17.000-Euro-Rechnung: Kaum Schutz vor Handy-Betrug
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Der Fall eines jungen Studenten aus Vorarlberg, der vom österreichischen Provider A1 eine Rechnung über 17.000 Euro präsentiert bekommen hat, nachdem Kriminelle seine SIM-Karte manipuliert hatten, sorgt weiter für Aufregung. Mittlerweile hat der Mobilfunker zwar angeboten, den offenen Rechnungsbetrag auf 500 Euro zu reduzieren. Dem Anwalt des jungen Mannes ist das aber zu wenig. „Dieses Angebot können wir nur annehmen, wenn A1 sich entschuldigt und eine sofortige Vertragsauflösung erfolgt. Ansonsten freue ich mich darauf, diese Sache auszujudizieren“, erklärt Anwalt Helgar Schneider dem KURIER. A1 will sich bei dem Kunden laut Sprecherin Liva Dandrea Böhm aber keinesfalls entschuldigen.
Komplexes System
Zu der horrenden Telefonrechnung kam es, nachdem das Handy des Studenten gestohlen wurde. Kriminelle manipulierten mithilfe eines Computers und entsprechender Software das Netz des spanischen Roaming-Partners von A1 und wickelten so virtuelle Gespräche über die SIM-Karte des Vorarlbergers ab. Solche simulierten Telefonate können parallel geführt werden. Dadurch war es möglich, in wenigen Stunden ein Gesprächsguthaben zu verbrauchen, das eigentlich 200 Stunden Telefonieren erfordert hätte. Tatsächliche Telefonate haben dabei nicht stattgefunden. Von einer so zustande gekommenen Telefonrechnung profitieren vor allem die Mehrwertnummern, zu denen Verbindungen simuliert wurden. Ähnliche Fälle gibt es in Spanien häufiger, da die Anzahl der parallelen Verbindungen dort nicht begrenzt ist. In Österreich sind maximal zwei parallele Verbindungen möglich.
Im konkreten Fall verdienen die Betreiber von Mehrwertnummern in Afrika, die mit den Handybetrügern unter einer Decke stecken dürften. Daneben profitieren indirekt aber auch sämtliche beteiligten Provider an dieser technisch ausgeklügelten Betrugs-Masche. „Auch A1 würde durch die fälligen Großkundenentgelte bei einem Rechnungsbetrag von 17.000 Euro einige Tausend Euro verdienen“, sagt Anwalt Schneider. Laut futurezone-Informationen hätte A1 an der 17.000-Euro-Rechnung 3.400 Euro verdient. Dabei gab es bei dem österreichischen Provider auch schon höhere Rechnungen, meint Dandrea-Böhm. Das Unternehmen verweist aber darauf, dass in solchen Fällen immer eine Lösung mit den Kunden gesucht wird.
Keine Schutzmechanismen
A1 hat die Verbindung im aktuellen Fall selbst gekappt, nachdem der spanische Roaming-Partner Auffälligkeiten gemeldet hat. Der Schaden war aber bereits eingetreten. Eine Regelung wie beim Daten-Roaming, wo nach Erreichen einer Kostengrenze keine weiteren Verbindungen möglich sind, gibt es für Sprachtelefonie derzeit nicht. Auch eine Deckelung der Haftung, wie es sie - mit Ausnahme fahrlässiger Handlungen - bei Kreditkarten gibt, ist nicht vorgesehen. Kunden sind bis zur Meldung des Schadens voll haftbar. Der Vorarlberger hat den Verlust seines Mobiltelefons erst spät gemeldet, wie A1 betont.
Als Schutzmaßnahmen gegen Handy-Diebstahl empfehlen Experten oft, die SIM-Sperre zu aktivieren, das Gerät mit einem Passwort zu schützen, diverse Sicherheits-Apps zu installieren und Mehrwertnummern zu sperren. Das alles ist aber nur hilfreich, wenn die Diebe über kein besonderes Know-how verfügen. Im Falle des jungen Studenten wurde die SIM-Karte aus seinem Mobiltelefon genommen, in einen Computer gesteckt und dort trotz eingeschalteter SIM-Sperre aktiviert.
Erhebliche Investitionen
Effektiven Schutz kann letztlich aber nur der Netzbetreiber bieten. Im Fall des Vorarlbergers hätte es von User-Seite keine wirksamen Präventionsmaßnahmen gegeben, wie auch A1 gegenüber der futurezone einräumt. Das Aufbauen mehrerer simulierter, paralleler Gespräche könnte nach österreichischem Vorbild europaweit netzseitig unterbunden werden. Zudem wäre eine Abrechnung unter europäischen Betreibern in Echtzeit eine Möglichkeit, solche Unregelmäßigkeiten sofort zu bemerken. Das wäre aber mit erheblichen Investitionen der Netzbetreiber verbunden.
Konsumentenschützer arbeiten jedenfalls an einer Änderung der entsprechenden Vorschriften. „Wir wollen eine Regelung, die existenzbedrohende Forderungen verhindert. Die rechtliche und technische Umsetzung muss diskutiert werden“, sagt Daniela Zimmer von der Arbeiterkammer. Der Fall des Studenten könnte, so er denn vor Gericht kommt, den Druck auf die Gesetzgeber zumindest kurzfristig erhöhen.
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