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Gerüstet für den Blackout mit inselfähigen Energiezellen

Laut Expert*innen wird ein Blackout, also ein großflächiger, länger andauernder Stromausfall, immer wahrscheinlicher. Laut Bundesheer wird es in den nächsten 5 Jahren „fast hundertprozentig“ zu einem größeren, überregionalen Stromausfall kommen.

In den vergangenen Jahren gab es bereits einige Großstörungen, bei denen es zu einer Netzauftrennung und einem Beinahe-Blackout kam. Die extreme Trockenheit in vielen Ländern und niedrigen Flusspegelständen (Wasser- und Atomkraftwerke benötigen ausreichend Wasser zur Stromerzeugung) sowie die Gaskrise verschärfen die aktuelle Situation.

Kaskadeneffekt

Komplexitätsforscher*innen sind sich einig, dass in komplexen Systemen, wie dem Stromnetz, größere Störungen zu unerwarteten Kaskadeneffekten führen können. Daher kann auch kein einzelnes Ereignis ein Blackout auslösen, sondern immer erst die Kumulation von mehreren an und für sich beherrschbaren Einzelereignissen. Auf Einzelereignisse ist die Branche gut vorbereitet und bewältigt diese auch ohne große öffentliche Wahrnehmung.

Eine Sache, die im schlimmsten Fall des Falles - also einem eingetretenen großflächigen und länger andauernden Stromausfall - extrem hilfreich wäre, wären dezentrale, lokal-regionale Energiezellen, die als Insellösung funktionieren, wenn überall sonst der Strom weg ist. Das empfiehlt etwa der Blackout- und Krisenvorsorgeexperte Herbert Saurugg in einem Positionspapier zu „Blackouts“.

Inselbetrieb mit verschiedenen Energiequellen möglich

„Mit lokalen Energiezellen kann man in einem Störungsfall zumindest eine definierte Notversorgung, etwa Anlaufstellen für die Bevölkerung oder den Weiterbetrieb von Wasser- oder Abwasserpumpen aufrechterhalten“, so Saurugg. Doch was sind solche Energiezellen überhaupt? Gemeint sind damit Photovoltaikanlagen, Kleinwasserkraft- oder Blockheizkraftwerke, die man unabhängig vom Stromnetz starten und betreiben kann. Diese dienen beim selbstorganisierten Netzwiederaufbau als Grundlage, um eine Notversorgung zu betreiben. Zuerst werden Speicher, die mit Energie bevorratet sind, im Eigenbedarf hochgefahren. Dann können sie vorsichtig mit anderen Quellen vernetzt werden. 

Diese seien ergänzend zu Notstromaggregaten sinnvoll, so Saurugg. „Das Problem: die Regulierung lässt derzeit solche Zellen nicht zu, außer man unterwirft sich den ganzen Auflagen eines Energieversorgungsunternehmens, was meist nicht darstellbar ist.“

Am Grünsee wird die Wasserkraft genutzt, um Energie zu speichern

Kärntner Energieversorger rüstet Pumpspeicherkraftwerke für Blackouts

In Kärnten setzt die Alpen Adria Energie (AAE) auf eine „Versorgungskontinuität mit Ausfallsicherheit“, wie sie selbst beschreibt. Der Ökostromlieferant hat dazu Pumpspeicherkraftwerke in Kombination mit 3 Gebirgsstauseen in Betrieb, in denen Sonnen- Wind- und Laufwasserkraft gespeichert und bedarfsgerecht in Strom umgewandelt werden kann. Mit derart großen Stromspeichern kann man die Versorgung selbst in den Wintermonaten für ein paar Tage abdecken, auch bei einem Blackout.

Die Systeme sind so ausgelegt, dass sie ohne Strom aus dem Netz angeworfen werden können. „Zum Hochfahren der Turbinen müssen die Kugelschieber der Druckrohrleitung und die Düsen geöffnet werden. Das geht mit Gleichstrom aus einer größeren Batterie. Sobald Wasser auf das Peltonrad schießt, entsteht schon ab einer gewissen Umdrehung Strom“, erklärt Ingenieur Wilfried Klauss, Eigentümer und Geschäftsführer des AAE-Verteilernetzes der futurezone. Klauss ist seit 44 Jahren im Stromwesen tätig. 

„Man braucht dazu Stauspeicher mit einer entsprechenden Größe, um den Stromverbrauch bis zu einer Woche abdecken zu können“, erklärt Klauss. „Wenn man an einem Wintertag Strom für eine Region energieautark bereitstellen will, muss sehr viel überdeckt sein und man muss starke Kapazitäten haben."

Schwierige Situation, die schwer vorher erprobbar ist

Speziell bei einem Blackout sei es oft sehr viel schwieriger, die Situation autark in den Griff zu bekommen, als viele glauben, so Klauss. „Bei einem Blackout ein autarkes Netz aufzubauen ist eine sehr heikle Situation. Da können viele unerwartete Fehler passieren, weil man das vorher nicht alles proben kann. Man kann daher nur technisch bestmöglich vorsorgen und hoffen, dass im Krisenfall alles funktioniert“, so der Experte.

Konkret müsse man im Krisenfall dafür sorgen, dass „nicht zu viel Variabilität ins System kommt“, so der Experte. „Spannungs- und Frequenzgrenzen müssen eingehalten werden und das ist eine große Herausforderung bei einem Netzwiederaufbau.“ Man müsse daher einzelne Zonen hochfahren und das sei sehr heikel. Aus diesem Grund seien Pumpspeicherkraftwerke und deren Ausbau essenziell. Der Ausbau dieser wäre laut Klauss wichtiger als der rasche Ausbau von Solarkraft- und Windanlagen. Denn ohne entsprechende Puffer und Speicher kann das Stromnetz nicht sicher betrieben werden.

Das Kleinwasserkraftwerk Schoba II  ist Teil der Versorgung in Kärnten im Kötschachtal

Warum es Speicherwasserkraftwerke braucht

„Speicherwasserkraftwerke können via Zuschaltschübe im Ernstfall angepasst werden. Das sorgt dafür, dass nicht zu viel Variabilität entsteht. Diese lassen sich extrem gut für den Aufbau einer Verbindung nutzen“, so der Experte. Das gilt auch für die Region in Kärnten, in der AAE als Energieversorger tätig ist. „Wir können das mit begrenzten Netzregionen als Insellösung betreiben“, sagt Klauss. Zusätzlich zu den 2 bestehenden Wasserspeicherkraftwerken mit großem Speicher werden bei der AAE gerade bei Kleinwasserkraftwerken Kurzzeitspeicher dazu gebaut, so die Auskunft. Diese dienen im Krisenfall nur als kurzzeitige Unterstützung, sind aber für den täglichen Ausgleich von Schwankungen sehr wichtig.

„In der derzeitigen Energiediskussion fehlt generell ein praxisnaher Zugang. Wir brauchen richtige Speicher. In Krisensituationen kommt man mit Kleinstspeichern nicht weit“, so der Experte. „Man könnte auch bei Wasserkraftwerken mit höherem Gefälle einen Kleinwasserspeicher dazubauen, um im Notfall Energie umlagern zu können. Doch an so etwas wird aktuell gar nicht gedacht. Wir machen so etwas schon seit 20 Jahren.“

Durch den übermäßigen und zu raschen Ausbau von Wind- und Photovoltaikanlagen würde die Blackout-Gefahr immens steigen, so Klauss, weil die Netze immer häufiger an ihrer Belastungsgrenze betrieben werden müssen. Außerdem würden Extremwetterereignisse zunehmen, wodurch sich die Wahrscheinlichkeit für Störungen ebenfalls erhöhe.

Wo es Insellösungen gibt und welche in Planung sind

In Österreich gibt es insgesamt noch wenige inselbetriebsfähige Anlagen. Aber es werden mehr. So setzen etwa die Stadtwerke Murau auf Energiezellen mit erneuerbaren Energien wie Wasserkraft und Photovoltaik. In Stubenberg ist der Aufbau einer derartigen Lösung geplant. Beim Wasserverband Thermenland in Stegersbach und beim Innovationszentrum Weiz gibt es so etwas ebenfalls. Die ASFINAG hat eine solche Energiezelle für ihre Verkehrsleitzentrale in Klagenfurt geschaffen.

Neben der Ausrüstung von regionalen Energiebetreibern wäre es auch sinnvoll, Gemeinden mit Notstromaggregaten und inselfähigen Stromerzeugungsanlagen auszurüsten. Beim Gemeindeamt der Gemeinde Burgauberg-Neudauberg ist etwa eine blackoutresistente Photovoltaikanlage in Planung, doch ihr fehlt noch ein entscheidendes Teil: Der wichtige dazugehörige Salzwasserspeicher wurde noch nicht geliefert.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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