Handel

Gebrauchtsoftware: "Dann wird der Markt explodieren"

Seit der Europäische Gerichtshof im Juli 2012 den Weiterverkauf von Softwarelizenzen prinzipiell für rechtmäßig erklärte, erlebt der Gebrauchtsoftware-Markt einen Boom. "Sie können davon ausgehen, dass sich der Markt zur Zeit jedes Jahr verdoppelt", sagt Boris Vöge, Mitgründer des im vergangenen Jahr gestarteten deutschen Gebrauchtsoftwaremarktplatzes li-x.

Auch in Österreich wächst das Interesse an gebrauchter Software. Die Zahl der Anfragen von heimischen Firmen habe sich im vergangenen Jahr um 25 Prozent erhöht, sagt Stefan Tauchhammer, Betreiber des nach eigenen Angaben ersten österreichischen Gebrauchtsoftwarehändlers SoftwareReUse.

Gefragt seien vor allem gebrauchte Microsoft-Office-Lizenzen, das Betriebssystem Windows 7 und gebrauchte Adobe-Lizenzen. Bei Neuveröffentlichungen werde erfahrungsgemäß von vielen Unternehmen die Vorgängerversion nachgefragt, sagt Tauchhammer, der gebrauchte Softwarelizenzen von Firmen aufkauft und sie vor allem an kleine und mittlere Unternehmen weiterverkauft. "Für viele reicht der Umfang früherer Versionen völlig aus", sagt Tauchhammer.

Warten auf Office 2016

Einen zusätzlichen Schub erwartet sich der Gebrauchtsoftwarehändler durch die für heuer angekündigten Veröffentlichungen neuer Microsoft-Software. Windows 10 soll im Sommer erscheinen, für Herbst wird ein neues Office-Paket erwartet.

Noch steht zwar nicht fest, wie viel die Software kosten und in welcher Form Microsoft sie anbieten wird. Der Trend in der Branche geht jedoch zu Miet-Software und Abomodellen, was wiederum die Gebrauchtsoftwarehändler freut. "Viele Firmen wollen keine Mietmodelle", sagt Tauchhammer. "Sie greifen lieber zu älteren Versionen, die ihnen auch gehören. Wenn das nächste Office nur als Abomodell verfügbar sein wird, dann wird unser Markt explodieren."

Warnung vor Preiskampf

Für Tauchhammer herrscht am Gebrauchtsoftwaremarkt aber nicht nur eitel Wonne. Er warnt vor einem Preiskampf, bei dem kleinere Händler unter die Räder kommen könnten. So seien etwa gebrauchte Businesslizenzen für Office 2010 bereits um rund 170 Euro oder günstiger erhältlich, sagt Tauchhammer. Das aktuelle Office 2013 bekomme man bereits für 100 Euro unter dem Neupreis von 350 Euro für eine Businesslizenz. Das sei durch "normale Marktprozesse" nicht mehr erklärbar, meint Tauchhammer. Kleinere Mitbwerber könnten ein solches Preisniveau nicht schaffen. Für den Markt und den Wettbewerb könnte sich das negativ auswirken.

Daneben gebe es auch Trittbrettfahrer: Man könne sich bei vielen Anbietern nicht sicher sein, ob Lizenzen nicht mehrfach verkauft würden oder ob es sich nicht um "Raubkopien" handle. Bis 35 bis 40 Prozent unter dem Neupreis sei für Gebrauchtsoftware normal, meint Tauchhammer: "Wenn es darüber hinausgeht, sollte man vorsichtig sein."

"Mehr Software verfügbar"

Eine Preisschlacht könne er nicht ausmachen, meint hingegen Li-x-Gründer Vöge. Wenn sich die Preise nach unten bewegen, liege es daran, dass mehr Software verfügbar werde. Stark sinkende Preise sehe er nur bei Herstellern, die den Anforderungen der EuGH-Rechtssprechung nicht gerecht würden. "Wichtig ist, dass bei der Software klar offengelegt wird, wo sie genau herkommt", sagt Vöge: Dazu gehöre der Nachweis der gesamten Rechtekette und eine klare Löschungsbestätigung des Vorbesitzers. "Wenn ich diese Information nicht liefere, kann die Produktqualität nicht gewärleistet werden." Dann bleibe Anbietern nichts anderes übrig, als über den Preis zu agieren, sagt Vöge: "Das findet in Teilen statt."

100-Millionen-Euro-Markt

Das aktuelle Marktvolumen im deutschsprachigen Raum beziffert Vöge mit rund 100 Millionen Euro. Im Verhältnis zum Potenzial des Marktes sei dies gering, weshalb er auch nicht daran glaube, dass es zu einem Marktaustritt seriöser Anbieter kommen werde: "Unternehmen, die auf einen transparenten Umgang mit Software setzen, wachsen stetig."

Belastbare Marktzahlen für den Gebrauchtsoftwarehandel in Österreich gibt es nicht. Das Marktpotenzial sei aber riesig, meint auch Andreas Bauer, Obmann-Stellvertreter der Fachgruppe Maschinenhandel in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), die auch für den PC- und Softwarehandel zuständig ist. "Es gibt viele Unternehmen, die Lizenzen ausscheiden wollen und nicht wissen, dass es bares Geld ist." Bauer sieht auch ein generelles Problem: "Seriöse Anbieter sind zu wenig präsent und zu wenig bekannt. Sie werden kaum wahrgenommen."

"Prinzipiell ist der Handel und die Verwendung von gebrauchter Software in Österreich legitim und rechtssicher", sagt der IT-Anwalt Axel Anderl von der Wiener Kanzlei Dorda Brugger Jordis. Im Juli 2012 urteilte der EuGH, dass der Weiterverkauf gebrauchter Softwarelizenzen auch dann rechtmäßig ist, wenn sie aus dem Netz heruntergeladen wurde.

Der deutsche Bundesgerichtshof (BHG), der den EuGH in der Frage der Weitergabe von gebrauchten Programmen um Klarstellung bat,stellte 2013 auch fest, dass auch Lizenzpakete - sogenannte Volumslizenzen - aufgespalten und einzeln weiterverkauft werden dürfen. Das heißt, wenn ein Unternehmen etwa 50 Microsoft-Office-Pakete im Bündel gekauft hat, dann darf es sie einzeln weiterverkaufen. Voraussetzung dafür ist, dass glaubhaft gemacht wird, dass die Software im eigenen Unternehmen gelöscht und nicht mehr verwendet wird. Nicht erlaubt ist es hingegen, ein Gesamtpaket - etwa Microsoft Office - aufzuspalten und beispielsweise Word und Excel einzeln weiter zu veräußern.

Probleme in der Praxis

Zwar sei die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs eindeutig, in der Praxis komme es aber immer wieder zu Problemen. "Es gibt weiter Versuche der Industrie, die Verbreitung gebrauchter Softwarelizenzen zu torpedieren", sagt Anderl. So hätten etwa US-Software-Hersteller schon in Frage gestellt, ob europäisches Recht für amerikanische Unternehmen gelte. "Davon soll man sich nicht ins Bockshorn jagen lassen", meint der Anwalt. Hersteller würden auch häufig in Frage stellen, dass beim ursprünglichen Lizenzinhaber die Software tatsächlich gelöscht wurde. Auch würde behauptet, dass gebrauchte Lizenzen gestohlen oder mehrfach in Verwendung seien. "Ob das stimmt, ist nicht immer leicht nachvollziehbar. Vor allem ist das vorab kaum überprüfbar", sagt Anderl.

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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