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Cloud-Musik

"Einen Song um die Welt schicken, ist verrückt"

Sie waren damals bei der Entwicklung des ersten MP3-Players für PCs im Jahr 1993 dabei. Wie ist es dazu gekommen?
Das Fraunhofer Institut hat den MPEG-3-Algorithmus bereits 1988 entwickelt, hat ihn damals aber nur dazu verwendet, um Musik zwischen den einzelnen Radiostationen zu transferieren. Wir haben das Team kontaktiert und wollten verschiedene Szenarien ausprobieren. Es folgten dreijährige Tests in Norwegen, unter anderem auch mit Plattenfirmen.

1993 kam dann der Pentium 90-Prozessor von Intel auf den Markt. Dieser Prozessor war der erste, der stark genug war, um MP3s decoden zu können. Davor war es technisch nicht möglich, einen MP3-Player für PCs zu machen. Wir haben dann mit dem Fraunhofer Institut eine Partnerschaft abgeschlossen, um den ersten MP3-Player für PCs zu entwickeln.

Wofür wurde der MP3-Player eingesetzt?
Zuerst wurde er für Bibliotheken konzipiert. Danach haben wir ihn für das erste europäische Musik-Online-Service mit dem Namen "Music On Demand" genutzt, das war 1995. Das Projekt lief zwei Jahre lang in sechs Ländern. Dabei konnte man 20.000 Songs runterladen.

Der MP3-Player wurde in Folge aber auch dazu verwendet, die Songs der Finalisten des Eurovision Song Contests im Netz abrufbar zu machen. Das ist heutzutage natürlich Standard, damals war es bahnbrechend. Danach ist die Entwicklung recht schnell voran geschritten.

Haben Sie damals bereits geahnt, dass die MP3 so erfolgreich wird?
Ich habe immer daran geglaubt, weil es sich um einen offenen Standard handelt. Damals haben die Leute Fraunhofer deswegen für verrückt gehalten, doch jetzt lacht keiner mehr von denen. Sicher gab es zahlreiche andere Audio-Player, aber die waren proprietär. Die MP3 wurden sehr schnell angenommen - und ist nach wie vor das beliebteste Audio-Format im Netz. Das ist sehr rar in der IT-Branche, dass eine Technologie, die vor mehr als 20 Jahren entwickelt wurde, den Markt noch immer dominiert. Das ist sehr beeindruckend.

Immer mehr Anbieter setzen auf Musik-Dienste in der Cloud, User "besitzen" dann bald keine MP3-Files mehr, die sie von ihren Rechnern abspielen. Könnte sich dieser Erfolg durch die Entwicklung hin zu Musik-Streaming nicht bald ändern?
Ich finde es aus ökologischen Gründen erschreckend, wenn man künftig seine eigene Musik-Bibliothek nur noch als Stream abruft, weil man seine Musik in die Cloud auslagert. Es braucht immens viel Energie, um ein Musikfile von einem Server aus den USA nach Europa zu übertragen. Der Transportweg frisst Energie, ebenso wie das Streamen am Laptop oder Smartphone.

Es macht nicht viel Sinn, seine Musikfiles permanent um die ganze Welt zu schicken, um diese hören zu können. Daher glaube ich, dass sich langfristig der Download durchsetzen wird. Die Speicherpreise werden immer billiger, auch für Smartphones, also sehe ich den Sinn dieser Entwicklung nicht. Das Einzige, was den Download davon abhalten könnte, am Ende als Gewinner dazustehen, ist es, wenn man weiterhin pro Track bezahlen muss.

Das heißt, Sie sprechen sich für ein Abo-Modell für Musik aus?
Ich denke, dass sich das auf lange Sicht durchsetzen wird. Dienste wie Spotify oder Simfy haben bereits vorgezeigt, wie es geht. Sicher nennen sie sich derzeit "Streaming Service", aber in Wahrheit bieten sie auch Downloads an, weil die Files temporär zwischengespeichert werden. Wenn man einen Song daher mehrmals hört, wird dieser nicht noch einmal transportiert, sondern befindet sich bereits im Cache des Geräts. Dadurch lassen sich die Songs auch offline hören. Das ist für mich kein "klassisches Streaming" mehr und ist umweltfreundlicher als klassisches Filesharing. Solange man solche Services für eine fixe Summe pro Monat nutzen kann, werden klassische Cloud-Musik-Dienste nicht lange existieren.

Spotify ist daher Ihrer Ansicht nach auch ökologisch vertretbar, das Angebot des Cloud Players von Google nicht?
Aus der Umweltperspektive macht es einen Unterschied, ob man eine Cache-Lösung anbietet oder nicht. Einen Film in normaler Länge zu streamen kostet etwa genauso viel Energie, wie wenn man diesen auf DVD per Post verschicken würde. Wenn man ihn das zweite Mal abspielt, hat man bereits mehr Energie verbraucht. Mit der Musik ist das ähnlich, denn man spielt einen Song ja normalerweise mehr als einmal ab. Warum sollte man diesen um die ganze Welt schicken, wenn man ihn hören will? Das ist verrückt.

Dienste wie Spotify oder Simfy sind aber auch noch aus einem anderen Grund sehr wichtig. Sie werden zu einer guten Alternative für Filesharer. Die Zahl der Filesharer ist in Norwegen dramatisch zurückgegangen, seit es Spotify gibt. Und Filesharer sind die größten Umweltsünder, weil sie nach einem Song suchen, sich aber hunderte runterladen.

Spotify und Simfy sollen wirklich Alternativen für Filesharer sein?
Ja. Viele Filesharer zahlen eine monatliche Lizenzgebühr für eine Software, um damit ihre IP-Adresse zu verstecken. Oder sie zahlen höhere Gebühren an die Telekom-Unternehmen für den Traffic, den sie generieren. Die Telekom-Unternehmen sind aber nur "blinde Passagiere" im Musik-Geschäft, die mit den Filesharern Profit machen. Wenn die Filesharer sehen, dass bei Spotify oder Simfy der Künstler etwas von den monatlichen Abo-Gebühren hat und die Services gleichzeitig auch noch umweltfreundlich sind, glaube ich, dass viele bereit sind, ihre Gewohnheiten zu ändern.

Bringen diese Dienste wirklich Vorteile für die Künstler mit sich?
Langfristig betrachtet ja. In Norwegen sind die Einnahmen, die Künstler durch Spotify erzielt haben, in den letzten zwei Jahren enorm gestiegen und die Entwicklung zeigt weiter steil nach oben. In Norwegen hat Spotify bereits den Fuß in der Tür, um auch die Filesharer für sich zu gewinnen.

Mehr zum Thema

Zur Person:
Der Norweger Dagfinn Bach ist ein Vorreiter im Bereich der Online-Musik. Er war 1993 an der Entwicklung des ersten MP3-Players für PCs beteiligt. Zudem führte Bach diverse Studien über die Zukunft des Online-Musikvertriebs durch. 2007 gründete er Bach Technology AS. Daraus entstand das Produkt MusicDNA, das Musik-Files mit Metadaten anreichern soll. Das Musik-File wird dadurch wertvoller. So können die Playlists etwa nach Musikstücken mit bestimmten Elementen wie Gitarren oder Tempo durchsucht werden, oder die Lyrics direkt im Musik-File abgerufen werden.

Zur Veranstaltung:
Bach war bei den Vienna Music Business Research Days zu Gast, die von 8. bis 10. Juni an der Universität für Musik und darstellende Kunst stattgefunden haben. Bach sprach in seinem Vortrag in Wien über "Musik-Identifizierung und die Zukunft der Musik-Distribution". Die Musikwirtschaftstage in Wien finden einmal jährlich statt.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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