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Lokalaugenschein

Ein Chromebook macht noch keinen Google Store

Womit Apple seit mehr als zehn Jahren erfolgreich ist, könnte zukünftig auch bei Google Schule machen. Anstelle von iPhones, iPads und Macbooks könnten in Google Stores Android-Smartphones und –Tablets auf dem Silbertablett präsentiert sowie Hands-on mit den neuesten Chrome-Notebooks angeboten werden. Der Start in zwei Elektronik-Megastores in England ist laut Google vielversprechend verlaufen.

„In der ersten Woche waren wir komplett ausverkauft “, meint ein Google-Mitarbeiter, der den Verkaufsstand in der Londoner Filiale der Elektronikkette PC World in der Tottenham Court Road betreut. Wie viele Samsung Chromebooks vor Ort verkauft wurden, wollte der Mitarbeiter auf Nachfrage der futurezone nicht verraten. Die Nachfrage sei aber enorm gewesen und auch jetzt sei das Interesse am Ausprobieren des Chromebooks weiterhin hoch, so der Google-Beschäftigte.

In der etwa  30 Quadratmeter großen Zone gibt es neben allgemeinem Zubehör in erster Linie das Samsung Chromebook zu sehen, das in England wie auch hierzulande das derzeit einzige verfügbare Chrome-Modell ist. Abgesehen von einem großen, weiß eingefassten Screen, der über das Chromebook informiert, ist die Präsentationsfläche schlicht gehalten. Die hockerartigen Sessel und die Tischoberflächen spiegeln die Farben des Chrome-Logos wieder, die ausgestellten Chromebooks können selbstständig oder mit Hilfe von Google-Mitarbeitern ausprobiert werden.

Google-Strategie ungewiss
Ob Google wirklich den Apple-Weg einschlägt und bald eigene Flagship-Stores eröffnet, steht derzeit noch in den Sternen. „Einen eigenen Store mit nur einem Produkt zu haben, ist derzeit wenig sinnvoll“, meint der Londoner Google-Mitarbeiter mit Verweis auf das einzige verfügbare Chromebook-Modell von Samsung. Sollten sich die beiden Experimente in Großbritannien als erfolgreich erweisen, könne man sich bei Google diesen Weg aber auf jeden Fall vorstellen.

„Häufig sind Flagship-Stores aufgrund der benötigten Verkaufsfläche und des hohen Personalaufwands nicht profitabel. Derartige Stores können aber dennoch ein erfolgreicher Teil einer ganzheitlichen Vertriebs- und Vermarktungsstrategie sein und Konsumenten – wie im Fall von Google – näher an die Funktionalitäten und User Experience von Android oder Chrome OS heranführen“, meint auch Denis Burger, Partner bei der Unternehmensberatung Oliver Wyman, im Gespräch mit der futurezone.

Apple Stores punkten mit Kundenbindung
Apple punkte im Vergleich zu Google immer noch stark über die Themen Anwenderfreundlichkeit und Kundenbindung. Mit eigenen Stores, in denen man Android- und Chrome-Geräte ausprobieren könne und von geschultem Personal vorgestellt bekomme, könne Google diesbezüglich nachziehen, zeigt sich Burger überzeugt. Für die verschiedenen Hersteller wie Samsung oder HTC sollte sich die stärkere Kundenbindung an Android ebenfalls nur als Vorteil erweisen, meint Burger.

Ob sich der Apple-Erfolg auf Google übertragen lässt, ist ungewiss. Selbst Apple trauten zum Start der eigenen Stores vor zehn Jahren nur die wenigsten zu, dass das Konzept erfolgreich sein würde. Mittlerweile haben sich die Stores aber trotz hoher Ausgaben für Locations und Personal zu einem öffentlichkeitswirksamen Vertriebsstandbein für Apple entwickelt. Laut den aktuellen Quartalszahlen erzielen die 357 Apple Stores durchschnittlich einen Umsatz von drei bis vier Millionen Dollar pro Verkaufsstandort und Monat, Tendenz steigend. Allein im dritten Quartal 2011 verzeichnete Apple 77,5 Millionen Besucher.

Retail-Markt schwierig

Dabei gilt das Retail-Geschäft schon seit längerem als schwieriger Markt. Gerade in der Elektronikbranche machen Online-Angebote und immer geringere Margenanteile dem Geschäft zu schaffen. „Die Hersteller mobiler Endgeräte, aber auch Service-Provider haben ihre Retail-Aktivitäten zuletzt dennoch deutlich ausgebaut“, analysiert Burger. „Zum einen kann man so eine bessere Kontrolle des Retail-Kanals erreichen und so die Abhängigkeit von Vertriebspartnern reduzieren. Zum anderen haben die Hersteller, erkannt, dass man den Retail-Kanal bewusst für die bessere Positionierung und Kommunikation der eigenen Marke nutzen kann.“

Bis dahin ist es für Google jedenfalls noch ein langer Weg. Dass die Chrome-Verkaufsecke höchstens als erstes Experiment gewertet werden muss, zeigt allein die Tatsache, dass selbst die Apple-Verkaufsecke im PC World Store in London größer ausgefallen ist als das Google-Pendant. Dass das Samsung Chromebook um 349 bzw. 399 Pfund (3G-Variante) direkt vom Stand weg mit nach Hause genommen werden kann und nicht erst online bestellt werden muss, ist aber definitiv verlockend. Der einzige Besucher, der während des Lokalaugenscheins am Mittwoch-Morgen den Weg zur Google-Ecke fand, verließ diese auch prompt mit einem Gerät.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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