Links: Alexander Wilhelm, rechts: Jürgen Hagler
Links: Alexander Wilhelm, rechts: Jürgen Hagler
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Expanded Animation

“Gut Animieren ist genauso schwer wie in den 20er-Jahren”

Computeranimation ist schon seit den 80er-Jahren ein wichtiger Bestandteil des “Ars Electronica”-Festivals in Linz. Seit 2013 veranstalten Experten vom Campus Hagenberg der FH Oberösterreich auch das “Expanded Animation”-Symposium, das sich speziell mit den Randgebieten der Computeranimation beschäftigt. “Heute kann zum Beispiel ein programmierter Roboter, der es erlaubt, jedes Bild eines Videos nach Wunsch durchzukomponieren, Teil eines Animationsprojektes sein. Auch Rapid Prototyping, etwa für Stop-Motion-Filme, erlaubt neue Ansätze”, sagt Alexander Wilhelm, Lehrender am Department Digitale Medien der FH Oberösterreich im futurezone-Interview. Was den Inhalt angeht, sind ebenfalls keine Grenzen vorgegeben. “Animation brauchen nicht unbedingt ein narratives Element. Die Erscheinungsformen sind vielfältiger denn je. Der Animationsfilm ist zwar eine dominante, aber nur noch eine Form von vielen.”, sagt FH-Professor für Animation und Video Jürgen Hagler, der das Symposium kuratiert.

Das Schwerpunktthema des Expanded Animation Symposiums 2016, das unter dem Motto “The Alchemy of Animation” stand, ist heuer die Schnittstelle zwischen Animation und Technologie. In Wissenschaft, Technik und Industrie spielen Computeranimationen eine zunehmend wichtige Rolle. “Mit Animationen können wissenschaftliche Daten visualisiert werden. So lassen sich etwa Hypothesen anschaulich machen. Eine Animation kann viel Komplexität transportieren und ist dabei nicht nur einem Fachpublikum zugänglich”, sagt Hagler. Ein Animationsfilm, der dieses Jahr präsentiert wird, visualisiert etwa die chemischen Vorgänge in einer biologischen Zelle.

Avantgarde und Klassiker

Ziel der Kuratoren ist es, Trends im Bereich der Animation aufzuzeigen, die auf klassischen Festivals üblicherweise keinen Platz finden. “Ursprünglich suchten wir auch einen Ort, an dem unsere Studenten Kontakt zur Avantgarde aufnehmen können. Für das Ars Electronica Festival war das Konzept interessant, weil ein theoretischer Teil im Animationsprogramm gefehlt hat”, sagt Hagler. Im Fokus steht trotzdem immer das Ergebnis einer Arbeit. “Die Technik kommt danach, die Analyse steht nicht im Fokus”, sagt Wilhelm. Die Projekte und Persönlichkeiten, die beim Symposium präsentiert werden, bewegen sich meist an den Rändern der Animationskunst. “Künstler erweitern immer das Repertoire. In 15 Jahren kann das dann jeder verwenden. Das ist ähnlich wie bei der Musik. Unsere Gäste müssen aber nicht Teil der Avantgarde sein”, sagt Wilhelm.

Auch Legenden des klassischen Animationsfilms finden durchaus ihren Platz im Expanded-Animation-Programm, auch wenn das Feld sich in den vergangenen Jahren weit über diesen Bereich hinausentwickelt hat. “Früher war Animation ein Genre, der klassische Disneyfilm. Heute ist es eine Kulturtechnik, die für fast alles genutzt werden kann, wie man in sozialen Medien oder modernen Musikvisualisierungen sieht”, sagt Hagler. Das liegt auch daran, dass die Techniken und Werkzeuge heute breit verfügbar sind. “Die Kids nutzen das und lernen früh, wie man Zeit staffelt. Dieses durch Animation geformte Verständnis führt wiederum dazu, dass Animationen häufiger verwendet werden”, sagt Wilhelm.

Verbreitung

Das hat dazu geführt, dass sich die Kunstform demokratisiert hat. “Früher war die Szene klein und elitär, heute gibt es viele Kunstschaffende und auch eine Menge Festivals, mit Beiträgen, die von spielerisch bis sozialkritisch reichen”, sagt Hagler. Durch die Verbreitung des Mediums lassen sich auch ganz neue Zusammenhänge aufzeigen. “Man kann unsichtbare Prozesse sichtbar machen. Die einfachste Version sind etwa Zeitrafferanimationen, die Wetterzyklen über ein Jahr zeigen. Da kann jeder die Muster sofort begreifen”, sagt Wilhelm. Das sind auch die Bereiche, in denen die Animation das größte Wachstumspotenziale hat.

“Klassische Animationen, wie in Trickfilmen und für Effekte, haben einen Sättigungspunkt erreicht. Felder wie Virtual Reality, Augmented Reality, Videospiele, Bildung und medizinische Forschung stecken aber erst in der Anfangsphase”, sagt Wilhelm. Durch die höhere Verfügbarkeit von Software und Vorbildern sind die Eintrittsschranken in der Animation gesunken. Das heißt aber nicht, dass jeder animieren kann. “Gut animieren ist genauso schwer wie in den 1920er Jahren. Der Ausdruck, das verblüffende Element, das Bleibt eine künstlerische Leistung. Das wird auch in Zukunft Domäne der Menschen bleiben. Wenn Computer je so intelligent werden, dass sie animieren können, dann werden sie auch Steuern zahlen müssen”, sagt Wilhelm.

Dieser Artikel ist im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und FH Oberösterreich entstanden.

Das Expanded Animation Symposium ist eine von vielen Veranstaltungen, die vom in Hagenberg ansässigen Department Digitale Medien der FH Oberösterreich organisiert werden. Dieses lädt im Rahmen der Vienna Design Week vom 30. September bis 9. Oktober auch in virtuelle Welten ein. Zum Department gehören auch das Media Interaction Lab, eines der führenden Forschungslabors auf dem Gebiet der Mensch-Computer-Interaktion, und die Forschungsgruppe Playful Interactive Environments (PIE), welche sich mit interaktiven und zeitbasierten Medien an der Schnittstelle zwischen Games und Animation befasst.

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Markus Keßler

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