Uber & Co.: Die Gig-Economy auf dem Prüfstand
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr!
Der Fahrtendienstvermittler Uber sieht sich gerne als Wohltäter. Als Uber-Chef Travis Kalanick im vergangenen Jahr auf der Münchner Innovationskonferenz Digital Life Design (DLD) auftrat, versprach er 50.000 neue Jobs durch sein Unternehmen in Europa. Bei der diesjährigen Ausgabe der DLD wurde die sogenannte Gig-Economy, in der fixe Arbeitsplätze durch temporäre, flexible Arbeitsverhältnisse ohne soziale Absicherung abgelöst werden, hinterfragt.
Statt Kalanick saß heuer Pierre-Dimitri Gore-Coty, Uber-Chef für Europa, den Nahen Osten und Afrika auf dem Podium. Demnächst steht er in Paris vor Gericht. Wie auch in zahlreichen anderen europäischen Ländern werden Uber dort Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht vorgeworfen. "Wir haben unsere Lektionen gelernt", sagte Gore-Coty. Uber-Dienste seien in vielen Ländern verboten worden, künftig wolle man enger mit den Behörden zusammenarbeiten, um regulatorische Rahmenbedingungen zu "modernisieren".
"Bringen viele Leute ins Geschäft"
Im vergangenen Jahr hätten rund 40.000 Europäer begonnen für Uber zu fahren, sagte Gore-Coty. Sie würden vor allem die Flexibilität und das Arbeiten ohne Chef schätzen. Fragen der sozialen Absicherung sprach der Uber-Manager nicht an. Plattformen und Märkte wie Uber, eBay und auch Amazon würden Anbieter und Nachfrage zusammenbringen, sagte der Uber-Manager: "Sie bringen viele Leute ins Geschäft." Sie würden auch Alternativen bereitstellen, die der Arbeitsmarkt nicht bieten könne, sagte Gore-Coty: "Für viele Leute ist es einfacher Kunden zu finden als einen Arbeitgeber."
"Bei Krankheit ist Flexibilität nicht viel wert"
"Flexibilität ist nicht viel wert, wenn man krank wird oder einen Urlaub braucht", sagte Tilo Jung, der die in Deutschland sehr populäre Online-TV-Interviewserie Jung & Naiv - Politik für Desinteressierte produziert, die sich zu guten Teilen über Crowdfunding finanziert. Er wisse nicht, ob er auch im nächsten Monat Geld verdienen werde, sagte Jung, dessen Clips im vergangenen Jahr rund 40 Millionen Mal abgerufen wurden.
"Bessere Services"
Brit Morin von der Plattform Brit + Co beklagte, dass die Gig-Economy zu weiten Teilen männlich dominiert sei. "Frauen spielen dabei keine Rolle." Auf ihrer Plattform können Interessierte mit Online-Tutorials und Handwerksarbeiten Geld verdienen. Zu ihren Kunden zählen vor allem Frauen.
Uber und andere Vermittlungsplattformen hätten viel dazu beigetragen, dass Kunden heute bessere Services bekommen, sagte Navid Hadzaad von Go Butler, einer Plattform, bei der Maschinen, aber auch Menschen, rund um die Uhr für Dienstleistungen - etwa das Reservieren von Hotelzimmern oder das Bestellen von Waren - bereitstehen. "Kunden wollen Bequemlichkeit und Effizienz, der Markt muss darauf reagieren", sagte Hadzaad. Er wünsche sich gesetzliche Rahmenbedingungen, in denen dies auch möglich sei. In den USA hätte die Politik verstanden, dass es neue Regeln brauche, sagte Uber-Manager Gore-Coty in Europa dauere dies wohl etwas länger.
"Neues ausprobieren"
Zur Sprache kam auch die Nachhaltigkeit der durch die Plattformen vermittelten Jobs. Viele ihrer Kunden würden sich über Brit + Co ein Zubrot verdienen, für andere sei es aber auch eine Möglichkeit, sich eine Existenz aufzubauen. Plattformen, wie ihre, würden vielen Leuten die Möglichkeit geben, Neues auszuprobieren, sagte Morin. Bei Uber sei es von Land zu Land unterschiedlich, wie lange Fahrer ihre Arbeit ausüben, sagte Gore-Coty. "Viele machen es nur ein paar Monate lang, andere bleiben länger dabei."
Selbstfahrende Autos statt Fahrer
Auf die Frage, ob Uber seinen Fahrern überhaupt langfristige Perspektiven bieten könne, wenn doch bekannt sei, dass das Unternehmen Milliarden in selbstfahrende Autos investiere, antwortete Gore-Coty ausweichend: Autonom fahrende Fahrzeuge seien noch Zukunftsmusik. Niemand könne genau sagen, wann sie tatsächlich marktreif seien. Für Arbeitssuchende würden sich aber auch dann neue Gelegenheiten ergeben, so der Uber-Manager: "Vor 15 Jahren hätte auch niemand gedacht, dass man mit YouTube Geld verdienen kann."
Bedingungsloses Grundeinkommen
Einen anderen Lösungsvorschlag für den Jobverlust durch intelligente Maschinen brachte zuvor der Risikokapitalgeber Albert Wenger von der US-Investmentfirma Union Square Ventures zur Sprache. Er stellte ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle zur Diskussion, mit dem Leute ihre Grundbedürfnisse abdecken könnten. Man müsse sich darüber Gedanken machen, sagte Wenger, der zu dem Thema auch das Blog continuations.com betreibt: Die Automatisierung mache große Fortschritte. Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt seien bereits spürbar, sagte Wenger: "Es passiert jetzt und es wird sich beschleunigen."
Kommentare