© Südwind

Initiative

Handy-Produktion: Ausbeutung auch in Indien

Während Handyhersteller und ihre Zulieferer in Südindien von den örtlichen Regierungen hofiert werden und in Sonderwirtschaftszonen Steuererleichterungen und Gratis-Strom lukrieren, arbeiten tausende Leute im Schichtbetrieb für einen Hungerlohn, teilen sich zehn Quadratmeter große Zimmer mit bis zu sieben Leuten und werden täglich bis zu drei Stunden an ihre Arbeitsplätze gekarrt. "Die Unternehmen können ihre Einnahmen oft zur Gänze behalten, der Bevölkerung bleibt wenig", sagen Christina Schröder und Nora Holzmann vom Verein Südwind, die im März vor Ort bei den Nokia-Zulieferbetrieben Foxconn und Wintek im südindischen Chennai recherchierten. Zwischen den "schicken Produkten" und den Lebens - und Arbeitsbedingungen der Menschen, die sie herstellen, bestehe ein krasser Widerspruch.

Bis zu 25.000 vorwiegend junge Menschen arbeiten in den Fabriken der Handyzulieferer in der südindischen Sonderwirtschaftszone. Viele von ihnen kommen von weit her, haben oft mehr als zwölf Jahre Schulausbildung und wurden von der Hoffnung angelockt, ihre Zukunft durch die Arbeit bei internationalen Unternehmen sichern zu können, erzählt Schröder. "Jetzt stehen sie im Schichtbetrieb für rund 100 Euro monatlich am Fließband und haben oft nicht einmal genug zu essen."

"Verlorene Generation"
Versuche der Arbeiter, sich gegen die Ausbeutung gewerkschaftlich zu organisieren, würden durch Drohungen im Keim erstickt, so die Südwind-Vertreterin: "Wer streikt bekommt keinen Job mehr." Die Arbeiter müssten von ihrem kargen Lohn jedoch auch noch ihre Familie unterstützen und würden unter Druck gesetzt. Sie spricht von einer "verlorenen Generation".

Die Lohnkosten seien bei Handys und Smartphones mit rund einem Prozent des Herstellungspreises "extrem gering", sagt Schröder. Würden die Löhne verdoppelt, würde sich das kaum auf den Preis auswirken.

E-Mail-Petition
Um gegen die Ausbeutung der Arbeiter in der Handyproduktion vorzugehen, hat der Verein nun eine E-Mail-Petition gestartet. Unterzeichner können so von allen Herstellern, die ihre Handys am österreichischen Markt anbieten, ein fair produziertes Telefon fordern. "Wir wollen die Unternehmen an ihre Verantwortung erinnern, die sie gegenüber den Menschen tragen, über deren Arbeit ihre Profite finanziert wurden", so Holzmann.

Handys, die unter fairen Arbeitsbedinungen hergestellt würden, gibt es noch nicht. "Es kann aber nur Realität werden, wenn wir es einfordern", sagt Holzmann: Menschen sollten Löhne bekommen, von denen sie leben können, keinen gesundheitlichen Gefahren bei der Arbeit ausgesetzt sein und sich gewerkschaftliche organisieren können, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen. "Das sollte für die gesamte Zulieferkette gelten und auch überprüft werden können", fordert die Südwind-Mitarbeiterin. "Wir sind überzeugt, dass es möglich ist. Es wird aber noch einige Zeit dauern."

"Transparenz und Information wichtig"
In anderen Bereichen, etwa bei Lebensmitteln oder Kleidung, würden viele Verbraucher zu fair gehandelten Produkten greifen, sagt Gabriele Zgubic, Leiterin der Abteilung Konsumentenpolitik in der Arbeiterkammer Wien. Ein ähnlicher Bewusstseinprozess sei auch für elektronische Geräte wünschenswert: "Es sei wichtig Transparenz und Informationen für Konsumenten bereitzustellen."

Hilfreich wären Kennzeichen für faire Handys, wie sie etwa bei Orangensaft oder Kaffee seit längerem in Verwendung seien, meint Holzbauer. Der Weg dorthin ist jedoch noch weit. Die Zulieferketten in der IT-Industrie seien lang und komplex. "Bei tausenden Komponenten pro Gerät ist es schwierig, alle Zulieferer zu erfassen und faire Arbeitsbedingungen zu schaffen."

Mobilfunker und Politik in der Pflicht
AK-Abteilungsleiterin Zgubic sieht auch die Telekommunikationsunternehmen in der Pflicht. Die meisten Handys, die in Österreich verkauft werden, seien Vertragshandys: "Es ist auch die Sache der Mobilfunkanabieter, sich für eine faire Produktion einzusetzen." Aber auch auf der politischen Ebene, etwa bei Handelsverträgen, seien Aktivitäten notwendig, meint Südwind-Mitarbeiterin Holzmann: "In der Politik muss etwas getan werden, um Unternehmen in die Schranken zu weisen."

Mehr zum Thema

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

mehr lesen
Patrick Dax

Kommentare