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Digital Life

Jeder Dritte Österreicher bangt wegen ChatGPT um seinen Job

Er beantwortet Fragen, schreibt Texte und kann Computerprogramme verfassen. Seit die Entwicklerfirma OpenAI Ende November vergangenen Jahres ihren auf künstlicher Intelligenz (KI) basierenden Chatbot ChatGPT für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat, sind die Nutzerzahlen explodiert. Mehr als 100 Millionen Leute weltweit greifen auf das System zurück. Auch 18 Prozent, also rund ein Fünftel der Österreicher*innen, nutzen den Chatbot bereits, wie eine von der Unternehmensberatung PwC in Auftrag gegebene repräsentative Umfrage (1.001 Befragte) des Meinungsforschungsinstituts Marketagent ergab.

"Keine andere technologische Anwendung hat in so kurzer Zeit so viele Leute erreicht", sagt Andreas Hladky, Leiter des Bereichs Digital Consulting bei dem Beratungsunternehmen. Künstliche Intelligenz sei zwar bereits Bestandteil vieler Anwendungen, mit ChatGPT könne sie aber jeder ausprobieren und konkret sehen, was möglich sei.

 

Wer ChatGPT nutzt

Ängste

Hervorgerufen hat das bei der heimischen Bevölkerung vor allem Ängste. Mehr als zwei Drittel haben wenig Vertrauen in KI-Anwendungen und empfinden den zunehmenden Einsatz als beunruhigend. 37 Prozent sehen ihren Arbeitsplatz durch die künstliche Intelligenz in Gefahr. Bei den 12- bis 28-Jährigen ist es sogar die Hälfte.

Muss man sich tatsächlich um den Arbeitsplatz fürchten? Künstliche Intelligenz könne keine Menschen, sehr wohl aber Aufgaben ersetzen, sagt Hladky. Davon seien alle Jobs betroffen, bei denen es monotone Tätigkeiten gebe, die mit Text- oder Bilderkennung zu tun haben. Da könne sehr viel automatisiert werden. Berufsbilder und Rollen, die wir heute kennen, werde es künftig vielleicht nicht mehr geben.

Der Arbeitsmarkt sei leergefegt, die Leute würden andere Tätigkeiten übernehmen, sagt Hladky: "Wenn wir 50 Prozent Arbeitslosigkeit hätten, wäre das ein Problem. Derzeit brechen aber viele Systeme zusammen, weil viele Menschen in ihrem Job überlastet sind. Ich sehe künstliche Intelligenz eher als Entlastung."

Fast 80 Prozent sind besorgt, dass KI-Anwendungen verstärkt für kriminelle Zwecke, etwa Betrug, eingesetzt werden könnte. Mehr als drei Viertel der Befragten befürchten, dass sie von ChatGPT falsche Informationen erhalten. 65 Prozent sorgen sich, dass die KI in fernerer Zukunft sogar unkontrollierbar werden könnte.

ChatGPT Ängste und Sorgen

Übersetzungen und Liebesbriefe

Wofür wird ChatGPT aber heute von den Österreicher*innen bereits konkret eingesetzt? Drei Viertel nutzen den Chatbot, um fremdsprachige Texte zu übersetzen bzw. zu verfassen. Fast genau so viele verwenden das System für Suchanfragen. Etwas mehr als 60 Prozent lassen sich von ChatGPT Witze erzählen oder etwa Partyeinladungen erstellen. Fast ein Drittel nutzt ihn zum Verfassen von Liebesgrüßen oder will das zumindest tun. Mehr als die Hälfte der Nutzer verwendet ihn bereits für berufliche Texte.

Auch an den Schulen kommt der Chatbot zum Einsatz. Als virtuelle/r Lehrer*in, der/die Zusammenhänge und Sachverhalte erklärt (57 Prozent). Aber auch um Hausübungen und Referate zu verfassen (37 Prozent). Rund ein Drittel setzt ihn laut der Umfrage zum "Schummeln" ein.

Fast zwei Drittel (64 Prozent) fordern, wohl auch deshalb, dass der ChatBot an Österreichs Schulen und Universitäten verboten werden soll. Der Ruf nach Verboten sei immer der erste Reflex, sagt Hladky: "Das ist aber keine gute Idee." ChatGPT sei ein Werkzeug, ähnlich wie der Taschenrechner. Früher seien Lehrer auch wegen des Einsatzes des Taschenrechners auf die Straße gegangen, weil sie befürchteten, dass Schüler nicht mehr rechnen müssen. Verhindert werden konnte er nicht.

Viel sinnvoller sei es, sich mit der künstlichen Intelligenz auseinanderzusetzen, um dann bessere Hausaufgaben zu machen. Das Bildungssystem müsse aufwachen und realisieren, dass wir in einer digitalen Welt leben, meint der Berater. "Technologie spielt in allen Lebensbereichen eine wichtige Rolle. Wir müssen unsere Kinder von der Volksschule an digital kompetent ausbilden, was Medienkonsum, die Technologien und die großen Player betrifft. Sonst drohen wir zum Billiglohnland zu werden."

Ist der Ruf nach Verboten eine typische österreichische Reaktion oder gibt es auch in anderen Ländern ähnliche Tendenzen? Die Sorge, dass Dinge aus dem Ruder geraten können, gebe es auch in anderen Ländern, sagt Hladky. Dass auf Neues oft mit Ablehnung reagiert werde, sei im Menschen verankert. Dadurch bestehe aber auch die Gefahr, dass Entwicklungen verschlafen würden.

Mit dem Internet vergleichbar

ChatGPT sei sicherlich ein Meilenstein. Allerdings sei das System erst eine frühe Version und alles andere als perfekt. Künstliche Intelligenz sei in ihrer Bedeutung durchaus mit der des Internets zu vergleichen, meint Hladky. Auch um das Netz gab Ende der 1990er-Jahre einen Hype, der mit dem Dotcom-Crash Anfang des Jahrtausends ein jähes Ende fand. "Heute kaufen alle online ein und nutzen die Apps und Dienste. Wir neigen immer dazu, die Auswirkungen von Technologien kurzfristig zu überschätzen und langfristig zu unterschätzen."

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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