"Firmen gehen kaputt, weil sie in der Vergangenheit leben"
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"Firmen gehen nicht kaputt, weil sie das eine oder andere nicht erfolgreiche Experiment gewagt haben, sondern weil sie in der Vergangenheit leben. Weil sie zu lange das tun, was bisher gut funktioniert hat." Mit dieser Einschätzung eröffnete Petra Hauser, CEO des Exponential Business Hub, die erstmals veranstaltete "Innovation Lounge". Die Eventreihe ist als Netzwerk für Führungskräfte und Unternehmen gedacht, um sich über innovative Geschäftsprozesse nach Vorbild des Silicon Valleys auszutauschen.
Lebensdauer von Firmen sinkt
Dies sei angesichts der exponentiell fortschreitenden Technologieentwicklung sowie der daraus resultierenden Disruption von Geschäftsmodellen überlebensnotwendig, sagte Hauser. Sie unterstrich ihre Ansage mit einigen Beispielen und Zahlen. So rechnet das MIT damit, dass bis 2025 etwa 40 Prozent der heutigen Fortune 500 Unternehmen verschwunden sein werden. Auch die durchschnittliche Lebensdauer von Unternehmen nehme extrem ab. Lag diese 1920 noch bei 67 Jahren, sei man mittlerweile nur mehr bei 15 Jahren.
30 Millionen Euro für Druckerei
Dass große Medienhäuser wie etwa die Styria zuletzt Millionen Euro in Druckereibetriebe investieren, anstatt neue Geschäftsprozesse aufzusetzen, falle in dieselbe Denkart: "Was wir kennen, lässt uns sicher fühlen. Dabei müssen wir uns aber bewusst sein, dass Zukunft keine lineare Fortsetzung der Vergangenheit ist, sondern sich in einer exponentiellen Kurve äußert", sagt Hauser. Betroffen seien leider nicht nur Konzerne, sondern auch Zehntausende kleinere und mittlere Betriebe, was gerade für Wirtschaftsstandorte wie Österreich problematisch werden könne.
Zukunftsforscher gehen davon aus, dass 2025 etwa 80 Prozent aller Operationen von oder mithilfe von Robotern durchgeführt werden. Bis zu diesem Zeitpunkt werden weitere fünf Milliarden Menschen Internetzugang bekommen. Schon 2020 können 50 Prozent des Energiebedarfs mit Solarkraft abgedeckt werden. Das Ende des Öls wird folglich nicht durch das prognostizierte Ressourcen-Ende, sondern durch die technologische Revolution eingeläutet.
Start-up im Konzern
Darüber, wie Unternehmen kreatives Denken ermöglichen und innovative Geschäftsprozesse aufsetzen können, herrschte in der nachfolgenden Podiumsdiskussion Einigkeit. "Es genügt nicht, einfach ein paar Start-ups zu kaufen. Es geht auch um die Unternehmenskultur", erklärt Marco Harfmann von A1.
"Start-up-Kultur kann auch intern passieren. Man kann Mitarbeitern bzw. entsprechenden Teams den notwendigen Freiraum und die Zeit geben und sie zu 'Intrapreneurs' werden lassen. Sie können ein Projekt entwickeln, haben aber die Absicherung, im Konzern zu bleiben und sich dort zu profilieren. Hebt das Projekt ab, profitieren sie von der direkten Beteiligung", so Harfmann.
Vom Rand in die Mitte
Wenn man innovative Prozesse in Firmen etablieren wolle, sei es der falsche Ansatz mit der Organisation im Zentrum zu beginnen, sagt Stephan Jung vom Wiener Start-up Hub weXelerate: "Damit es funktioniert, muss es kleinere Gruppen geben, die am Rand des Unternehmens außerhalb der vorgefertigten Bahnen und Strukturen etwas ausprobieren können. Das setzt voraus, dass die Vorstandsebene auch Mut dazu hat, Budgets für Innovationen zur Verfügung zu stellen, bei denen man nicht weiß, was dabei herauskommt."
Das sieht auch Axel Bachmeier von sIT bei der Erste Group so. "Die führenden Banken haben mittlerweile erkannt, dass sie nicht nur einfach große Tanker sein können, sie müssen auch kleinere Boote losschicken, um weiterzufahren. Im Kern bleibt ein Corporate natürlich immer ein Tanker und wird sich nie wie ein Start-up bewegen können. Umso wichtiger sind diese kleineren Projekte und Teams", erklärt Bachmeier.
ÖBB mit Imagepolitur
Unterschiedliche Erfahrungen mit Start-up-Experimenten hat man auch bereits beim Traditionsunternehmen ÖBB gesammelt. Das Fernbus-Projekt Hellö wurde nach kurzer Zeit wieder verkauft. Gleichzeitig will man sich aber auch in Zukunft für innovative Projekte und Ideen öffnen - nicht zuletzt um kreative junge Mitarbeiter anzusprechen. "In den nächsten Jahren werden wir aufgrund von Pensionierungen und anderen Abgängen zehntausend neue Mitarbeiter einstellen. Um motivierte Millenials anzusprechen, müssen wir entsprechende Freiräume schaffen", sagt Maria Seifert-Gasteiger, die bei den ÖBB für die Innovationsstrategie verwantwortlich ist.
Für ein Infrastruktur-Unternehmen wie die ÖBB, die normalerweise bei Großprojekten im Bereich von Bahnhöfen, Tunnel- oder Schienenbau Jahre und Jahrzehnte im Voraus plane, sei es besonders schwierig, ein agiles Umfeld zu schaffen, das junge, digital geprägte Mitarbeiter anlocke. "Wir haben bereits einige Innovationsgruppen geschaffen, die mit agilen Elementen arbeiten. Wir müssen aber noch viel mehr tun", ist sich Seifert-Gasteiger sicher.
Von Start-ups lernen
Markus Kainz, Gründer der Crowdinvesting-Plattform primeCrowd, rät Konzernen, bei Start-ups genau hinzusehen. Denn viele Faktoren, die bei einem Start-up dazu führen, dass es scheitert oder abhebt, seien auch auf einen Konzern umlegbar: "Wenn das Team nicht passt, Mitarbeiter nicht zufrieden sind und dann auch nicht ihre Leistung bringen, kann das existenzbedrohend werden. Der große Unterschied ist: im Start-up läuft alles viel schneller ab, auch das Scheitern."
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