Atos nutzt Afghanistan-Kampferfahrung für Drohnenabwehr
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Die steigende Verbreitung von Drohnen hat seit einiger Zeit zu einer Reihe von gefährlichen Vorfällen geführt. In Frankreich spionierten Drohnen Atomkraftwerke aus, in Deutschland wurden mit ihrer Hilfe Waffen in Gefängnisse befördert, in den USA stürzte eine Drohne während einer Straßenparade in die Menge und schlug eine Frau bewusstlos. Um solche Situationen zu verhindern entwickeln immer mehr Unternehmen Technologien, um Drohnen den Überflug zu verwehren oder sie abzufangen.
Der französische IT-Konzern Atos ist eines dieser Unternehmen. Über das Tochterunternehmen Bull wird das Produkt Drone Shield angeboten. Damit sollen Flugverbotszonen für nicht-militärische Drohnen errichtet werden können. Die Technologie dahinter wurde während des Einsatzes des französischen Militärs in Afghanistan eingesetzt.
Jamming gegen Straßenbomben
"Unsere Lösung hat Kampferfahrung", sagt Philippe Villemin im Gespräch mit der futurezone. "Sie wurde während Transportfahrten in Lastwägen eingesetzt, um Straßenbomben [mit Fernzünder, Anmerkung] außer Gefecht zu setzen." Bei den verwendeten Geräten handelte es sich um Störsender bzw. "Jammer", die Funkkommunikation durch eine Überlagerung der verwendeten Frequenz verhindern.
Genau wie die Kommunikation zwischen Auslöser und Straßenbomben in Afghanistan soll bei Drone Shield die Kommunikation zwischen Drohne und Fernsteuerung beziehungsweise zwischen Drohne und Navigationssatellit unterbrochen werden. Wie Villemin erklärt, liegt die Herausforderung beim Jamming darin, die jeweils verwendete Frequenz herauszufinden.
Ausgewählte Frequenzen
Die "brutale" Methode umfasst das Aussenden von Jamming-Signalen auf allen Frequenzen im Funkspektrum. Das ist einerseits besonders energieaufwendig, andererseits wird dadurch jegliche Funkkommunikation, auch die eigene, verhindert. In Afghanistan hätten die Lastwagenfahrer also nicht miteinander über Funk sprechen können.
Die Besonderheit der Atos-Methode liegt darin, Funksignale zu analysieren und verdächtige Frequenzen selektiv zu jammen. Die selbst verwendeten Frequenzbereiche bleiben offen, während andere blockiert werden. Laut Villemin ist es dadurch auch möglich, mehrphasige Vorgehensweisen gegen Drohnen anzuwenden.
Zwei Zonen
Das Drone-Shield-Konzept ermöglicht die Errichtung zweier Zonen rund um zu schützende Objekte - etwa ein Rechenzentrum, ein Atomkraftwerk, eine Geheimdienstzentrale oder eine öffentliche Veranstaltung.
Dringt eine Drohne in die erste Zone ein, wird die Funkverbindung zwischen Drohne und Fernsteuerung unterbrochen. In diesem Fall kehren die meisten nicht-militärischen Drohnen selbstständig zu ihrem Piloten zurück. Folgt die Drohne einer vorprogrammierten Route mittels GNSS-Empfänger (etwa GPS, Glonass, Galileo), so könnte sie ihren Flug fortsetzen. Erreicht die Drohne die zweite Zone um das "mission critical"-Objekt, werden auch sämtliche GNSS-Signale blockiert. Die Drohne sollte dann landen oder schlimmstenfalls abstürzen.
Abstürze soll Drone Shield eigentlich verhindern, will man doch die Verletzung von Personen oder die Beeinträchtigung der "missionskritischen" Infrastruktur verhindern. In einigen Fällen bleibe einem aber keine Wahl, meint Villemin. Ist eine Drohne etwa so trickreich konstruiert, dass sie Jamming-Versuchen zu entgehen versucht, etwa durch Frequenzwechsel, so kann im Notfall auch die "brutale" Methode angewendet und das komplette Funkspektrum vorübergehend blockiert werden.
Kooperation
Villemin, der vor seiner Tätigkeit im IT-Geschäft Kampfjet-Pilot für die französischen Luftstreitkräfte war, gibt zu bedenken, dass Frequenz-Jamming für eine Vielzahl an Bedrohungsszenarien ausreicht, aber dennoch keine 100-prozentige Sicherheit bietet. Atos bzw. Bull arbeiten deshalb an kundenspezifischen Lösungen, für die auch Produkte von Konkurrenzunternehmen hinzugezogen werden.
Mit optischen oder akustischen Sensoren kann die Aufspürung von Drohnen in manchen Szenarien verbessert werden. Auch beim Abfangen will sich das Unternehmen an Kundenwünschen orientieren. "In manchen Fällen könnte auch der Einsatz eines Abfang-Adlers eine gute Lösung sein", meint Villemin. Genauso verhalte es sich mit dem Einsatz eines "Roboter-Falken", den die Universität Michigan Tech zuletzt vorgestellt hat.
Keine Furcht verbreiten
Die Bedrohung durch Drohnen im Allgemeinen wolle man nicht übertreiben. "Wir wollen keine Furcht vor Drohnen verbreiten. Wir wollen realistisch sein, einfach bereit sein, das ist alles", meint Villemin. "99 Prozent aller Leute wollen mit ihren Drohnen nichts Schlimmes anstellen." Im Sinne der Sicherheit kritischer Infrastruktur müsse man jedoch auf das Schlimmste gefasst sein und zukünftige Bedrohungsszenarien antizipieren.
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