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Interview

"Wir wissen nicht, ob es Spotify in fünf Jahren noch gibt"

28 Millionen zahlende Abonnenten verzeichneten Musik-Streaming-Dienste wie Spotify, Deezer, Beats und rdio laut dem Tonträgerindustrieverband IFPI im vergangenen Jahr weltweit. Gegenüber 2012 entspricht dies einer Steigerung von 40 Prozent. Die Einnahmen der Labels aus den Abodiensten legten sogar um 53 Prozent zu. Die Betreiber der Services schreiben aber Verluste.

"Die Dienste funktionieren finanziell nicht", sagt Paul Resnikoff, Herausgeber des US-Branchendienstes Digital Music News. Der Journalist, der auch bei einem Label und einem Online-Musikdienst Erfahrungen sammelte, war vergangene Woche bei den Tagen der Musikwirtschaftsforschung in der Wiener Universität für Musik und darstellende Kunst zu Gast. Die futurezone traf ihn am Rande der Veranstaltung zum Interview.

futurezone: Sie sagen, dass die Geschäftsmodelle von Musik-Streaming-Anbietern nicht existenfähig sind. Warum?
Paul Resnikoff:
Dafür gibt es viele Gründe. Es gibt extrem variable Kosten für die Lizenzierung von Inhalten. Es spielt keine Rolle, wie viele Abonnenten diese Dienste haben, die Kosten für die Lizenzen steigen mit ihnen. Das macht es sehr schwierig profitabel zu arbeiten. Es hat sich auch als schwierig erwiesen, die Anzahl der zahlenden Abonnenten zu steigern. Es kommen zwar einige Abonnenten dazu, aber verglichen mit kostenlosen, werbefinanzierten Angeboten bleibt die Zahl sehr niedrig. Zahlende Abonnenten bringen aber die höchsten Umsätze.

Warum haben es Freemium-Modelle im Musikbereich schwierig?
Das liegt daran, dass die kostenlosen Angebote zu gut sind. Es gibt keinen Grund zu bezahlen. Wenn Sie mir anbieten, dass ich gratis mit einem schicken Moped kostenlos durch Wien fahren kann, aber wenn ich dafür bezahle, bekomme ich ein kleines Motorrad, dann werde ich vermutlich das Motorrad ablehnen, weil ich mit dem Moped zufrieden bin. Genau das passiert mit Fremium-Modellen bei Streaming-Services. Aber es gibt in dem Bereich auch noch YouTube, das eine größere Auswahl und dazu auch noch Musikvideos bietet, und das kostenlos. Es gibt Gründe, warum YouTube die größte Plattform für den Konsum von Musik im Netz ist. Jeder ist dabei, aber niemand bezahlt.

Die Einnahmen für Künstler von Streaming-Angeboten sind gering. Was kann man mit Spotify & Co. verdienen?
Machen Sie Witze? Wie sollen Künstler mit Streaming Geld verdienen? Ein hoher Prozentsatz der Verträge mit Major-Labels mit ihren Künstlern abschließen, beinhalten Klauseln, in denen steht, dass Musiker für das Streaming nicht vergütet werden. Die Labels argumentieren damit, dass sie ihren gesamten Katalog und nicht einzelne Künstler lizenzieren. Die einzigen Künstler, die von den Majors Geld für Streaming erhalten, sind die großen Stars. Sie stellen hohe Forderungen, denen die Labels nachkommen, damit sie sie halten können. Diese Zahlungen haben auch nichts mit den tatsächlichen Streams zu tun. Sie kommen aber nur ganz wenigen Musikern zugute.

Viele Labels halten Anteile an Streamingdiensten. Welche Auswirkungen hat das?
Die großen Labels halten hohe Anteile, das ist ein Faktum. Matt Mason von BitTorrent hat vor kurzem gesagt, die Majors hätten es schon aufgegeben, Musik zu verkaufen. Stattdessen pressen sie von neuen Diensten im Gegenzug für den Zugriff auf ihren Katalog hohe Anteile ab. Wenn dann - wie vor kurzem - Beats Music für drei Milliarden Dollar an Apple verkauft wird, verdienen sie damit sehr gut.

Welche Zukunft sehen Sie für Dienste wie Spotify & Co.?
Sie meinen, ob es Spotify in fünf Jahren noch geben wird? Wir wissen es nicht. Der Grund dafür ist, dass Spotify nicht groß genug ist. Spotify hat rund elf Millionen zahlende Abonnenten. Wir wissen nicht, ob das zum Überleben reicht. Es gibt aber eine Reihe von Möglichkeiten. Eine ist, dass Spotify an die Börse geht und die Gründer sehr reich werden. Es gibt auch die Möglichkeit, dass sie übernommen werden, etwa von Amazon oder von Google. Auch auf diese Art könnte Spotify überleben und noch lange Zeit Geld verlieren. Das Geschäftsmodell spielt dann keine Rolle mehr.

Lässt sich mit Tonaufnahmen noch Geld verdienen, oder waren sie nur eine historische Episode?
Wir hatten jahrzentelangdas perfekte Umfeld, um die Geldströme um Tonaufnahmen zu kontrollieren. Man musste in einen Laden gehen und physische Tonträger kaufen. Diese enthielten eine begrenzte Anzahl von Songs, sie waren zu einem Album gebündelt. Branchen, die ihre Produkte bündeln können, florieren in der Regel. Auch die Medien und Promotion-Kanäle waren überschaubar. All diese Faktoren haben es der Tonträgerindustrie ermöglicht, gesunde Gewinne einzufahren. Die CD war ein wichtiger Teil davon. Es werden auch heute noch viele CDs verkauft, aber das Streaming kannibalisiert andere Formate. Das ist statistisch belegt und mit Ausnahme von Vinyl sehe ich auch kein Format, das aus nostalgischen Gründen gekauft würde.

Wie werden Musiker in Zukunft Geld verdienen?
Sie gehen wohl nicht davon aus, dass Musiker - und ich meine die breite Masse an Musikern - jemals genug Geld zum Leben verdienen konnten oder verdienen werden? Das glaubt nur Daniel Ek, der Chef von Spotify, der davon spricht, dass sein Dienst Künstlern quer durch die Bank schon bald zu einem Mittleklasse-Einkommen verhelfen wird. Ist das eine Fantasie? Sehr wahrscheinlich ja.

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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