Copernicus Sentinel-1 Satellit mit Blick auf die Erde.

Copernicus Sentinel-1 Satellit mit Blick auf die Erde. 

© ESA

Science

Wie sich Wien mit Satellitendaten auf den Klimawandel vorbereitet

2 Millionen Fotos - das entspricht der Datenmenge, die die Sentinel-Satelliten des Erdbeobachtungsprogramms Copernicus der Europäischen Weltraumagentur ESA täglich liefern. Das Besondere daran: Da die Satelliten regelmäßig um die Erde kreisen, werden die Informationen laufend analysiert und sind somit höchst aktuell.

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Daten aus dem All 

Doch all diese Daten helfen nicht, wenn sie kaum genutzt werden: “Das Problem ist, dass Satellitendaten nicht breitflächig verwendet werden und nicht in Prozesse eingebunden sind”, sagt Marie-Luise Bruckner, Projektleiterin des Vienna Geospace Hub

Das Team des 2023 gegründeten Vienna Geospace Hub, einem Innovationslabor für Satelliten- und Geodaten, will das ändern und die Daten aufbereiten, analysieren und Visualisierungen zur Verfügung stellen. Damit will man die Stadt Wien dabei zu unterstützen, klimafit zu werden.

Wo die Sonne scheint

Um Wien an die Herausforderungen der Zukunft anzupassen, sollen die Satellitendaten im Rahmen des Projekts “Nachhaltige Städte” der Bundeshauptstadt zur Verfügung gestellt werden. 

Konkret will man damit beispielsweise vorhersagen können, wie viel Sonne wo und wann scheint. Mit diesen Informationen kann der Energieertrag von Solaranlagen geschätzt und damit zur Netzstabilität beigetragen werden. Weiß man nämlich, wann mit wie viel Solarstrom im Netz zu rechnen ist, kann der Netzbetreiber darauf reagieren und andere Kraftwerke hoch- oder herunterfahren, damit das Netz nicht zu stark belastet ist.

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Auch Temperaturprognosen können durch die Daten von Satelliten verbessert werden. Damit kann festgestellt werden, wo es in einer Stadt besonders heiß ist, also sogenannte Hitzeinseln auftreten. Die Stadt kann darauf reagieren, indem sie an diesen Orten etwa mehr Bäume pflanzt.

Zudem sollen mithilfe der Daten auch Veränderungen im Gebäudebestand visualisiert werden. In Gebieten, die besonders stark verbaut sind, treten Hitzeinseln häufiger auf.

Daten für die Bürger 

Ein weiterer Schritt im Zuge dieses Projekts ist, die Daten in eine Online-Karte einzubinden. Bei der ESA-Initiative “Green Transition Information Factory” werden bereits Satellitendaten, zum Beispiel zum Photovoltaik-Potenzial bestimmter Orte, Waldausdehnung oder Luftqualität anschaulich aufbereitet. 

Seit November 2024 arbeitet das Team des Vienna Geospace Hub an diesem Projekt mit Partnern wie dem Austrian Institute of Technology (AIT) oder Geosphere Austria zusammen. 

Daten für Wirtschaft und Verwaltung 

Das Team des Vienna Geospace Hub fokussiert sich für seine Projekte auf die Satellitendaten und Bilder von Copernicus. Zum einen, weil sie kostenlos zur Verfügung stehen, aber auch, weil man die Daten besser nutzen und der Wirtschaft und Verwaltung zur Verfügung stellen möchte.

Zahlen und Fakten

Die Sentinel-Satelliten 

Das Copernicus Programm besteht aus 6 Missionen, den sogenannten Sentinels. Dabei werden eigenständige Satelliten und spezielle Messinstrumente unterschieden. 

2 Satelliten pro Mission 

Die Wiederholrate der Satelliten variiert zwischen 60 Minuten und 6 Tagen. Damit ist die Häufigkeit gemeint, mit der die Satelliten einen Punkt auf der Erde überfliegen. 

Satelliten in verschiedenen Höhen 

Die Satelliten befinden sich in unterschiedlichen Höhen, die von 700 bis 36.000 Kilometern reichen. 

Jede Mission hat einen bestimmten Fokus

Jede Mission hat ihren eigenen Schwerpunkt, beispielsweise die Erfassung  der Vegetation, die Aufzeichnung von Gasen oder die Beobachtung der Weltmeere.

Für den Vienna Geospace Hub wurde ein Budget von etwa 2 Millionen Euro bereitgestellt, das zu je 50 Prozent von der FFG und der Stadt Wien finanziert wird. Bis zum Projektende im Jahr 2028 soll eine datenbasierte Grundlage entstehen, die für Anpassungsmaßnahmen gegen den Klimawandel genutzt werden kann. 

Die Satelliten können noch weit mehr Informationen liefern, zum Beispiel zur Bodenbedeckung der Stadt, also Vegetation oder Versiegelung, oder zum Mobilitätsverhalten. “Das Spannende ist auch, dass laufend neue Satelliten gestartet werden. Dieses ganze Feld ist also in Bewegung und schon heute können sie nicht nur Bilder aufnehmen, sondern auch die Oberflächentemperatur erfassen oder ermitteln, welche Gase sich in der Luft befinden”, so Bruckner.

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Gebäudevermessung mit Satelliten

Satellitendaten können auch helfen, Veränderungen bei Gebäuden sichtbar zu machen. Der Vienna Geospace Hub überprüft im Zuge des Projekts “Raven”, ob  sich Gebäude beispielsweise durch den U-Bahn-Bau der Linien U2 und U5 bewegen. Genau im Blick hat diese Entwicklung die Stadtvermessung der Stadt Wien mit manuellen Messungen. Der Vorteil von Satellitendaten ist allerdings, dass sie eine größere Fläche und ein größeres Zeitfenster abdecken können. 

Das funktioniert, indem die Satelliten Signale aussenden und so die Erdoberfläche abtasten. "Anhand der Abweichung des zurückkehrenden Signals kann eine Veränderung gemessen werden. Vereinfacht gesagt handelt es sich hierbei also um eine Abstandsmessung”, sagt Marcel Simoner, Abteilungsleiter Innovation & Digitalisierung bei Urban Innovation Vienna, zu dem auch der Vienna Geospace Hub gehört. 

Auch KI kommt bei diesem Projekt zum Einsatz. Die Algorithmen entwickelt der Vienna Geospace Hub nicht selbst, sondern arbeitet mit Kooperationspartnern wie der Firma Augmenterra zusammen. Diese Algorithmen verarbeiten die Satellitendaten und die Ergebnisse werden dann mit den Messungen der Stadtvermessung verglichen und überprüft. 

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Sandra Czadul

Begeistert von Wissenschaft und stets auf der Suche nach Ideen, die uns voranbringen.

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