Überwachung

Geheimniskrämerei um Swift-Kontrolleur

Seit Wochen hält die EU-Kommission den Namen des Mannes oder der Frau hartnäckig geheim, der/die darüber bestimmt, welche europäischen Bankdaten im Rahmen eines neuen Abkommens namens "Terrorist Finance Tracking Programme" für die Terrorismusbekämpfung an das amerikanische FBI, den CIA und zahlreiche weitere Sicherheitsbehörden geliefert werden. Vor dem Abkommen übermittelte der Finanzdienstleister SWIFT jedes Jahr schätzungsweise 20 Mio. Bankdaten an die US-Behörden.

Der SWIFT-Kontrolleur ist die zentrale Person, die dem SWIFT-Abkommen Leben einhauchen soll. Noch wurde sie nicht auf ihren Posten berufen. Der Auswahlprozess läuft derzeit, bis Mitte September konnten sich die Anwärter bewerben. In der Zwischenzeit werden die Daten bereits an die amerikanischen Sicherheitsbehörden geliefert. Ein nicht näher benannter vorläufiger Kontrolleur sorgt zurzeit in Washington dafür, dass nicht zu viele Daten über den Atlantik geliefert werden. Die EU-Kommission hatte ihn am 27. August auf seinen Posten berufen.

Das Phantom

Der SWIFT-Kontrolleur überwacht täglich, zu welchen Daten der Swift-Datenbank die Amerikaner Zugang erhalten und welche sie abrufen. Er entscheidet auch darüber, welche Suchanfragen blockiert werden, wenn die Suche nach einer bestimmten Person auf unzureichenden Beweisen beruht. Dabei wird er "verifizieren" müssen, ob es eine ausreichende Verbindung zwischen der Suche nach einer Person und einem konkreten Terrorfall gibt. Ohne einen Zugang zu den Daten der US-Sicherheitsbehörden ist all dies jedoch nicht möglich. Eine Voraussetzung für diesen Job ist denn auch, dass der SWIFT-Beauftragte eine Sicherheitsprüfung der USA bestanden hat.

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Jerzy Buzek, seines Zeichens Präsident des Europäischen Parlaments, fragte bereits im Juli bei Kommissionspräsident José Manuel Barroso nach, wann die Kommission gedenke, dem Parlament drei Kandidaten zu präsentieren. Nach sechs Wochen erfolgte die Antwort Barrosos: Man werde das Parlament über den Auswahlprozess am Laufenden halten. So werde Cecilia Malmström, die Kommissarin für Inneres, den Justizausschuss über den Vorgang unterrichten. Auch werde sie eine Liste mit Kandidaten sowie den Namen der erwählten Person übermitteln. Allerdings müsste "in Rücksicht auf die Sensibilität der Angelegenheit" der Namen dieser Person "aus Sicherheitsgründen" und aus Gründen des Vertraulichkeitsschutzes vertraulich bleiben.

Geheimniskrämerei

Auch der Name des vorläufigen SWIFT-Kontrolleurs ist unbekannt und soll aus "Sicherheitsgründen" geheim gehalten werden. Die Parlamentsabgeordneten Sophia In’t Veld, Alexander Alvaro, Renate Weber, Sonia Alfano, Giannie Vattimo, Sarah Ludford und Louis Michel wollten deshalb von der Kommission wissen, auf welcher rechtlichen Grundlage sie dies entschieden hat und ob für eine solche Entscheidung bereits einen Präzedenzfall gibt. Die Antwort steht noch aus.

Der Swift-Aufseher wird jedenfalls nach denselben Regeln wie der Europäische Datenschutzbeauftragte berufen - außerdem soll er "unabhängig" sein. Weil einige Teile des Swift-Abkommens durch Europol abgehandelt werden, die jedoch keine Justiz-, sondern Strafverfolgungseinrichtung ist, glauben viele Bürgerrechtsgruppen, dass die Unabhängigkeit des künftigen Kontrolleurs besonders wichtig ist. Der SWIFT-Kontrolleur ist jedenfalls der Flaschenhals, durch den alle Bankdaten, die US-Sicherheits- und Geheimdienste verlangen, gehen müssen. Ob er jedoch überhaupt in der Lage ist, die Notwendigkeit des Datentransfers objektiv zu beurteilen, ist fraglich.

Aufgeblähtes "Top Secret USA"

Die "Washington Post" fand jetzt nach zwei Jahren Recherche für ihr Projekt "Top Secret USA" heraus, dass der Sicherheitsapparat im Zuge der Terrorismusbekämpfung derart aufgebläht ist, dass selbst hochrangige Personen einräumen müssen, längst jeden Übersicht verloren zu haben. So sind 51 staatliche Stellen und Militärkommandos damit beschäftigt, Geldbewegungen von und zu terroristischen Netzwerken zu verfolgen. Sie sind es, die mit den europäischen Bankdaten umgehen werden - und ihnen steht ein einziger Kontrolleur gegenüber.

Insgesamt arbeiten derzeit an etwa 10.000 Orten in den USA 1.271 staatliche Organisationen und 1.931 Privatunternehmen an diversen Programmen für Terrorismusbekämpfung, Heimatschutz und Spionage. Dabei verfolgen viele Sicherheits- und Nachrichtendienste dieselben Aufgaben. Sie produzieren jährlich rund 50.000 Geheimdienstberichte, wobei viele aufgrund der schieren Masse ignoriert werden. Im Gespräch mit der "Washington Post" stellte der pensionierte Generalleutnant der US-Armee John R. Vines fest, dass er keine Einrichtung kenne, "die verantwortlich, befugt oder auch nur in der Lage wäre, all die Vorgänge zwischen den verschiedenen Behörden und Unternehmen zu koordinieren." Die Komplexität des Systems spotte jeder Beschreibung.

Für europäische Verhältnisse ist jedenfalls die Geheimniskrämerei der EU-Kommission ungewöhnlich. Sie steht eher für eine inzwischen längst überholte Tradition der Briten. Bis 1994 leugneten sie sogar die Existenz ihres Auslandsgeheimdienstes MI6. Deren Chefs waren lange Zeit nur unter ihren Codenamen bekannt. Geheim hielten sie auch die Gebäude, in denen die Spione residierten. Allerdings ging es hier um die Aufklärung militärischer Geheimnisse und nicht um eine Datenkontrolle im Sinne der Bürger, wie sie der künftige SWIFT-Kontrolleur vornehmen muss. Die Auffassung des Parlaments, dass gerade Transparenz das Gebot der Stunde ist, scheint sich aber in der Kommission noch nicht herumgesprochen zu haben.

(Christiane Schulzki-Haddouti)

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