„Microsoft hat gegen Android und iOS keine Chance“
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Von 6000 Kündigungen war gerüchteweise die Rede gewesen, am Ende waren es mit 18.000 eingesparten Stellen drei Mal so viel. Allein in Finnland, wo die Leute die Nokia-Übernahme noch gar nicht verdaut hatten, verlieren 1100 Menschen ihren Job. Ganze Standorte, wie etwa Nokias ehemaliges Forschungs- und Entwicklungszentrum im nordfinnischen Oulu mit 500 Beschäftigten, werden geschlossen. Im September 2013 hatten sowohl Microsofts Ex-CEO Steve Ballmer und Ex-Nokia-Chef Stephen Elop den Mitarbeitern nach einem Besuch in Oulu noch versprochen, dass die Übernahme keinen Einfluss auf den Standort habe.
Nokia - Connecting People
„Bei Nokia ging es darum, Menschen miteinander zu verbinden“, tweetete die bekannte Technologie-Analystin Carolina Milanesi in Anspielung auf den traditionsreichen Nokia-Slogan „Connecting People“. Bei der neuen Microsoft-Gerätesparte gehe es hingegen darum, „Menschen produktiv zu machen“. Das sei wohl eine etwas andere Message als zuvor („Not sure, it has the same ring to it“), so Milanesi. Ihre Anmerkung bezieht sich auf das mittlerweile veröffentlichte Memo von Stephen Elop, der sein Schreiben über die Neuausrichtung mit dem Hinweis begann, dass Microsofts Strategie auf Produktivität ausgelegt sei und der Konzern Leuten helfen wolle, „mehr zu tun“.
Im Gespräch mit der futurezone zeigt sich die Analystin über die Höhe des Stellenabbaus überrascht und kritisiert die Ansage: „Ich bin kein Fan davon, Menschen produktiver machen zu wollen. Man wacht ja nicht auf und sagt ‚Hey, heute will ich produktiv sein‘. Man denkt eher an die Dinge, die es zu erledigen gibt und will seine Arbeit mit Freude erledigen. Menschen gehen auch nicht in ein Geschäft und kaufen ein iPad, weil sie produktiv sein wollen. Das halte ich für den falschen Ansatz – gerade was den Fokus der Kommunikation betrifft.“
Kritik an Elop-Memo
Für den Tonfall im zitierten Memo musste Stephen Elop vor allem in englischsprachigen Medien herbe Kritik und Häme einstecken. Das Memo strotze vor leeren Phrasen, sei roboterhaft und absolut respektlos ohne ein Wort des Bedauerns geschrieben. Das New Yorker Magazin „Daily Intelligencer“, das Elops Mitteilung mit sarkastischen Bemerkungen kommentiert, fasste das Memo als „zum Schreien schlecht“ zusammen. Elop schaffe es nicht einmal, angemessene Anredeformen für seine Mitarbeiter zu finden, denen er im sage und schreibe 11. Absatz nach endlosem Marketing-Bla-Bla mitteile, dass 12.500 Leute gehen müssen.
„Das Gefühl, verraten worden zu sein, wird jetzt gerade in Finnland sicher noch größer sein“, meint der in Helsinki angesiedelte Smartphone-Analyst Horace Dediu auf Nachfrage der futurezone. Spätestens jetzt müssten die Menschen wohl realisieren, dass Nokia endgültig ausgelöscht wurde. Über die Höhe des Stellenabbaus zeigt sich Dediu allerdings nicht überrascht. Dass Microsoft die halbe Nokia-Belegschaft eliminiere, impliziere, dass der Fokus auf einfache Feature-Phones endgültig aufgegeben werde.
"Keine Chance für Microsoft"
Dass Microsoft auf die führenden Smartphone-Systeme Android und iOS nun substanziell Boden gut machen kann, hält Dediu für praktisch ausgeschlossen: „Ich sehe da keine Chance. Der Markt ist sehr weit fortgeschritten und die Low-end-Strategie liegt ebenfalls in Trümmern.“ Etwas positiver bewertet Microsofts Chancen hingegen Kantar Worldpanel-Analystin Milanesi: „Microsoft wird mit seinem großen Ökosystem und der neuen Ausrichtung auf Cloud-Services sicher auch in Zukunft auf dem Markt mitmischen. Die Voraussetzungen, im Consumer- wie im Businessmarkt mit Telefonen zu punkten, sind sicher intakt.“
Auch für Milanesi bleiben allerdings einige Fragen offen. „Die Entscheidung, Nokia X und somit Android wieder aus dem Portfolio zu streichen, könnte darauf hindeuten, dass der Preis der Lumia-Smartphones schnell fallen wird, um in Einsteiger-Märkten wettbewerbsfähig zu sein. Was Microsoft aber neben der Strahlkraft der Android-Marke außer Acht lässt, ist, dass gerade in den Emerging Markets Apps eine enorme Zugkraft besitzen – und da hat Android einfach die Nase vorn“, sagt Milanesi. Angesichts der hohen Zahl an Nokia-Kündigungen müsse man auch sehen, was mit den vielen Nokia-Entwicklern passiere, die den Windows Phone Store maßgeblich dazu gemacht hätten, was er jetzt ist.
Apple weiterhin im Vorteil
Schlechte Nachrichten für Microsoft ist laut Milanesi auch der gerade bekanntgewordene Deal zwischen IBM und Apple, der dem iPhone-Hersteller weitere Vorteile im Kampf um Business-Kunden bescheren könnte. Völlig unklar bleibt auch, wie Microsoft als neu erwachsener Gerätehersteller im Smartphone-Bereich andere prominente Hersteller wie Samsung und HTC davon überzeugen will, ebenfalls auf Windows Phone zu setzen. Milanesi zufolge wird Microsoft in Zukunft folglich stärker mit No-Name-Herstellern („Whitebox Vendors“) kooperieren müssen, um zumindest in Wachstumsmärkten mit billigeren Geräten vertreten zu sein.
Ein Lichtblick gab es für Microsoft allerdings am gestrigen Tag. Die Börse freute sich über den Jobkahlschlag und bescherte der Microsoft-Aktie ein zwischenzeitliches Plus von über vier Prozent, was sich wohl nicht zuletzt aufgrund der Negativstimmung durch das abgestürzte Passagierflugzeug über der Ukraine schließlich auf knapp ein Prozent einpendelte.
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