… postete Bildungs- und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek ein . Allein unter diesem Facebook-Posting finden sich nun fast 20.000 Kommentare, viele davon in sexistischem und persönlich diffamierendem Ton.
… postete Bildungs- und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek ein Foto auf Facebook mit einer Lernhilfe für Gabalier. Allein unter diesem Facebook-Posting finden sich nun fast 20.000 Kommentare, viele davon in sexistischem und persönlich diffamierendem Ton.
© Facebook

Hasspostings

"Etwas mehr Gelassenheit wäre angebracht"

Der Umgangston in den Kommentar-Sektionen einiger Online-Medien und Blogs ist zuweilen rau (eine Sammlung der unpassendsten Wortmeldungen findet sich etwa hier). In manchen Fällen schlagen die Poster mit ihren Kommentaren so weit über die Stränge, dass sich gar die Politik bemüßigt fühlt, Vorschläge zur Vermeidung von Hass-Postings zu machen. In Österreich setzt sich Justizminister Brandstetter für höhere Strafen gegen Übeltäter ein. Dabei kann ein beleidigender Kommentar im Netz schon heute teuer werden.

Der rechtskonservative Politiker Kurt Scheuch hat 2012 einen Poster der Kleinen Zeitung verklagt, weil er sich beleidigt fühlte. In erster Instanz wurde der betroffene Kärntner wegen übler Nachrede und Beleidigung sowohl straf- als auch zivilrechtlich verurteilt. Prozesskosten und Strafzahlung beliefen sich dabei auf 4000 Euro. Im Jahr 2013 wurde das strafrechtliche Urteil aber für nichtig erklärt, wodurch sich die Kosten um 1000 Euro reduziert haben. Eine abschreckende Wirkung haben dieses und ähnliche Beispiele aber bislang kaum erzielt, die Tonart im Internet hat sich nicht gebessert.

Zweifel an Klarnamen

Auch andere Maßnahmen, die auf der Androhung von Konsequenzen basieren, wie die von verschiedenen Seiten immer wieder geforderte Einführung eines Klarnamenzwangs, haben bislang kaum Besserung gebracht. Die angebliche Anonymität im Netz ist zwar ohnehin trügerisch, wie richterliche Anordnungen zur Herausgabe von Nutzerdaten zeigen. Aber auch die sofortige Identifizierbarkeit durch Verwendung echter Namen macht Menschen anscheinend nicht höflicher. Südkorea etwa hat kurzfristig versucht, die Sitten im Netz durch die von oben verordnete Einführung von Klarnamen zu erzwingen, nahm das entsprechende Gesetz schon nach kurzer Zeit wieder zurück, da sich keine Verbesserung der Manieren feststellen ließ (die futurezone berichtete).

Auch einige wissenschaftliche Studien kommen zum Ergebnis, dass Klarnamen nur teilweise für die Enthemmung der Internetnutzer verantwortlich ist. Schon ein oberflächlicher Streifzug durch Internetforen und soziale Netzwerke macht deutlich, dass Poster auch unter ihren richtigen Namen sehr gehässig sein können. "Leute mit Klarnamen sind mit derselben Wahrscheinlichkeit Trolle wie ohne", sagt etwa auch Lorenz König, Community-Manager bei der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ), die sich für den Weg der Moderation ihrer Foren entschieden hat. "Bei der NZZ haben wir uns entschieden, dass wir nicht möglichst viele User sondern gehaltvolle Diskussionen wollen. Von repressiven Maßnahmen halte ich wenig", sagt König. Das sei auch wirtschaftlich eine kluge Entscheidung. Ungezügelte Diskussionen bringen unter Umständen zwar mehr Besucher und längere Verweildauern, die Qualität de Debatten und das Image der Medienhäuser leidet aber unter verwilderten, nur noch polemisierenden Diskussionen.

Handvoll Übeltäter

Wenn Medien Verantwortung für die Qualität ihrer Inhalte, inklusive jener, die von Nutzern erstellt werden, übernehmen, kostet das zwar Ressourcen, löst aber das Problem der Hass-Postings und hebt die Qualität einer Webseite. Durch die Einführung eines Klarnamenzwangs könnte das in dieser Form wohl nicht gewährleistet werden. Schon die Kontrolle der Identität der Nutzer wäre enorm schwierig, da letztendlich nur eine Ausweispflicht das gewünschte Ergebnis bringen kann. Klarnamen führen zudem zu einem Rückgang der Diskussionsbereitschaft und vermindern unter Umständen auch die Qualität der Debatten, so König. Anonymität sei für viele Nutzer auch ein Schutz, der Vielfalt und Unabhängigkeit fördern kann.

Zudem steht der riesige Aufwand für die Einführung der Klarnamenpflicht in keinem Verhältnis zur Zahl der Online-Rüpel. „99,9 Prozent der Kommentare sind konstruktiv, auch international gesehen. Die Wahrnehmung der Forenkultur wird durch wenige Kampfposter verzerrt“, sagt etwa Annika von Taube, Community-Managerin bei Zeit Online, gegenüber der futurezone. Auch bei der Neuen Zürcher Zeitung heißt es auf Anfrage, dass die Zahl der beanstandeten Postings sich im niedrigen einstelligen Prozentbereich bewege. Das hat auch die Zeit Online dazu bewegt, sich für moderierte Foren zu entscheiden. „Wir sind mit unserem Moderationsmodell sehr zufrieden. Die Störer haben wir damit gut im Griff“, so von Taube.

Verantwortung wahrnehmen

Bei der Zeit Online sind ständig ein bis drei Mitarbeiter mit der Kontrolle der Foren beschäftigt, bei der NZZ ist immer ein verantwortlicher Angestellter anwesend. Bei Verstößen gegen die Richtlinien werden Postings gelöscht und Verwarnungen per Mail verschickt, wiederholte Auffälligkeiten können auch mit einer Sperre geahndet werden. Das reicht in den meisten Fällen aus, um für Ruhe zu sorgen. „Einige wenige hartnäckige User melden sich nach Sperren tatsächlich sofort wieder an. Hier haben wir dann keine weitere Handhabe“, so die Zeit Online Managerin.

Durch die ständige Kontrolle lassen sich ausfällige Einträge trotzdem in den Griff bekommen. „Hasspostings sind ein Störfaktor, wir sehen das aber als selbstverständlichen Teil der Online-Kultur. Im Umgang damit wäre ein wenig mehr Gelassenheit angebracht“, so von Taube. Verfahren gegen unflätige Kommentatoren hat es bislang weder bei der Zeit Online noch bei der NZZ gegeben. Bei gewissen Themen - aktuell etwa bei der Berichterstattung zur Ukraine - gehen die Wogen in den Foren zwar weiterhin hoch, die Kontrolleure haben die Verstöße gegen die Netiquette aber im Griff. "Ohne Kontrolle wäre die Situation untragbar, aber wer seinen Garten öffnet, muss die Regeln kommunizieren und zusehen, dass sie akzeptiert werden", so König.

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Markus Keßler

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