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Verkehr

Apps gegen den Baustellensommer

Auf Wiens Straßen wird es in diesem Sommer so viele Baustellen wie noch nie geben. 225 Projekte werden Autofahrer zum Fluchen und teilweise zum Stillstand bringen. Insgesamt wird es 2012 in Wien 14.400 Baustellen und Aufgrabungen geben, gab Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou Mitte April bekannt. Ein Rekordwert. Unter diesen Umständen kommt jede Hilfe recht. Eine Reihe von Apps könnte den entscheidenden Informations-Vorteil auf der Straße bringen, wenn man sich schon dafür entscheidet, weiter mit Auto, Motorrad oder LKW unterwegs zu sein und nicht auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen. Wichtigstes Kriterium dabei ist die Aktualität der Verkehrsfluss-Daten und eine exakte Verortung von Stellen mit zähflüssigem Vorankommen oder Staus.

Routen für Auto, Öffis, Fahrrad oder zu Fuß

Die Webseite AnachB.at und ihre Apps für Android und iOS bieten Routenplanung mit verschiedenen Verkehrsmitteln an. Auto, Öffis, Fahrrad und zu Fuß werden so kombiniert, dass man möglichst schnell sein Ziel erreicht. In die Routenplanung fließen auch bestehende Baustellen und Verkehrsmeldungen ein. Farblich gekennzeichnet erkennt man sofort, wo man gerade flüssig vorankommt und welche Wege man meiden sollte.

Betrieben wird AnachB von ITS Vienna Region, einem Verkehrsmanagement-Projekt der Bundesländer Wien, Niederösterreich und Burgenland. Um ein möglichst vollständiges und aktuelles Bild der Verkehrslage zu erhalten, werden mehrere Datenquellen vereint. Wien, Niederösterreich und Burgenland steuern etwa mit Detektoren an Kreuzungen ihre Informationen bei. Alleine in Wien sind rund 500 Kreuzungen damit ausgestattet. Weitere Datenlieferanten zur Erfassung eines genauen und aktuellen Gesamtbildes sind die Wiener Linien, ÖBB, Ö3 und die ASFINAG.

Baustellen-Updates und Taxi-Statistik
Dazu werden Baustellen möglichst rasch in das eigene Verkehrslagemodell übernommen. Wie Bernhard Engleder, Abteilungsleiter der MA28 (Straßenverwaltung und Straßenbau) und ITS Koordinator der Stadt Wien betont, gibt es im Bereich der Baustellen-Erfassung laufende Verbesserungen: "Den Zeitpunkt einer verkehrlichen Wirkung möchten wir so genau wie möglich kennen." Dazu wird auch verstärkt mit Bauunternehmen zusammengearbeitet. Eine weitere Datenquelle sind Taxis, die mit GPS-Sensoren ausgestattet sind. Ihre Standorte und Fahr-Geschwindigkeiten werden auf einer Floating-Karte abgebildet, die auch AnachB zur Verfügung gestellt wird.

Alle Maßnahmen zusammen bewirken eine aktualisierte Erfassung von 95 Prozent des Verkehrsnetzes in Ostösterreich. Der Dienst bietet neben aktuellen Verkehrsinformationen auch eine Prognose für die Lage in 15, 30 oder 45 Minuten. Derzeit verarbeitet AnachB rund eine Million Routenauskünfte pro Monat. Viele Nutzer beteiligen sich auch an der Verbesserung des Dienstes. Besonders Radfahrer tragen häufig dazu bei, die Lage auf Radrouten zu aktualisieren. Laut Bernhard Engleder sind es auch in den meisten Fällen Rad oder öffentliche Verkehrsmittel, mit denen man in der Stadt am schnellsten vorankommt. Für den Baustellensommer 2012 rät Engleder: "Wir können nur an die Leute appellieren, dass sie sich vorher anschauen, wie die Verkehrslage ist. AnachB liefert dabei eine objektive Auskunft."

Genauigkeit durch Community

Auch der ÖAMTC bietet mit einer eigenen App aktuelle Verkehrsinformationen. Der Autofahrer-Club sieht sein Angebot als Kombi-App, die mehrere Themen-Pakete umfasst. Der Verkehrsinfo-Teil, welcher in Zusammenarbeit mit der Asfinag verwirklich wurde, existiert seit Sommer 2011. Seit Anfang 2012 bietet die App aktuelle Informationen zu Parkgaragen und Park-and-Ride-Anlagen. In der App inkludiert sind auch stündlich aktualisierte Spritpreis-Daten. Die ÖAMTC-App soll "eine App für mobile Menschen" sein, sagt Helmut Beigl, Leiter der ÖAMTC Mobilitätsinformation. "Ob Urlaub, Reise, Freizeit oder täglicher Arbeitsweg. Jeder kann sich selbst zusammenstellen, welche Subfunktionen er dabei nutzen will."

Die zur Darstellung der Verkehrslage notwendigen Daten stammen bei der ÖAMTC-App neben der ASFINAG von der Exekutive, den Bundesländern, dem Bundesheer (Durchfahrt von Truppenübungsplätzen) sowie Veranstaltern von Großevents. Der Club profitiert aber auch von seiner großen Mitgliedschaft. In der App inkludiert ist ein Verkehrsmelde-Tool, mit dem Staus, Straßensperren, Baustellen, defekte Beschilderung oder sonstige Probleme übermittelt werden können. Diese Meldungen werden manuell bearbeitet und in die Live-Information integriert. Geht eine Meldung ein, werden auch GPS-Daten des App-Nutzers herangezogen, um seine aktuelle Durchschnittsgeschwindigkeit am Straßenabschnitt zu messen. Ob der Nutzer bei der Meldung eigene Kontaktdaten übermittelt oder lieber anonym bleiben will, kann er sich selber aussuchen.

Die ÖAMTC-App ist bisher auf über 300.000 iOS-Geräten und 150.000 Android-Geräten vertreten. Zusammen mit AnachB-Betreiber ITS Vienna Region und weiteren Partnern arbeitet der ÖAMTC derzeit an einem größeren Projekt. Dieses trägt den Titel "VO - Verkehrsauskunft Österreich" und soll sämtliche Verkehrsinformationen für ganz Österreich zusammenführen.

Webcams und Videomaut

Der österreichische Autobahnen- und Schnellstraßenbetreiber ASFINAG bietet seinen Verkehrsinformationsdienst Unterwegs sowohl im Web als auch als Android- oder iOS-App an. In der App werden Baustellen und sonstige Verkehrsbehinderungen auf einer Karte dargestellt. Zusätzlich kann man Webcam-Bilder aus ganz Österreich live am Mobilgerät abrufen. Wie die ÖAMTC-App bietet auch Unterwegs eine Meldemöglichkeit für Staus, Straßensperren, etc. Auf der Web-Oberfläche lassen sich zusätzlich aktuelle Wetterdaten, Wetterwarnungen, Wechselverkehrszeichen, Raststationen und LKW-Stellplatzinformationen einblenden.

Mit der Unterwegs-App lassen sich daneben auch Videomautkarten erwerben und verwalten. Mit einem Videomaut-Ticket spart man auf Sondermautstrecken Zeit. Ein Anhalten ist nicht erforderlich. Stattdessen kann man auf einer eigenen Spur durch die Zollstation fahren. Spezielle Kameras identifizieren das Fahrzeug durch sein Kennzeichen. Die Maut-Passage wird automatisch gebucht. Die Unterwegs-App der ASFINAG kommt bisher auf über 100.000 Downloads.

Verkehrsmeldungen nach Bundesländern

Als "erste rein österreichische Verkehrsinformationsapp" wird "Verkehrsinfo" des Wiener App-Produzenten WEP beworben. Die App listet Verkehrsmeldungen nach Bundesländern sortiert auf und bietet dazu kleine Kartenansichten. Die Daten stammen vom ÖAMTC.

"Wohlfühl-Baustelle noch nicht erfunden"

Alle vier der vorgestellten Dienste sind kostenlos erhältlich und sollten für das schnellere Vorankommen auf den Straßen im Baustellensommer hilfreiche Werkzeuge abgeben. Bei der Pressekonferenz im April gab Verkehrsstadträtin Vassilakou aber zu bedenken: "Die Wohlfühl-Baustelle ist noch nicht erfunden worden." Sie appellierte in diesem Zusammenhang an die Autofahrer, nach Möglichkeit auf die Öffis umzusteigen.

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ITS Vienna Region wird im Herbst auf dem ITS Weltkongress in Wien vertreten sein. Von 22. bis 26. Oktober zeigen hier heimische und internationale Unternehmen neueste Entwicklungen in der Verkehrstechnik und Telematik. ITS wird dabei AnachB präsentieren sowie die Graphen-Integrations-Plattform (GIP), mit der Änderungen im Verkehrsnetz gemanagt werden können.

Auch der ÖAMTC wird von 22. bis 26. Oktober auf dem ITS Weltkongress vertreten sein. Der Club will aktuelle telematische Dienstleistungen präsentieren, wie etwa den ÖAMTC Car Finder, mit dem gestohlene Autos schneller aufgespürt werden sollen. Außerdem wird es einen Infostand zum Projekt "VO - Verkehrsinformation Österreich" geben.

Die ASFINAG wird beim ITS Weltkongress von 22. bis 26. Oktober in Wien telematische Versuchs-Anordnungen präsentieren. Der Straßenerhalter will zudem Konzepte zur Mobilität von Morgen präsentieren, u.a. Kommunikationswege zwischen Auto und Verkehrs-Infrastruktur.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Mobilität, Klimawandel, Energie, Raumfahrt und Astronomie. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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