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B2B

Internet der Dinge: Wie Standards zu mehr Innovation führen

Das Internet of Things (IoT) ist mehr als ein Trend: Es ist eine Entwicklung, die im Industriebereich genauso eine Rolle spielt wie bei vernetzten Autos. 28 Milliarden Geräte sollen laut einem Bericht des Netzwerkausrüsters Cisco im Jahr 2022 weltweit vernetzt sein. Mehr als die Hälfte der Kommunikation wird dabei zwischen Geräten (Machine to Machine) stattfinden. Doch wie schafft es Österreich, hier mit Innovationen hervorzustechen? Und was braucht es, damit die Innovation gepusht und nicht gehemmt wird?

Zu den wichtigen Bereichen der Koordination und Kommunikation von Komponenten existieren bereits internationale Regelwerke und  Standards zu Referenzarchitektur. Ein Vokabular befindet sich in Entwicklung. Diese Themen werden beim 3. IoT-Kongress von Austrian Standards am 23. Oktober 2019 besprochen.

Die futurezone hat mit Mario Drobics vom Austrian Institute of Technology (AIT), Florian Danmayr von der Plattform für Innovation GmbH (PFI) aus Amstetten sowie Jörg Nachbaur, den für das Komitee 001 IT zuständigen Komiteemanager von Austrian Standards drei Experten zu einem Roundtable geladen, um die Herausforderungen der Zukunft im Vorfeld des Kongresses zu erörtern.

Futurezone: Wo sehen Sie die größten IoT-Innovationen derzeit?
Florian Danmayr: Beim Thema IoT muss man wie bei vielen technologiegetriebenen Innovationen zwischen Hypes und Trends zu unterscheiden. Das kann vor allem die österreichische Wirtschaft sehr gut. In den stärksten Branchen, das sind Maschinenbau und die Automobilbranche, sind wir Innovationsführer. Das Geheimnis: Man darf nie den Kundennutzen aus dem Fokus verlieren. Das ist die härteste Arbeit, die darin steckt. Man muss sich als Unternehmen die Frage stellen: Wie kann ich durch IoT-Lösungen einen Mehrwert für Kunden schaffen, für den er bereit ist, zu zahlen? Da gibt es einige spannende Beispiele. Am Ende des Tages bleibt oft sehr wenig übrig, wenn man den Weg konsequent geht. Das ist das, was den Unterschied ausmacht. Man darf sich von Hype-Themen nicht blenden lassen.

Was wäre aus Ihrer Sicht nur ein Hype?
Danmayr: Da möchte ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber wenn ich mir ansehe, wie viele Veranstaltungseinladungen zum Thema Blockchain vor einem Jahr eingetroffen sind und wie ausgedünnt das derzeit ist, kann man da durchaus von einem Hype sprechen. Andererseits professionalisiert sich das derzeit und wird in Anwendungspotenziale übergeleitet. Damit hat es nicht mehr den publikumswirksamen Charakter. Wenn es um die Umsetzung mit Kundennutzen geht, wird das Ganze weniger sexy, als wenn man eine Technologie im Gesamten betrachtet.

Mario Drobics: Ich saß in den letzten Wochen in sehr vielen Diskussionen mit Ministerien und auf europäischer Ebene und es zeichnet sich ab, dass wir in Europa sehr stark sind im B2B-Bereich und dort die Innovationen entstehen. In der Wahrnehmung ist das oft nicht so präsent, weil beispielsweise die Home Automation von Google werbewirksam ausgerollt wird, aber die Innovationen in Europa stärker auf industrielles Umfeld abzielen. Dort sind wir stark aufgestellt, in einer Führungsrolle. In dem Sinn ist IoT ein starker Enabler für das, was sich derzeit unter dem Schlagwort „digitale Transformation“ formiert. Firmen verkaufen nicht nur Produkte, sondern Services, weil sie die Daten haben. Nicht das große Investment steht am Anfang, sondern ein Service. Da steckt eine transformative Kraft dahinter.

Man spürt als Endkonsument die Veränderung nicht, aber in Unternehmen tut sich viel?
Drobics: Genau. Vieles zielt auf den Unternehmenssektor ab. Im Heimbereich haben wir nicht die großen Player, die den Markt bespielen. Hier gibt es aber kleine Unternehmen und Start-ups.

Herr Nachbaur, wie sehen Sie das mit den IoT-Hypes?
Jörg Nachbaur: Wir als Austrian Standards sind die Türöffner, um Standards mitzuentwicklen. Ich sehe bei Blockchain ebenfalls einen großen Hype, der jetzt abebbt. Der angenehme Nebeneffekt von neuen Hype-Themen ist aber, dass Leute miteinander reden, die sich vorher nicht gekannt haben. Man überdenkt bestehende Prozesse komplett neu und daraus stehen immer wieder neue Ideen.

Ein Hype kann also Innovationsmotor sein?
Nachbaur: Genau. Das Sprichwort „durch das Reden kommen die Leute zusammen“ gilt hier. In der Standardisierung basiert alles darauf, dass man sich gegenseitig austauscht. Daraus entwickelt sich weiteres.

Drobics: Die Themen Austausch und Vernetzung passt gut zu IoT. Speziell in Österreich haben wir einen großen Mittelstand und viele Kleinunternehmen, da ist die Vernetzung sehr wesentlich. Da kann man durch Standards unterschiedliche Unternehmen zusammenschalten. Als Beispiel kann ich hier das Thema Connected Car nennen. Da haben wir unzählige Zulieferer in Österreich. In dem Bereich müssen wir eine gemeinsame Sprache finden, wie wir Dinge integrieren und wie man Innovation reinbringt. Da passiert derzeit ganz viel. Das wird auch auf andere Bereiche überschwappen, wir sehen es auch schon im Bereich Industrie 4.0 und AI.

Wie viel Standardisierung braucht Innovation?
Danmayr: Auf den ersten Blick vertragen sich Innovation und Standards auf den ersten Blick wahrscheinlich nicht so gut. Aber wenn man Informationsmanagement als Prozess sieht, sieht es anders aus. In frühen Phasen sollte man sich mit Standards zurückhalten. Beim Fortschreiten der Bedeutung von Projekten werden Standards aber immer wichtiger. Man sieht in frühen Phasen häufig Sandbox-Lösungen, bei denen außerhalb von Standards und Normen Dinge erprobt werden können. Wenn technologische Entwicklungen fortschreiten oder in Produkte einfließen und in Richtung Markt gedacht wird, ist es wichtig, auf bestehende Standards Rücksicht zu nehmen, ansonsten besteht die Gefahr, dass manche Märkte nicht berücksichtigt werden können.

Nachbaur: Dieses „Standards nicht zu früh“ hört man oft in Österreich. Aber die Sache ist die: Der Zug fährt schon lange und es ist wichtig, dass man sich informiert, wo der Zug hinfährt. Dabei können neue Ideen entstehen. Die aktive Standardisierung kann auch ein Innovationstreiber sein.

Drobics: Ein Standard entwickelt sich. Bei IoT sind wir auf Standards angewiesen. Vor allem bei großen Plattformen, auf denen Daten zusammenfließen, sehe ich großen Bedarf. Standards sind aber nicht die einzige Lösung. In Open-Source-Communities läuft vieles über eine Quasi-Standardisierung, ein gemeinsames Verständnis, wie man Daten austauscht. Da kann sich ein Standard draus entwickeln. Oft gibt es vorher schon das Verständnis, das kann innovationsfördernd sein, wenn man das vorab mit Stakeholdern diskutiert. Das brauchen wir in der IoT-Welt, sonst schaffen wir keine Innovation.

Danmayr: Das frühzeitige Mitwirken an der Diskussion kann ein nicht zu vernachlässigbarer Wettbewerbsvorteil sein.

Was sind typische Standards?
Nachbaur: Begriffsbestimmungen. Damit alle über das gleiche reden. Ein Framework, den Rahmen, wo man sich hinbewegt. Guidelines. Datenaustausch. Das brauchen wir vom allerersten Moment an, sonst reden wir aneinander vorbei, sonst können wir uns nicht vernetzen. Da gibt es bereits viele Stakeholder und da sollte man zumindest dabei sein und sich darüber informieren. Da steht Austrian Standard als nationales Normungsinstitut zur Verfügung, um die österreichischen Interessen zu schützen und die aktive Mitarbeit in der europäischen und internationaler Standardisierung zu ermöglichen.

Drobics: Wir haben da ein schönes Beispiel, das auf der nächsten Veranstaltung von Austrian Standards im Juni ein Showcase sein wird. Das AIT hat ein System für automatisierte Grenzkontrollen entwickelt. Wir waren recht früh in der Standardisierung engagiert und sind der Frage nachgegangen, was es braucht, damit die Systeme ein einheitliches Erscheinungsbild haben. Dadurch sind wir in Kontakt mit Frontex gekommen. Den Kontakt hätten wir sonst nicht hergestellt und wir würden immer noch mit fünf verschiedenen Systemen in Europa arbeiten. Es bringt einen gemeinsamen Vorteil für alle. Gemeinsam schafft man einen Mehrwert.

Nachbaur: Es gibt in Österreich oft die Angst, dass uns die anderen von außen einschränken. Das AIT bringt sich aktiv in die Standardisierung ein, das ist positiv. Leider machen das nicht alle forschende Stellen derart. Da hätten wir noch viel Potenzial. Basierend auf den Forschungsergebnissen des AIT haben wir auf europäischer Ebene etwa einen Standardisierungsantrag eingereicht. In Bezug auf IoT wurde weiters auch ein ISO/IEC Standard initiert der auf österreichischen Forschungsergebnissen basiert, hierbei geht es um die Lokalisierung von Objekten – RFID – durch diesen Standard wird die Lokalisierungsgenauigkeit in Produktionsschienen deutlich erhöht.

Drobics: Die Genauigkeitsmessung ist ein Punkt, der unterschätzt wird. Oft ist es Kraut und Rüben, die kommuniziert werden. Ein Standard stärkt das Vertrauen der Kunden in Produkte.

Danmayr: Es ist alles eine Frage des Timings.

Nachbaur: Standardisierung darf nur mit Maß und Ziel erfolgen. Es ist ein Werkzeug, das bewusst eingesetzt wird. Es gibt in der internationalen Standardisierung keine Stimmgewichtung der einzelnen Mitgliedsländer. Österreich hat dasselbe Stimmgewicht wie z.B. China oder Japan. Da können wir dagegen stimmen, wenn wir Fehler entdecken. Bei einzelnen Bereichen wie Security bringen wir uns schon seit Jahren sehr aktiv ein und können was bewegen. Wir mischen aktiv mit.

Wie weit sind wir bei IoT-Standards derzeit?
Nachbaur: IoT ist ein übergeordnetes Schirmthema, einzelne Bereiche davon gibt es etwa schon seit 1989 wie etwa den Security-Bereich, das Subcommittee SC27 des bekannten ISO/IEC JTC1. Hier wurde unlängst auch ein europäisches Gremium gegründet, bei dem Österreich auch den Vorsitz einer Arbeitsgruppe führt. Hier bringen wir uns sehr stark ein. Auch das Thema Cloud gab es davor schon. IoT ist jetzt ein wenig die Klammer über alle diese einzelnen Bereiche. In der nationalen IoT-Arbeitsgruppe sind wir derzeit eher auf beobachtendem Posten unterwegs. Wir schauen uns an, was für Standards kommen und wägen dann ab, ob wir uns einbringen. In der IoT-Gruppe gibt es noch ausreichend Platz für neue Stakeholder, die wir aufnehmen würden, damit sie die internationalen Trends mitverfolgen können.

Wie sehen Sie Österreich hier aufgestellt?
Drobics: Die produzierende Industrie braucht Unterstützung im Sinne von Standards. Das gibt Sicherheit, dass Innovationen über lange Sicht nachhaltig sind. In sich geschlossene IoT-Plattformen sind Innovationshemmer. Was tut man, wenn es die Firma nicht mehr gibt? Das ist in so einem neuen, schnelllebigen Bereich immer ein Risiko. Darum brauchen wir hier Standards und Interoperabilität, um in weiterer Folge Innovationssicherheit gewährleisten zu können.

Danmayr: Es muss Aufklärungsarbeit dazu geleistet werden, dass es für Unternehmen die Optionen gibt, in IoT-Komitees zur Entwicklung von Standards mitzuwirken. Das ist in der Breite bisher nicht bekannt und auch wir als PFI können wir hier einen Beitrag zur Vernetzung leisten.

Nachbaur: Abgesehen von der internationalen Vernetzung stecken in den Dokumenten, die in den Gremien präsentiert werden, oft sehr viele wertvolle Informationen drin. Da kann man Stunden damit verbringen, Wissen zu durchforsten und darüber nachzudenken. Alleine das kann innovationstreibend sein.

Der 3. IoT-Fachkongress „Mit Standards in die Zukunft – gemeinsame Innovation im Zeitalter der Digitalisierung“ findet am 23. Oktober 2019 im Austrian Standards Meeting Center in der Heinestraße 38 in Wien statt. Aktuell läuft der Frühbucherpreis – Anwender zahlen bei Anmeldung bis 30. Juni 2019 nur 390 Euro für die Teilnahme.

Tickets sind erhältlich auf der Website von Austrian Standards: www.austrian-standards.at/iot

Die futurezone ist Medienpartner des IoT-Fachkongresses.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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