... sowie drei Verkehrsleiter. Jeder davon überwacht eine der großen Zugverkehrsachsen durch Österreich.
... sowie drei Verkehrsleiter. Jeder davon überwacht eine der großen Zugverkehrsachsen durch Österreich.
© David Kotrba

Verkehr

Echtzeit-Überwachung für 5.000 Gleiskilometer

"Gleich zu Beginn: Hier werden keine Weichen und Signale gestellt", erklärt Roman Sejkora beim futurezone-Besuch in der Verkehrsleitzentrale. "Hier geht es um Koordination, Überwachung, Pünktlichkeit und das Managen von Abweichungen", meint der Chef jener Einrichtung, in der alle Informationen über das 5.000 Kilometer lange Streckennetz der ÖBB Infrastruktur gebündelt werden.

Viele Besucher hätten falsche Vorstellungen davon, was in einer Verkehrsleitzentrale geschieht. Tatsächlich werden in einem schlichten Bürogebäude im zehnten Wiener Gemeindebezirk keine Schalter und Hebel umgelegt, sondern auf großen Bildschirmlandschaften vor allem Diagramme und Statistiken im Auge behalten, die durch ein weitgehend automatisiertes System erstellt werden.

Großraumbüro mit drei Zonen
Die Verkehrsleitzentrale sieht aus wie ein Großraumbüro, das in drei grobe Zonen eingeteilt werden kann. Die vier Arbeitsplätze im Zentrum des Büros haben die großflächigsten Bildschirmwände vor sich. Einer der vier wird vom Netzkoordinator besetzt. Er ist die oberste Instanz des operativen Zugverkehrs in Österreich und für die Qualitätssicherung sowie für die Kommunikation mit den Nachbarbahnen verantwortlich. Seine drei Kollegen, die Verkehrsleiter, müssen den Überblick über die drei großen Verkehrsachsen des Landes behalten: Ost-West, Nord-Süd und Tirol-Vorarlberg.

Ein weiterer Bürobereich ist für Mitarbeiter der verschiedenen Zugunternehmen, sowie dem Zugbegleiter-Infomanager (dazu später) reserviert. Die räumliche Nähe zur obersten Verkehrsleitung soll die schnellstmögliche Reaktionsfähigkeit für alle Beteiligten im Zugverkehr gewährleisten. So können im Abweichungsfall rasch Ersatzmaßnahmen erarbeitet und die Auswirkungen auf die Bahnkunden somit gering gehalten werden. Im dritten Bürobereich arbeitet die Produktion. Diese Abteilung ist dafür verantwortlich, dass jeder Zug mit der richtigen Lokomotive ausgestattet ist.

Automatisierte Verkehrsregelung
Die ÖBB arbeiten mit einem Verkehrsleitsystem namens ARAMIS. Die Bezeichnung steht für Advanced Railway Automation, Management and Information System. Dieses Computerprogramm überwacht Signale, ortet die Züge, zeigt Gleisfreigaben, Bauarbeiten und Fahrtbehinderungen in einem dynamischen Modell. Das System lenkt jeden einzelnen Zug über definierte Fahrwege durch das Streckennetz. Auch die Kundeninformationssysteme werden von dieser Technik angesteuert.

Die Grundlage für ARAMIS bildet der Jahresfahrplan. Einmal jährlich, im Dezember, wird dieser aktualisiert und in das System eingepflegt. Europaweit geschieht dies gleichzeitig. Die Fahrpläne aller Staaten werden gemeinsam im Train Information System (TIS) verwaltet.

Überregionale Überwachung
Bei der Regelung des Zugverkehres baut die ÖBB auf zwei Ebenen: In den regionalen Betriebsführungszentralen werden Zug- und Verschubfahrten abgewickelt, die Züge gelenkt. Hier werden die Weichen und Signale gestellt und die Kunden über die Verkehrsabwicklung informiert. In der übergeordneten und für ganz Österreich zuständigen Verkehrsleitzentrale wird die Verkehrsabwicklung überwacht und der Zugverkehr über das gesamte Streckennetz koordiniert.

Die  fünf Betriebsführungszentralen in Wien, Linz, Salzburg, Innsbruck und Villach teilen sich die regionale Zuständigkeit im Land auf. Sie sind der Arbeitsplatz für so genannte Zuglenker, die jeweils größere Streckenabschnitte überwachen. Stelbst Weichen stellen müssen sie im Normalfall nicht, das erledigt ARAMIS. Kommt es jedoch zu kurzfristigen Planungsänderungen müssen die Zuglenker samt ihnen zur Seite gestellten Spezialisten den Zugverkehr mittels ferngesteuerter Signale lenken.

Die Verkehrsleiter in der Verkehrsleitzentrale dagegen koordinieren mehrere, von Zuglenkern gesteuerte, Streckenabschnitte.  Sie berücksichtigen dabei den gesamten Verkehrsfluss quer durch Österreich und blicken dabei auch weit über die Landesgrenzen hinaus. Ein Verkehrsleiter weiß etwa schon lange, bevor ein aus Deutschland nach Wien fahrender Zug die Grenze überquert, ob dieser seinen Fahrplan einhalten kann und pünktlich seinen Zielbahnhof erreichen wird.

Kommunikation
Das Um und Auf bei der Überwachung des Zugverkehrs sind funktionierende Kommunikationswege. Die Verkehrsleitzentrale steht deshalb mit Vertretern aller 28 Zugunternehmen in Österreich in Kontakt. Einige davon nehmen das Angebot eines eigenen Arbeitsplatzes innerhalb der Verkehrsleitzentrale in Anspruch. Unter anderem ermöglicht ein Vertreter der Westbahn ein rasches gemeinsames Vorgehen im Störungsfall.

Eine eigene Stelle innerhalb der Verkehrsleitzentrale wird vom Zugbegleiter-Infomanager (ZIM) der ÖBB Personenverkehrs AG besetzt. Er kommuniziert direkt mit Lokführern und Zugbegleitern, damit diese über Störfälle informiert sind und Informationen an die Fahrgäste weitergeben können. Mit Zugbegleitern und Lokführern telefoniert der ZIM direkt über das normale Mobilfunknetz. Zusätzlich erhalten die Lokführer Informationen aus den Betriebsführungszentralen über GSM-R Zugfunk.

Kundeninformation
Beim Besuch in der Verkehrsleitzentrale betont Roman Sejkora oftmals, welchen Stellenwert die Kundeninformation für die ÖBB hat. In den fünf Betriebsführungszentralen sind eigene Angestellte dafür im Einsatz. "Der Fahrdienstleiter Kundeninformation ist ein neues Berufsbild, das heutzutage immer wichtiger wird", meint Sejkora. Hervorgegangen ist dieses Berufsbild aus einem Pilotprojekt, das vor vielen Jahren durchgeführt wurde, um die Fahrgäste der Wiener Schnellbahnen über Bauarbeiten und Störungen am Laufenden zu halten.

Heute ist der Kundeninformationsfahrdienstleiter unter anderem für die Steuerung des Automatischen Reisenden-Informationssystems (AURIS) verantwortlich. Die Verkehrsleitzentrale übernimmt die überregionale Kundeninformation, etwa wenn ganze Gleisstrecken gesperrt sind. Mit Störtrainings und eigenen Workshops zur Kundeninformation erfolgt die Vorbereitung auf Ernstfälle.

Um Fahrgäste möglichst früh auf mögliche Verkehrsbehinderungen aufmerksam zu machen, kooperiert die ÖBB Infrastruktur eng mit Radiosendern. Bei Ö3 ist dem Netzbetreiber eine eigene Sparte innerhalb der Verkehrsnachrichten gewidmet, die für Live-Meldungen verwendet werden kann. Ö3 gibt die Meldungen an alle ORF-Landesstudios weiter. Daneben werden aber auch Privatsender direkt mit Informationen aus der Verkehrsleitzentrale versorgt.

Notfallkoordination
Kommt es zu einem Unfall oder einer anderen kurzfristigen Betriebsstörung, treten innerhalb der Betriebsführungszentralen spezielle Notfallkoordinatoren in Aktion. Sie sind dafür zuständig, jegliche Störfälle im Zugverkehr, von technischen Pannen bis hin zu medizinischen Notfällen, zu analysieren und Lösungsstrategien zu entwickeln. Solche Fälle treten nicht nur gelegentlich auf. "In Wien, Niederösterreich und in den Ballungsräumen der Bundesländer ist der Verkehr besonders dicht. Da passiert immer etwas", erklärt Sejkora.

Wie als Bestätigung dafür kommt es auch beim futurezone-Besuch in der Verkehrsleitzentrale zu einem Zwischenfall. "In Korneuburg gibt es einen Polizeieinsatz", lautet die Botschaft des Verkehrsleiters nach einem Telefonat. "Die Strecke muss für 10 Minuten gesperrt werden." Die Nachricht verbreitet sich schnell im Büroraum. Besondere Unruhe kommt deswegen nicht auf. "Business as usual" in der Verkehrsleitzentrale.

Demnächst wird die futurezone einen weiteren Brennpunkt der Verkehrsüberwachung in Österreich besuchen. Dann erfahren Sie mehr darüber, was in einem Air Traffic Control Center so passiert.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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