© rts

re:publica 2016

"Facebook unterdrückt Minderheiten"

Der Blogger Hossein Derakhshan war im Iran sechs Jahre lang aus politischen Gründen inhaftiert. Zuvor hatte er sich in der iranischen Bloggerszene einen Namen gemacht und galt später auch als “The Blogfather”, als er 2014 wieder aus dem Gefängnis freigelassen wurde. In dieser Zeit hatte sich das Internet massiv verändert, wie er in seinem Vortrag erzählt. Facebook kam auf und ist mittlerweile dominanter denn je, was Derakhshan kritisiert: “Facebook ist zentralisiert und limitiert.”

Der Algorithmus und die Auswahl, die er trifft, sorgen teilweise auch für gesellschaftliche Probleme. “Der Facebook-Algorithmus unterdrückt Minderheiten. Wenn es nicht populär ist, taucht es nicht den Newsfeeds von Leuten auf”, so Derakhshan.

Likes statt Links

Eines der Hauptprobleme sei, dass Facebook mit Hyperlinks arbeitet, sie sogar teilweise limitiert. In der Zeit vor Facebook waren Hyperlinks eine Art Währung. “In den Zeiten der Blogs haben wir viel diskutiert, das wäre ohne Hyperlinks nicht möglich gewesen. Blogger mit vielen Links galten als reich”, so Derakhshan. “Statt den Links haben wir jetzt Likes, statt Denken haben wir jetzt eine Reality Show” kritisiert er das Prinzip von Social Media. Plattformen wie Instagram gehen noch einen Schritt weiter und lassen Links überhaupt nicht mehr zu.

Facebook erzeuge eine neue Art Linearität, wie man sie bislang nur vom Fernsehen kannte. “Die dominierenden sozialen Werte sind Aktualität und Popularität und außerdem die gesellschaftliche Obsession mit Prominenten”, so Derakhshan. “Wir erleben eine Verschiebung vom Bibliotheks-Internet zu einem TV-Internet.”

“Es ist geschlossen und selbstreferenziell. Das ist kein Ort für kritisches Denken und Debattieren.” Darin sieht Derakhshan auch den Grund, warum politische Revolutionen auf Basis von Facebook oder Twitter kollabiert sind.

Die zunehmende Verschiebung von Text hin zu Videos sieht Derakhshan als eine der deutlichsten Zeichen in diese Richtung. Auch Facebooks Live-Streaming-Funktion, die vor kurzem eingeführt wurde, passe hier perfekt ins Bild.

Sich wehren

Derakhshan glaubt jedoch sehr wohl daran, dass man den Trend noch umkehren könne. “Wir müssen intervenieren, damit neue Algorithmen geschaffen werden.” Außerdem sollen App-Entwickler dazu gebracht werden, neue Apps zu kreieren, die kritisches Denken und Debatte fördern und initiieren, anstatt sie durch lineares Konsumieren zu ersetzen.

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Thomas Prenner

ThPrenner

Beschäftigt sich mit Dingen, die man täglich nutzt. Möchte Altes mit Neuem verbinden. Mag Streaming genauso gern wie seine Schallplatten. Fotografiert am liebsten auf Film, meistens aber mit dem Smartphone.

mehr lesen
Thomas Prenner

Kommentare