Die Graustufen sind eigentlich für Personen mit einer Farbenblindheit gedacht

Die Graustufen sind eigentlich für Personen mit einer Farbenblindheit gedacht.

© Thomas Prenner

Digital Life

Smartphone im Schwarz-Weiß-Modus nutzen: Das hat es mit mir gemacht

Am Esstisch E-Mails checken, anstatt die Zeit mit der Familie zu genießen. Im Bett Instagram durchforsten, obwohl die Lider bereits schwer sind. Das Smartphone ist unser täglicher Begleiter. Und so anziehend, dass viele es gar nicht mehr aus der Hand legen können. Durchschnittliche Nutzer*innen verbringen über 3 Stunden täglich am Handy. Österreicher*innen gaben in einer Umfrage an, im Schnitt 20-mal am Tag auf ihr Smartphone zu sehen. 

Viele nehmen sich vor, ihre Handynutzung zu reduzieren. Das Internet hat dafür eine Vielzahl an Tipps und Tricks parat. Ein beliebter Lösungsvorschlag ist der sogenannte Schwarz-Weiß-Modus. Mit wenigen Klicks in den Einstellungen entzieht das Handy dem Bildschirm jegliche Farbe – das funktioniert sowohl auf Android-Smartphones als auch auf iPhones. Zurück bleibt eine Anzeige von Apps, Bildern und Nachrichten in Graustufen. Die Idee: Bewusst Farben ausblenden, um so die Reize auf dem Smartphone-Bildschirm für Betrachter*innen zu reduzieren. Aber funktioniert das wirklich? Ich habe den Graustufen-Modus 2 Wochen lang ausprobiert. 

Erfahrungskluft ist unbequem

Wenig überraschend erscheint der Bildschirm ohne leuchtende Farben weniger schrill. Alles ist gut lesbar, die Darstellung aber trotzdem ungewohnt. Das rührt laut Ulrich Ansorge, Professor für Psychologie an der Universität Wien, daher, dass die Schwarz-Weiß-Einstellung nicht mit bisherigen Erfahrungen von Nutzern übereinstimmt. „Eine Banane kann gelb, grün oder braun sein, aber nicht blau. Der Mensch stellt in der Regel eine Beziehung zwischen Farbe und einer Information her“, erklärt Ansorge. „Solche Beziehungen entstehen auch auf technischen Apparaten. Werden sie durch monochrome Darstellung gebrochen, entsteht eine Diskrepanzerfahrung“. 

Diese Erfahrung könne unangenehm sein und müsse erstmal von Nutzer*innen verarbeitet werden. „Insofern könnte tatsächlich die eigene Kapazität schneller ausgelastet sein“, sagt Ansorge. 

Signalfarben fehlen

Was mir in der monochromen Darstellung (nicht) ins Auge sticht: die Benachrichtigungssymbole oberhalb der App-Icons. Statt in Rot erscheinen diese jetzt in dezentem Grau. Normalerweise würde ich sie, sobald sie aufpoppen, zwanghaft wegklicken. Tatsächlich wird der Drang merklich geringer.

Das kann teils auf „die Beziehung zwischen der Bewertung von Objekten und ihrer Farbe“ zurückgeführt werden, wie Ansorge erklärt. Rot gilt in unserem Kulturkreis als Signal. Das zeigt sich im Straßenverkehr. Hier kommt Rot zum Beispiel bei Stoppschildern zum Einsatz. Ist das Benachrichtigungssymbol plötzlich grau und hat keine Signalfarbe mehr, werden auch die entsprechenden Emotionen nicht mehr so stark ausgelöst. Ein Öffnen der Nachricht erscheint dann weniger dringlich.

Kein Zwangsöffnen von Nachrichten mehr: Im Graustufenmodus habe ich meine Mails im Vergleich nicht so oft gecheckt.

Gewöhnungssache

Im Prinzip könne der Schwarz-Weiß-Modus durchaus Suchtgewohnheiten verändern, sagt Ansorge. Das belegen auch Studien. Wer sein Handy in Graustufen verwendet, verbringt deutlich weniger Zeit mit sozialen Medien oder dem Surfen im Internet. „Wahrscheinlich gewöhnt man sich aber an die monochromatische Darstellung. Es wäre dann nach einer Zeit egal, ob man die Benachrichtigungen in Rot sieht oder in einer bestimmten Graustufe“, gibt der Wissenschaftler zu bedenken. Denn ein Faktor, der weiterhin erhalten bleibe, sei der Helligkeitskontrast. Auch durch helles oder dunkles Grau werden Information übertragen. Daran könnten sich Nutzer*innen gewöhnen.

Auch ich gewöhne mich nach einer Woche an mein „altmodisches“ Handy. Fotos zu machen ist eigenartig und auch YouTube-Videos sehen seltsam aus. Mit der Zeit arrangiere ich mich aber. Vor dem Einschlafen schaue ich meistens ARTE-Dokus, die ohnehin Großteils in Schwarz-Weiß sind. Ich hefte nur die allerwichtigsten Apps am Home-Bildschirm an, um keine essenziellen Benachrichtigungen zu übersehen. 

Verpasste Termine

Am Ende sind es die kleinen Hürden, die den Schwarz-Weiß-Modus für mich mühsam machen. Bei Balkendiagrammen in den Nachrichten, zum Beispiel bei den Ergebnissen der Bundespräsidentenwahl, muss ich 4-mal hinsehen, um die Grafik zu verstehen. Und spätestens, als ich den ersten wichtigen Termin verpasse, weil er im Kalender grau und nicht rot angezeigt wird, frustriert mich die Einstellung. 

In Summe reduziert sich meine Verweilzeit am Smartphone kaum. Ich verbringe im Schnitt immer noch 3 Stunden am Tag am Handy. Auch wenn die Graustufen meine Smartphonenutzung nicht gedrosselt haben, haben sie mich zumindest sensibilisiert. Bei der Wiederherstellung der Farben am Display fällt mir auf: Die App-Designs sind enorm grell. Weniger auffällige Rot- und Grüntöne würden dem Auge mit Sicherheit nicht schaden. 

Graustufen-Modus finden

Samsung-Smartphones: Auf Handys von Samsung ist der Schwarz-Weiß-Modus in den Einstellungen zu finden. Nutzer klicken auf „Eingabehilfe“ und danach auf die Anzeige „Verbesserung der Sichtbarkeit“. Unter „Farbanpassung“ kann schließlich die Option „Graustufen“ ausgewählt werden. Bei anderen Android-Handys von Sony oder LG ist der Pfad ähnlich. Auch er beginnt unter dem Menüpunkt „Bedienungshilfen“.

iPhones: Auch Smartphones von Apple verfügen über die Funktion. In den Einstellungen findet sich unter „Bedienungshilfen“ die Option „Anzeige und Textgröße“. Ein Klick auf „Farbfilter“ führt zu der Option „Graustufen“.

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Lisa Pinggera

lisa_bingernda

Von 2021 bis 2023 bei futurezone. Erzählt am liebsten Geschichten über Kryptowährungen, FinTechs und die Klimakrise. Schreibt aber über alles, was erzählenswert ist.

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