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Digital Life

Essstörung-Hotline bildet Betriebsrat, wird durch Chatbot ersetzt

Die US-amerikanische National Eating Disorders Association (NEDA) hat 20 Jahre lang eine Telefon-Hotline betrieben, bei der von Essstörungen Betroffene um Rat fragen konnten. Die Hotline wurde von 4 Vollzeitangestellten und bis zu 200 Freiwilligen betrieben. Weil die Arbeitsbelastung zugenommen hat, die Belegschaft aber nicht aufgestockt wurde, haben die Mitarbeiter*innen einen Betriebsrat gegründet. Ihr Versuch, sich gewerkschaftlich zu organisieren, wurde von der NEDA mit Kündigungen beantwortet. Sämtliche menschlichen Mitarbeiter*innen sollen nun durch einen Chatbot ersetzt werden.

Ausreichende Ausstattung gefordert

Laut der Organisation war der Schritt, einen Chatbot namens Tessa statt Menschen zu verwenden, die  Anfragen von besorgten und verunsicherten Anrufer*innen bearbeiteten, schon seit Langem geplant. Die Angestellten wehren sich gegen diese Darstellung. "Wir baten um die Anstellung einer ausreichenden Menge an Mitarbeiter*innen und fortlaufendes Training, um mit unserer wachsenden Hotline mithalten zu können und wir baten um Möglichkeiten, innerhalb von NEDA aufsteigen zu können. Wir baten nicht einmal um mehr Geld", erzählt eine Mitarbeiterin NPR.

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Chatbot kosteneffizient und leicht zugänglich

Vier Tage, nachdem Ergebnisse einer Betriebsratswahl bekanntgegeben worden waren, bekamen alle Mitarbeiter*innen Kündigungen. Der Chatbot Tessa ist bei der NEDA bereits seit Februar 2022 in Betrieb. Er wurde von einem Team der Washington University Medical School gebaut und seit 2021 ausgiebig getestet. Die Entwickler*innen sehen den Chatbot als kosteneffiziente, leicht zugängliche und nicht-stigmatisierende Option für die Prävention und Intervention bei Essstörungen, wie Vice berichtet.

Persönliche Erfahrung als Vorteil

Die Mitarbeiter*innen der Hotline glauben nicht daran, dass ein Chatbot in jedem Fall hilfreich ist. Der persönliche Aspekt gehe durch den exklusiven Einsatz verloren. "Einige von uns haben selbst an Essstörungen gelitten und uns davon erholt. Wir bringen diese Erfahrung mit in unseren Beruf." Persönliche Gespräche seien in der Vergangenheit nie abgelehnt worden: "Niemand hat gesagt: 'Oh, verdammt. Du bist ein echter Mensch. Na dann, tschüss.' Es ist etwas Spezielles, sich mit einer anderen Person auszutauschen, die echte Erfahrungen damit hat."

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