© David Kotrba

Luftfahrt

Die Lenker des Flugverkehrs über Österreich

Nach dem Lokalaugenschein in der

sah sich die futurezone an, wo und wie der Flugverkehr in Österreich geregelt wird. Die richtige Stelle dafür nennt sich Air Traffic Control Centre und befindet sich im dritten Wiener Gemeindebezirk. Ein schmuckloses Gebäude beherbergt die Kontrollstelle, von der aus jeglicher Flugverkehr über einer gewissen Seehöhe überwacht und gelenkt wird.

In einem großen Saal mit gedimmten Licht ist das Land in fünf Sektoren aufgeteilt. Für jeden der Sektoren stehen lange Reihen von Arbeitsplätzen zur Verfügung. In Zweierteams sitzen Fluglotsen vor Keyboards, nostalgisch anmutenden Telefonhörern und überragenden Wänden aus Bildschirmen.

Die allgemein ruhige Atmosphäre wird hie und da durch rasche Funksprüche unterbrochen, die in einer eigentümlichen, effizienten und unmissverständlichen Sprache abgefeuert werden. Jeder Funkspruch eines Lotsen muss vom Piloten wiederholt werden, um zu überprüfen, ob er auch tatsächlich verstanden worden ist und befolgt werden kann.

Dreistufige Kontrollorganisation
Der Luftraum über Österreich ist in mehrere Sektoren aufgeteilt, um die Überwachung des Flugverkehrs zu vereinfachen. Drei Arten von Kontrollstellen behandeln verschiedene Abschnitte: Tower, Approach und Area Control Centre. Der Tower als Flugplatzkontrollstelle leitet den Verkehr in der unmittelbaren Umgebung eines Flughafens. Alle landenden, startenden und auf dem Rollfeld fahrenden Flugzeuge werden vom Tower dirigiert.

Um den Kontrollbereich des Towers stülpt sich die Zone, in welcher der Approach das Sagen hat. Die Fluglotsen der Anflugkontrollstelle sind für die Sicherheit der Flugzeuge rund um die sechs österreichischen Flughäfen verantwortlich. Eine der wichtigsten Aufgaben ist etwa das Aneinanderreihen von landenden Flugzeugen.

Die oberste Zone wird vom Area Control Centre überwacht. Das Air Traffic Control Centre ist eine solche Bezirkskontrollstelle. Der Luftraum, der hier im Auge behalten wird, beginnt üblicherweise ab einer Seehöhe von 5.000 Meter. In manchen Bereichen wird die Kontrolle schon ab 4.000 Meter von der darunter operierenden Anflugkontrollstelle übernommen.

Neben dem dreistufig kontrollierten Luftraum gibt es außerdem unkontrollierte Lufträume. In manchen Gebieten können Privatpiloten bis zu einer gewissen Flughöhe frei herumfliegen. "Im Ennstal etwa. Das ist eine typische Rennstrecke", erklärt Martin Pötsch, der Chef des Air Traffic Control Centre: "Je höher es raufgeht, umso restriktiver wird der Luftraum." Weiter oben herrscht mehr Verkehr. Typische Verkehrsmaschinen befinden sich während des Großteils eines Flugs in Höhen zwischen 8.000 und 12.000 Meter.

... in die der österreichische Luftraum eingeteilt ist.

Sektoren und Flugpläne
Auf einer Österreich-Landkarte im Air Traffic Control Centre ist Österreich in fünf Sektoren aufgeteilt. Diese befinden sich allesamt über dem breiteren Ostteil des Landes. Vorarlberg und Tirol sind abgeschnitten. Die Grenzverläufe zu den Nachbarn entsprechen meist nicht den tatsächlichen Staatsgrenzen.

In der Luftraumkontrolle geht es um die optimale Radarabdeckung verschiedener Gebiete und darum, wie bestimmte Flugrouten über dem Land verlaufen. Vorarlberg und Tirol sind für Flieger relativ schmale Landstreifen. Abgesehen von Flügen von und nach Innsbruck kommt es über den westlichen Bundesländern hauptsächlich zu Transitverkehr zwischen Norden und Süden. Deshalb wird der höhere Luftraum vom deutschen Area Control Centre in München aus überwacht.

Umgekehrt verwaltet das Air Traffic Control Centre in Wien verschiedene ausländische Luftgebiete mit, etwa einen Teil von Tschechiens Süden rund um die Stadt Budweis oder den Osten Sloweniens. Die Aufteilung der Kontrollräume nach sinnvollen anstatt rein geografischen Kriterien geschieht im Sinne des Single European Sky, einer Neustrukturierung des europäischen Luftraums.

Eine wichtige Voraussetzung für die Luftverkehrskontrolle in aller Welt stellen Flugpläne dar. Jeder Pilot muss vor seinem Flug einen Plan aufstellen, der die Flugnummer, den Flugzeugtyp, das Ziel, Zeiten und Streckenführung beinhaltet. Der Flugplan wird am Flughafen elektronisch erfasst und an alle Stellen übermittelt, die von dem Flug betroffen sein können.

Mit Ruhe und Konzentration arbeiten einige Fluglotsen an den Bildschirmen.

Elektronischer Arbeitsplatz statt Papierstreifen
Den Fluglotsen stehen diese Daten an ihrem Arbeitsplatz zur Verfügung. Auf einem großen Bildschirm, dem "Air Situation Display", sehen sie genau, was im Luftraum vor sich geht. Durch Daten von mehreren Radarstationen (eine davon hat die futurezone bereits

) entsteht ein synthetisches Radarbild. Jedes Flugzeug ist darauf samt aller Informationen aus dem Flugplan zu sehen.

Sobald ein Flugzeug in den Kontrollbereich eines Fluglotsen kommt, wird es farblich markiert. Auch die auf den Bereich zukommenden Flüge sind klar ersichtlich. Diesen Überblick auf einem Display genießen die Fluglotsen im Air Traffic Control Centre noch nicht sehr lange. Erst Anfang März ging das System "TopSky" in Betrieb. Zuvor erhielten die Fluglotsen alle wichtigen Angaben über einen Flug auf Papierstreifen, die am Arbeitsplatz in Leisten gereiht und schrittweise abgearbeitet wurden.

Eine der Hauptaufgaben des Fluglotsen besteht darin, Mindestabstände einzuhalten. Die so genannte "Staffelung" stellt sich so dar: Jedes Flugzeug muss nach vorne, hinten und seitlich mindestens fünf nautische Meilen bzw. neun Kilometer vom nächsten Flugzeug entfernt sein. Nach oben und unten müssen es mindestens 1.000 Fuß bzw. 300 Meter sein. Der Unterschied liegt daran, dass sich ein Flugzeug schneller horizontal als vertikal bewegen kann.

In mehreren Schichten arbeiten hier pro Tag rund 60 Lotsen. Am Arbeitsplatz dürfen sie maximal eineinhalb Stunden sitzen. Lange Pausen sind Pflicht.

Anpassung an die Verkehrslage
Im Air Traffic Control Centre sind die fünf heimischen Luftraum-Sektoren in nebeneinanderliegenden Arbeitsplätzen repräsentiert. Beim futurezone-Besuch konnte man etwa eines der Fluglotsen-Zweierteams beim Management des Sektors "Nord" - der in etwa Oberösterreich entspricht - beobachten. Je nach Verkehrsaufkommen werden Sektoren in weitere Untersektoren unterteilt. In diesem Fall wird der Sektor Nord etwa in vier kleinere Einheiten aufgeteilt, von denen jede wiederum durch ein Lotsenteam betreut wird.

Für Piloten bedeutet dies, dass sie öfters von einem Lotsen zum nächsten übergeben werden, ihre Funkfrequenz anpassen und mehr Funksprüche tätigen müssen. Die Kapazität des Luftraums wird dadurch jedoch erhöht, Verzögerungen werden so verhindert. Im Air Traffic Control Centre wird dieses Vorgehen "flexible Sektorkonfiguration" genannt. Die Belegschaft an den Arbeitsplätzen variiert dadurch. Zu Stoßzeiten arbeiten mehr Lotsen. Bei wenig Verkehr, etwa während der Nachtstunden, kommt man mit einem Team pro Sektor aus.

Insgesamt arbeiten 120 Fluglotsen im Air Traffic Control Centre. Im 24-Stunden-Betrieb kommen ca. 60 davon zum Einsatz. Dazu kommen pro Tag vier Supervisoren und fünf bis sechs Mitarbeiter, die sich die Koordination des Sichtflugverkehrs über Österreich kümmern. Die Anzahl der Mitarbeiter im Dienst schwankt saisonal. Im Sommer herrscht üblicherweise mehr Flugverkehr, daher bedarf es auch mehr Personal.

Ein ominös erscheinender "Survival"-Knopf dient dem Umschalten auf das Backup-System.

Redundanz zur Sicherheit
Wie in den meisten Bereichen der Luftfahrt, so ist auch im Kontrollzentrum jedes System mehrfach ausgelegt. Das "Air Situation Display" ist etwa redundant ausgelegt. Kommt es zu einem Systemausfall, kann per Knopfdruck ein zweites Radarbild aufgerufen werden. Dazu kommt es so gut wie nie. Aber auch im Notfall müssen die Fluglotsen ihre Verantwortung über das Leben von Piloten und Passagieren wahrnehmen können. Dementsprechend trägt der Umschaft-Knopf die Bezeichnung "Survival" - "Überleben".

Damit auch bei einem Stromausfall die Arbeit fortgesetzt werden kann, besitzt das Air Traffic Control Centre eine unterbrechungsfreie Stromversorgung. Alle Anlagen werden durch Akkus gespeist. Kommt es zu einem Stromausfall, werden zwei Notstromaggregate mit Dieselmotoren aktiviert. Bis diese Strom liefern, überbrücken die Akkus. Mit zwei großen Tanks können die Notstromaggregate bis zu vier Tage lang ohne Nachtanken durchlaufen.

Fällt eines der Notaggregate aus, steht auch noch ein drittes zur Verfügung. Und sollte es das Schicksal selbst mit den Notaggregaten besonders schlecht meinen, können die Radarschirme per Akku immerhin noch drei Stunden lang versorgt werden. Acht Stunden lang funktioniert der Funkverkehr über die Akkus - genug Zeit, um den österreichischen Luftraum zu räumen beziehungsweise alle Maschinen sicher landen zu lassen.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Mobilität, Klimawandel, Energie, Raumfahrt und Astronomie. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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