Montage von Hochdruckreinigern in der Kärcher-Fabrik in Winninden.
Montage von Hochdruckreinigern in der Kärcher-Fabrik in Winninden.
© EPA/Harry Melchert

Interview

Internet der Dinge: Wie sich Kärcher neu erfunden hat

Der Name Kärcher ist in der Reinigungsbranche ein Begriff. Das 1935 gegründete Familienunternehmen aus der deutschen Kleinstadt Winnenden ist mit dem Verkauf von Hochdruckreinigern zum Weltmarktführer aufgestiegen. Seit etwas mehr als einem Jahr gilt die 11.000 Mitarbeiter zählende Firma auch als Vorzeigebetrieb für Anwendungen im Internet der Dinge. Die Anfang 2014 eingeführte Flottenmanagement-Lösung Kärcher Fleet hilft Reinigungsfirmen dabei, ihre Geräte zu lokalisieren, meldet Schäden an die Kärcher-Zentrale, sorgt für rasche Reparaturen und schlägt Alarm, wenn Geräte gestohlen werden oder den ihnen zugewiesenen Bereich verlassen.

Bei dem Unternehmen denkt man aber schon weiter. Gut möglich, dass künftig nicht mehr Maschinen, sondern gereinigte Quadratmeter verkauft werden, sagt Friedrich Völker, der bei Kärcher für die digitalen Produkte zuständig ist zur futurezone. Völker ist am 14. Juni beim M2M/IoT-Forum 2016 in Wien zu Gast. Die futurezone hat im Vorfeld der Veranstaltung mit ihm über die Transformation des Maschinenbauers zum digitalen Unternehmen gesprochen.

Kärcher ist ein traditionsreicher Familienbetrieb, der nun auch im Internet der Dinge reüssiert. Was war der Auslöser für die Transformation?
Friedrich Völker: Der kam direkt aus der Geschäftsführung. Sie hat Ende 2013 erkannt, dass der Trend zur Digitalisierung auch an der Reinigungsindustrie nicht vorbeigeht. Man hat die Chance gesehen, der Erste zu sein und von Anfang an entsprechende Ressourcen dahinter gesetzt.

Wie ist dieser Prozess konkret vor sich gegangen. Welche Abteilungen waren daran beteiligt?
Es war ein Zusammenspiel verschiedener Bereiche im Unternehmen, aber auch externer Partner. Man hat eine Art "internes Start-up" ins Leben gerufen, das von der restlichen Organisationsstruktur losgelöst war und sich des Themas angenommen hat. Gleichzeit wurde am Markt Know-how zugekauft. Wir hatten ja intern niemanden, der so etwas schon einmal gemacht hat.

Was waren die größten Herausforderungen?
Das Internet of Things wird, auch in den Medien, sehr stark als eine rein technologische Herausforderung wahrgenommen. Ich stimme dem so nicht zu. Die Technik, die verwendet wird, ist alt, sie ist jetzt preiswert geworden, deshalb beschäftigt man sich mit dem Thema. Die wirkliche Herausforderung für Unternehmen liegt aber in der Organisation und in der Unternehmenskultur. Wir verkaufen seit 80 Jahren Maschinen, jetzt verkaufen wir zum ersten Mal Software. Da muss man die gesamte Vertriebsstruktur, das Marketing und die Buchhaltung, die jetzt auf einmal Lizenzen berechnen müssen, abholen. Das technologische Wissen ist zwar auch komplex, das kann ich mir aber zu weiten Teilen schon am Markt zukaufen.

Wie wurde Kärcher Fleet von Ihren Kunden angenommen?
Kärcher Fleet hat den großen Vorteil, dass es das Kerngeschäft unserer Kunden, die Gebäudereinigung, transparent macht. Der Reinigungsprozess, der oft weitab des Unternehmenssitzes an den verschiedensten Orten abläuft, war für unsere Kunden vorher eine Blackbox. Jetzt können sie informierte Entscheidungen treffen. Denn sie wissen, wo sich ihre Maschinen befinden, ob sie betriebsbereit sind und ob sie wie geplant eingesetzt werden.

Wie viele Maschinen haben Sie bereits vernetzt?
Ende des Jahres werden wir 4000 vernetzte Maschinen haben. Seit dem Frühjahr verkaufen wir in sechs Ländern, darunter die USA und Deutschland, unsere wichtigsten Scheuersaugmaschinen nur noch mit dem System.

Gibt es Datenschutzbedenken?
Ängste, die mit der Technologie verbunden sind, spielen natürlich eine Rolle. Da muss man Aufklärungsarbeit leisten, die Reinigungsindustrie ist nicht die technologieaffinste Branche. Unsere Kunden wollten etwa wissen, ob Mitbewerber ihre Daten hacken könnten. Es kommen auch häufig Fragen zum Datenschutz. Wie geht man mit personenbezogenen Daten um? Was muss ich als Nutzer des Systems beachten, um alle Normen einzuhalten?

Nutzt Kärcher die Betriebsdaten der Geräte auch selbst?
Ja, teilweise. Wir haben einen Blick auf den Gesundheitszustand der Maschinen unserer Kunden und wir analysieren die Daten, um das Nutzungsverhalten unserer Kunden besser verstehen zu können. So sehen wir zum Beispiel wie intensiv die Maschinen verwendet und welche Programme besonders häufig genutzt werden. Am Ende des Tages können wir unseren Kunden dadurch einen besseren Service bieten und die gewonnen Erkenntnisse bei der Entwicklung neuer Maschinen miteinfließen lassen.

Welche weiteren Dienste im Bereich M2M und Internet of Things sind geplant?
Wir wollen unser Portfolio an digitalen Produkten weiter ausbauen. Vor kurzem haben wir eine neue Initiative vorgestellt: Connected Cleaning, die vernetzte Reinigung. Unter diesem Label werden wir in Zukunft weitere digitale Produkte auf den Markt bringen.

Gibt es auch Pläne im Privatkundenbereich?
Es gibt erste Initiativen. Das Stichwort ist Smart Home. Uns interessiert insbesondere der Bereich Outdoor, d.h. Geräte, die im Freien zum Einsatz kommen – etwa Bewässerungsautomaten.

Wie sehr werden Technologien aus dem IoT- und M2M-Bereich Kärcher auf lange Sicht verändern?
Der Wettbewerb in der Reinigungsbranche wird in Zukunft nicht mehr auf der Maschinenseite gewonnen, sondern bei den digitalen Services. Das wirkt sich auch auf das grundlegende Geschäftsmodell von Kärcher aus. Es ist gut möglich, dass wir in Zukunft keine Maschinen mehr verkaufen, sondern gereinigte Quadratmeter.

Wie könnte ein solches Modell aussehen?
Der Kunde bekommt von uns kostenfrei eine Maschine zur Verfügung gestellt. Wir sehen, wie viele Quadratmeter er gereinigt hat und können entsprechend abrechnen. Das ist für Kunden hochinteressant. Sie müssen die Maschinen nicht vorfinanzieren und haben weniger Risiko.

Wie weit sind solche Überlegungen fortgeschritten?
Das ist schon greifbar. Wir haben schon kleinere Projekte laufen, die wir mit Kunden testen. Unsere Überlegungen gehen aber weiter.

Zum Beispiel?
Um die Reinigungsbranche zu verstehen, muss man wissen, dass Gebäudereinigungsunternehmen von ihren Kunden nicht für ein sauberes Gebäude bezahlt werden. Das steht in keinem Vertrag. Dort steht beispielsweise nur, dass jeden Tag drei Stunden gesaugt und einmal in der Woche nassgewischt wird. Es wird das Reinigen als solches bezahlt, nicht aber das Ergebnis. Da möchten wir ansetzen. Wir möchten unsere Kunden darin unterstützen, dass sie ein sauberes Haus anbieten können. Das geht aber nur, wenn man den Kunden Daten zur Verfügung stellt, die ihnen sagen, wann ein Raum schmutzig ist und wann nicht. Ein erster Anhaltspunkt hierfür sind Nutzungsprofile von Gebäuden. Ein Aufzug misst etwa das Gewicht der Personen, die mit ihm fahren. Da kann man näherungsweise schon heute sagen, auf welchem Stockwerk jeden Tag viele Leute aussteigen. Wenn ich eine Wetter-App miteinbeziehe, sehe ich, wann mit Niederschlag zu rechnen ist und der Eingangsbereich stärker verschmutzt sein könnte. Der Trend geht dazu, Daten aus verschiedenen Quellen zu vernetzen.

Viele Unternehmen zögern, neue technologische Möglichkeiten zu nutzen. Was können Sie von Kärcher lernen?
Man sollte ganz rational an die Sache herangehen und sich fragen, welche Potenziale es gibt. Wenn man zu dem Schluss kommt, dass sie hoch genug sind, sollte man sich Gedanken machen, zu investieren. Kurz gesagt: Cool bleiben und das Thema sachlich analysieren; dann aber mit aller Konsequenz handeln.

Am 13. und 14. Juni findet im Wiener Rathaus das M2M/IOT Forum CEE statt, bei dem führende Anbieter und Innovatoren der Maschine-zu-Maschine-Kommunikation und dem Internet der Dinge ihre Produkte und Services präsentieren und aktuelle Entwicklungen diskutieren werden. Erwartet werden 400 Teilnehmer und 50 Vortragende aus Europa und darüber hinaus.

Industriegrößen und Start-ups

Zu Gast sind unter anderem Alexander Lautz, der bei der Deutschen Telekom für M2M zuständig ist, Holger Stefan Kraetschmar von Adidas, der den smarten Ball des Sportartikelherstellers präsentieren wird, und Mario Aichelseder von Runtastic, der über das Ökosystem des Linzer Start-ups sprechen wird. Schwerpunkte der Konferenz bilden die Themen Smart City, Mobilität, Industrie 4.0, Wearables und smarte Gesundheitslösungen. Parallel zu den Vorträgen findet der Ideaton Hackathon statt, bei dem Teilnehmer in knapp 20 Stunden Produkte, Dienste un Geschäftsmodelle entwickeln werden.

Rabatt für futuerzone-Leser

Futurezone-Leser erhalten vergünstigte Tickets für das M2M/IOT Forum CEE. Statt dem regulären Preis von 680 Euro für die zweitägige Konferenz, können sie Tickets für 380 Euro buchen. Bei der Registrierung muss dazu der Code "futurezone-380" eingegeben werden.

Das detaillierte Programm der Konferenz kann auf der Website der Veranstaltung heruntergeladen werden.

Disclaimer: Dieser Artikel ist im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und dem M2M/IOT Forum CEE enstanden.

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

mehr lesen
Patrick Dax

Kommentare