Will Page-Interview

Cloud-Musik: "Apple hat die besten Chancen"

Cloud-Musik-Dienste sind stark im Kommen. Welches der drei Technologie-Unternehmen hat Ihrer Meinung nach die besten Karten, sich am Markt durchzusetzen - Google, Apple oder Amazon?
Es ist spannend, bei dem Match zuzusehen. Für August wird die Entscheidung im Rechtsstreit zwischen dem Online-Dienst MP3tunes und EMI erwartet. Google und Amazon wollten mit ihren Services umbedingt online gehen, bevor diese Entscheidung fällt. Dazu hat Google sogar in Kauf genommen, nicht so zu starten wie ursprünglich vorgesehen, sondern mit einer Beta-Version.

dagegen hat sich zurück gelehnt und den zwei Giganten dabei zugesehen, wie sie ihre Produkte präsentieren, aus den Fehlern der anderen gelernt und die Lizenzierungsfragen vor dem Start geklärt. Man sollte auch nicht vergessen, dass Apple in einem Quartal rund 20 Milliarden US-Dollar Umsatz macht. Die gesamte globale Musikindustrie kommt in einem Jahr nur auf 17 Milliarden. Das ist gigantisch.

Also hat Apple die besten Chancen?
Ja, das denke ich. Apple hat ein gutes, strategisches Spiel gespielt. Amazon hat mit der

für 99 Cent allerdings versucht, Marktanteile von Apple zu erlangen. Das war wie ein Thriller zu beobachten. Ich finde allerdings, dass solche Aktionen den Wert von Musik herabsetzen. Apple hat außerdem die Zeit gehabt, von den Google und Amazon-Starts zu lernen.

Wie funktioniert das Abrechnungsmodell bei Online-Cloud-Musikdiensten? Hat man hier als Verwertungsgesellschaft Einblick, welcher Künstler wie oft abgefragt wurde?
Das ist ein noch nicht angetastetes Revier. Apple wird nicht vor Oktober mit seinem Cloud-Musik-Dienst starten. Bei Google gibt es erst die Beta-Version online. Ich glaube aber, dass Daten einen Wert für beide Seiten haben - die Services und die Rechteinhaber. Mit diesen Daten lässt sich heraus finden, welche Inhalte Nutzer abfragen und speichern. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es durch diese Services neue Einblicke über die Nutzung von Musik geben wird. Gerade Amazon und Google sind ja Meister darin, Daten zu sammeln und damit Geld zu verdienen. Aber hier ist ein entscheidender Punkt - Daten sind immer verfügbar, es ist ausschlaggebend wie man damit umgeht.

Österreichische Musik-Start-Ups berichten immer wieder von Problemen bei der Lizenzvergabe, wenn es um die Unterscheidung zwischen Streaming und Downloads geht. Bei Cloud-Musik-Diensten wie Spotify oder Simfy gibt es auch die Möglichkeit des Zwischenspeicherns, so dass man die Songs auch offline hören kann. Ist das dann aus Ihrer Sicht nicht eigentlich schon ein Download?
Es gibt verschiedene Wege, Urheberrecht zu verwerten. Wir beschäftigen uns mit dieser Frage bereits seit zwei Jahren und es ist sehr kompliziert. Hier ist es wichtig, die Perspektive der Konsumenten nicht aus den Augen zu verlieren. Wenn der User auf Musik-Files online zugreifen kann, diese aber auch offline konsumieren kann, kauft er vielleicht mehr Media-Files. Wenn das Handy in den Kanal fällt und die Inhalte dadurch verloren gehen, hat man ein höheres Risiko, als wenn die Inhalte zusätzlich noch in der Cloud gespeichert sind. Diesen Aspekt darf man nicht ignorieren. Es geht schließlich darum, dass der Markt wächst und sich die Dinge ausgleichen.

Sie haben eine Studie durchgeführt, die besagt hat, dass Online-Verkäufe von den großen Hits leben und der Markt keine unerschlossene Goldmine sei. Trifft dies noch immer zu?
Wenn man sich beispielsweise das Line-Up der großen Sommer-Festivals ansieht: Der Haupt-Act kann immer größere Summen verlangen, während für die anderen Bands kaum noch was übrig bleibt. Eine einzelne Band lässt die anderen hinter sich. Dieses "der große Gewinner nimmt alles"-Ding existiert aber nicht nur in der Musikbranche. Bei Büchern werden beispielsweise den Bestseller-Autoren auch immer größere Vorschüsse gezahlt, in der Medienbranche wird immer mehr Geld in bestimmte Formate investiert, bei anderen, weniger beliebten Sendungen wird dagegen eingespart. Das wirft die Frage der Nachhaltigkeit auf - nur einige wenige werden es schaffen.

Worin sehen Sie heutzutage die größten Herausforderungen für Musik-Verwertungsgesellschaften?
Verwertungsgesellschaften haben drei Grundfunktionen: Die Minimierung von Transaktionskosten, die Verhinderung von Fragmentierung und die Lösung der Koordinationsfrage. Hier sehe ich die größte Herausforderung. Auf der einen Seite gibt es mehr Songschreiber, die immer mehr Lieder fabrizieren. Dadurch müssen mehr Daten bewältigt werden. Auf der anderen Seite gibt es immer mehr und immer unterschiedlichere Organisationen, die Musik online anbieten und daran interessiert sind, Lizenzen dafür zu erwerben.

Ein digitales Musikservice, das Millionen von Daten anbietet, hat andere Probleme als eine kommerzielle Radiostation, die 200 verschiedene Songs in einem Monat spielt. Das Ausmaß wächst und das Management von Daten wird seismisch. Die Unternehmen, die Online-Musik anbieten wollen, müssen aber das Urheberrecht respektieren. In England haben wir derzeit mehr als 70 Musik-Services lizenziert - das ist eine große Nummer. Die Menschen haben viel Auswahl an Unternehmen, von denen sie ihre Musik online beziehen können.

Können Sie hier ein Beispiel nennen?
Eines dieser lizenzierten Services ist

. Das ist ein Musik-Dienst für DJs, die ihre Mixes hochladen können und dabei die Informationen zu den einzelnen Tracks bekannt geben. Der Dienst verfügt über Facebook- und Twitter-Verbindungen sowie einen Voting-Mechanismus. Man macht dabei eigentlich nichts anderes als Filesharing - man lädt einen Mix hoch und jeder kann ihn hören. Aber das Service wurde von PRS for Music und PPL lizensiert. Das ist eine unglaubliche Leistung, wenn man sich vor Augen führt, was dieser Dienst eigentlich macht. Man hat sich zusammengesetzt und einen Deal ausgearbeitet. Für uns ist das ein gutes Beispiel, wie weit die Musikindustrie bereits gekommen ist.

Vereinbart man mit derartigen Cloud-Musik-Diensten fixe Pauschalen oder rechnet man pro gestreamten Track oder Mix ab? Was ist hier die gemeinsame Basis?
Über den Mixcloud-Deal selbst kann ich keine Auskünfte geben. Die Frage, die man sich bei derartigen Deals stellen muss, ist: Wie stellt man einen Wert fest, wenn es keinen gibt? Daher muss man bei der Lizenzierungsfrage ein Rezept finden, dass aus einer Umsatzbeteiligung und einem bestimmten Minimalbetrag besteht. Der festgesetzte Minimalbetrag hilft dem Unternehmen, zuerst am Markt Fuß zu fassen. Wenn dann mehr Umsätze erzielt werden, verdient man durch die Umsatzbeteiligung mit. So funktioniert das bei konventionellen Rundfunk-Unternehmen.

In der Online-Welt ist genau das eine Herausforderung, da es am Anfang der Gründung der Dienstes oft kein Geschäftsmodell gibt. Alles, was man zu diesem Zeitpunkt sieht, ist Potential. Es ist sehr schwierig, vorher zu sagen, ob diese Unternehmen dieses Potential auch tatsächlich ausschöpfen werden. Bei Lizenzierungsfragen müssen schließlich beide Parteien zufrieden aus den Verhandlungen gehen.

Die Urheberrechte werden derzeit auf nationaler Ebene organisiert. Die EU will mit der

Richtlinie zur Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte (IPRED)
jetzt verstärkt auf länderübergreifende Lizenzen setzen. Halten Sie dies für eine gute Idee?
Es gibt eine immer größer werdende Lücke zwischen dem Ideal der EU-Kommission und dem der Unternehmensgründer. Diese Lücke bedrückt mich. Wenn ein Online-Dienst wie Spotify glaubt, in Österreich erfolgreich zu sein, wird er starten. Wenn er in Italien Potential sieht, auch dort. Das selbe gilt für Simfy, iTunes, etc. - diese Dienste entscheiden von Land zu Land. Nicht alle davon wollen paneuropäisch werden. Die kommerzielle Realität ist eine andere als die EU-Kommission glaubt. Manche Modelle funktionieren nur in einem Land, die Märkte sind nicht identisch. Es gibt unterschiedliche Sprachen, der Werbemarkt ist nicht derselbe, auch die Preispolitik ist nicht für die ganze EU gleich.

Sie glauben also nicht, dass länderübergreifende Lizenzen den Online-Musik-Unternehmen helfen würden?
Das hängt davon ab, ob ein Unternehmen länderübergreifend agieren möchte oder nicht. Ich glaube, dass nur wenige Unternehmen dieses Ziel haben.

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Zur Person:
Will Page ist Chef-Ökonom bei der britischen Verwertungsgesellschaft PRS for Music. Der in London lebende Schotte studierte an der Universität of Edinburgh Wirtschaftswissenschaften und arbeitete danach eine Zeit lang für eine Regierungseinrichtung, bevor er zu PRS for Music wechselte.

Zur Veranstaltung:
Page war zusammen mit

Dagfinn Bach
bei den Vienna Music Business Research Days zu Gast, die von 8. bis 10. Juni an der Universität für Musik und darstellende Kunst stattgefunden haben.

Page sprach in seinem Vortrag in Wien über "Musik-Download und Streaming aus der Sicht einer Verwertungsgesellschaft".

Die Musikwirtschaftstage in Wien finden einmal jährlich statt. Der Nachbericht dazu (inklusive Fotos, Papers und Video-Streams) kann auf der Website abgerufen werden.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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