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Netzneutralität

Mobilfunker kritisieren Google & Co

„2010 wurden in Österreich bereits 25 Millionen Gigaybyte an Daten mobil übertragen, das entspricht einer Steigerung von über 52 Prozent“, fasst Rüdiger Köster, Präsident des Forum Mobilkommunikation (FMK) und CTO von T-Mobile, anlässlich der FMK-Jahrespressekonferenz die Entwicklung zusammen. Während man sich über die Zuwächse freut, erfordert die exzessive Datennutzung enorme Investitionsbeträge in die Netze. Dazu kommt, dass die Umsätze ungeachtet der weiter steigenden SIM-Karten und Vertragspenetration laut Köster jährlich um knapp fünf Prozent sinken.

Google und Facebook: Profite im Netz
Auf die Frage nach neuen Einnahmequellen reagierte der FMK-Präsident ausweichend. Ohne das Wort Netzneutralität in den Mund nehmen zu wollen, kritisierte Köster jedoch, dass Unternehmen wie Google und Facebook das Netz für ihre eigenen Profite nutzen, bis heute jedoch keinen Beitrag zum Ausbau der Infrastruktur leisten. Das sei, wie wenn ausländische Spediteure kostenlos mit LKWs die inländischen Autobahnen benützen würden, während die inländischen zur Kasse gebeten werden. Die globale Diskussion diesbezüglich sei aber noch nicht zu Ende geführt.

Ob die Mobilfunker bei den Webkonzernen auf Gehör stoßen werden, darf allerdings bezweifelt werden. Der europäische Google-Vizechef Philipp Schindler hatte erst kürzlich bei seinem Besuch in Wien der "Extramaut" für Google-Services wie YouTube eine Absage erteilt. Die Nutzer würden ja ohnehin ihren Providern zahlen, dass sie im Netz frei surfen können.

Keine Sonderverträge für Heavy User
Doch auch die sogenannten Heavy User, also die Vielnutzer von mobilem Internet, stehen verstärkt im Fokus der Mobilfunkbranche. „Derzeit sind zwei bis drei Prozent der User für 80 Prozent der anfallenden mobilen Datenmengen verantwortlich. Im Sinne einer fairen Nutzung müssen wir hier auch Mechanismen schaffen, dass das Netz für alle im gleichen Maße verfügbar ist“, meint Köster.

Auf Nachfrage der futurezone, ob Heavy User mit gesonderten Verträgen zur Kasse gebeten werden sollen, verneinte Köster. „Hier geht es um allgemeine Geschwindigkeitsdrosselungen in Stoßzeiten, wenn die Netze an ihre Grenzen gelangen. Diese müssten im Sinne der Qualitätssicherung auf Netzebene durchgeführt werden. Einzelne User sollen nicht persönlich belangt werden, so Köster.

Die vorsichtige Wortwahl lässt sich teilweise auch durch die Aktivitäten der EU erklären. So will die EU-Kommission den Mobilfunkern ebenfalls genauer auf die Finger schauen und mögliche Behinderungen des Internet-Verkehrs durch Telekom-Unternehmen prüfen. In einer großangelegten Untersuchung soll geklärt werden, ob die Internet-Geschwindigkeitsangaben der Anbieter mit den tatsächlichen Datenübertragungsraten übereinstimmten. EU-Telekommunikationskommissarin Neelie Kroes hat wiederholt bekräftigt, dass es übermäßige Einschnitte oder gar einen Ausschluss von Anwendungen in Mobilfunknetzen nicht geben dürfe. Die Ergebnisse der Untersuchung werden für Ende des Jahres erwartet.

Mobilfunk 60 Prozent günstiger
Wie günstig der Mobilfunk im Vorzeigeland Österreich ist, belegen die neuesten Zahlen. Während der allgemeine Warenkorb seit 2006 um 14,5 Prozent gestiegen ist, sind die Ausgaben für Telekommunikationsdienste im gleichen Zeitraum um 32,3 Prozent gesunken. Im Mobilfunk soll der Kosteneinbruch gar 60 Prozent betragen. Nicht miteinberechnet ist dabei allerdings, dass Haushalte heute entsprechende Pakete wie mobiles Internet dazubuchen müssen, um bei der Nutzung ihrer Smartphones auf der sicheren Seite zu sein. Auch Kinder werden immer häufiger und in immer jüngeren Jahren mit Handys und den entsprechenden Verträgen ausgestattet.

Um die geplanten Investitionen von etwa 700 Millionen Euro für den Ausbau der Netze zu finanzieren, wollen die Mobilfunker zukünftig mehr Zusatzservices, wie mobile Cloud-Services, Smart Metering Apps oder E-Health-Anwendungen anbieten. „Hier konkurrieren wir natürlich mit großen Anbietern wie Google und anderen etablierten Webunternehmen. Unser Vorteil in puncto Sicherheit ist, dass wir in diesem Bereich bei den Kunden traditionell eine hohe Vertrauenswürdigkeit genießen. Das könnte sich gerade im Bereich Cloud Computing als Vorteil erweisen“, so Köster gegenüber der futurezone.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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