschnitts können übliche Bodenradaranlagen keine kleinen Drohnen erfassen, wie eben eine DJI Phantom 4 Pro.
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Der Starlink-Trick
Um die Drohne dennoch zu erfassen, haben die Forscher keine Radarstrahlen genutzt, sondern die Funksignale eines Starlink-Satelliten. Fliegt ein Objekt durch die Funksignale, die so ein Satellit ständig ausstrahlt, wird ein Teil der Funkwellen gestreut und das Funksignal dadurch gestört.
Die Forscher haben mit ihrer Antenne diese kleinen Signal-Turbulenzen empfangen und konnten so die Position der Drohne bestimmen. Damit das funktioniert, haben sie einen eigenen Algorithmus entwickelt. Das System soll präzise genug sein, um selbst kleine Details der Drohne erfassen zu können, wie etwa die Bewegung der Propeller.
Aufrüsten von bestehenden Radaranlagen
Mit der Methode soll auch möglich sein, amerikanische Stealth-Fighter, wie die F-22 und F-35, aufzuspüren.
Diese sollen einen Radarquerschnitt von lediglich 0,0005 bis 0,005 m² haben – wodurch sie für ein Radar nur so groß wie eine Murmel bzw. einen Golfball erscheinen. Da ist die DJI-Phantom-Drohne doch deutlich größer.
Allerdings haben die Forscher nur eine sehr kleine Empfangsantenne für ihr Experiment genutzt. Würde ihr Algorithmus in bestehende militärische Radaranlagen übernommen werden, könnten diese dann vermutlich mit der Methode auch Stealth-Bomber und -Fighter entdecken.
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Ein weiterer Vorteil des Systems bei militärischen Anwendungen ist, dass eben keine Radarstrahlen ausgeschickt werden, es also passiv arbeitet. Moderne Kampfjets haben Warnsysteme, die erkennen, wenn sie vom Radar der Luftabwehr erfasst werden. Ohne aktive Radarstrahlen springt das Warnsystem nicht an und die Piloten haben weniger Zeit zu reagieren, wenn die Luftabwehr aktiv wird.
Zudem ist so ein System nicht anfällig für Antiradar-Raketen. Dabei handelt es sich um Luft-Boden-Raketen, die automatisch die Quelle der ausgehenden Radarstrahlen anvisieren. Damit können Kampfjets die Radaranlagen der Luftabwehr ausschalten, die dann quasi blind ist.
Russland hatte die Idee schon 2015
Die grundsätzliche Idee für dieses System hatten schon russische Wissenschafter im Jahr 2015. Allerdings gab es damals deutlich weniger Satelliten im Weltall, weshalb die Idee bislang eine Theorie blieb. SpaceX hatte seine erste Vorserie von 60 Starlink-Satelliten im Jahr 2019 ins All gebracht.
Mittlerweile sind über 6.000 Starlink-Satelliten im All und es werden immer mehr. Da sie die gesamte Erde abdecken, eignen sie sich hervorragend für das System.
Dass SpaceX unfreiwillig zum Aufspüren von US-Stealth-Fightern beiträgt, könnte nur schwer zu unterbinden sein. Offiziell gibt es den Internet-Satelliten-Service in China nicht: Das Signal ist verschlüsselt, damit es dort nicht genutzt werden kann. Ausgestrahlt wird es aber dennoch.
Würde SpaceX den Sendebetrieb von Starlink immer einstellen, wenn die Satelliten über China und das Chinesische Meer fliegen, würde das auch den Betrieb in anderen Ländern der Region stören, wie etwa in Japan und den Philippinen. Ein Ändern der Umlaufbahnen, damit die Satelliten gar nicht mehr über die chinesische Küste fliegen, wäre noch umständlicher und würde noch mehr Störungen im Betrieb verursachen.
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Krieg mit den USA im Pazifik
Derzeit scheint das chinesische Militär allerdings nicht an diesem System interessiert zu sein – sonst hätten sie die Arbeit der Forscher geheimgehalten. Das kann sich aber noch ändern. China rüstet seine Streitkräfte massiv auf, sowohl was die Menge als auch Technologie angeht. Die Regierung bereitet sich auf einen militärischen Konflikt mit den USA im Pazifik vor, sollten diese versuchen Taiwan bei einer chinesischen Invasion beizustehen.
Aufgrund der Lage wird dieser Konflikt vermutlich großteils mit Schiffen und Flugzeugen ausgetragen werden. Die USA scheinen hier mit ihren Stealth-Bombern und Stealth-Fightern stückzahlmäßig noch einen Vorteil zu haben. Sollte China nicht schnell genug eigene Stealth-Bomber und -Fighter produzieren, müsste es sich auf die Luftabwehrsysteme verlassen, um den Luftraum zu sichern. Und dabei sind dann Mittel, mit denen sich Tarnkappenflugzeuge verlässlich aufspüren lassen, sehr wertvoll.
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