Internet: "Lehrer erst aktiv, wenn es brennt"
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr!
Worüber Schüler früher am Schulhof geredet haben, schreiben sie heutzutage im Netz auf ihre Facebook-Pinnwand. Nicht selten handelt es sich dabei um Beschimpfungen ihrer Lehrer, wenn diese sie zuvor im Unterricht mal wieder zurecht gewiesen haben. "Dass ein Tratsch am Schulhof nicht dasselbe ist wie ein Eintrag in einem Online-Netzwerk hat sich bei den Schülern noch nicht ganz herumgesprochen, da braucht es noch viel Bewusstseinsarbeit", erzählt Barbara Buchegger, Trainerin der Initiative Safer Internet, anlässlich des heutigen Safer Internet Day aus ihrer Praxiserfahrung an Schulen.
Buchegger hält regelmäßig Workshops an Schulen ab und holt das nach, was Lehrer oftmals versäumen: Ihre Schüler auf die "Schattenseiten" des Internets aufmerksam zu machen und Lösungswege mit ihnen zu besprechen. Dazu zählen Abzock-Fallen genauso wie Cyber-Mobbing oder Online-Beschimpfungen. "Mein Eindruck ist der, dass Lehrer bei der digitalen Medienkompetenz erst dann aktiv werden, wenn es brennt und an der Schule etwas in dem Bereich passiert ist", fasst Buchegger zusammen.
Eigenes Schulfach fehlt
"Die IKT-Kompetenz der Lehrer ist nur langsam im Steigen", sagt die Safer Internet-Trainerin. Die Mehrheit der Lehrer könne nach wie vor nicht gut mit PCs umgehen, geschweige denn, diesen sinnvoll in den Unterricht integrieren. "Dass Lehrer ihre Schüler kompetent begleiten können, soweit sind wir definitiv noch nicht." Laut Buchegger liegt das vor allem daran, dass es in der Unterstufe keinen verpflichtenden EDV-Unterricht, geschweige denn ein Unterrichtsfach namens "digitale
Medienkompetenz" gibt.
Zwar gebe es immer wieder "Erlasse" des Bundesministeriums für Unterricht, wie etwa den Web 2.0-Erlass oder den Grundsatzerlass zur Medienerziehung, der erst vor kurzem in Kraft getreten ist, doch davon lassen sich Lehrer, die selbst nicht Internet-fit sind, nicht beeindrucken, schließlich sei es nicht verpflichtend, so Buchegger. "Da machen nur die Lehrer etwas, bei denen es gut in den Unterricht passt. Zwingen kann man sie nicht und somit fehlt einfach die Verlässlichkeit, dass Kinder auf diesem Gebiet etwas lernen."
Keine Verbesserungen bei Junglehrern
Auch bei Junglehrern sieht Buchegger keine wesentlichen Änderungen. Die Ausbildung werde noch immer ohne Schwerpunkt auf digitale Medienkompetenz absolviert, die meisten der Ausbildenden würden selbst seit Jahren auf dieselben didaktischen Mitteln setzen und diese so weiter vermitteln, wie sie es selbst gelernt hätten. "Es gibt Schüler in vierten Klassen, die noch nie einen EDV-Saal von innen gesehen haben", erzählt Buchegger.
Dabei gebe es auch Möglichkeiten, wenn die Infrastruktur mangelhaft sei. "Heutzutage haben die meisten Kinder Smartphones mit Internet-Anschluss. Wenn ich die Kinder in Gruppen zusammenarbeiten lasse und alle gleichermaßen einbezogen werden, kann man viel erreichen, auch wenn nicht alle die gleichen Bedingungen haben", so die Trainerin für Internet-Kompetenz.
Smartphones im Unterricht
Gerade im Mathematik-Unterricht würden sich Smartphones beispielsweise als Taschenrechner-Ersatz eignen. "Ich kenne eine Lehrerin, die verwendet diese im Mathematik-Unterricht, weil sie der Meinung ist, dass es gerade die Geräte sind, mit denen Kinder auch im Geschäft ausrechnen können, ob die Prozentangaben bei den reduzierten Preisen tatsächlich mit den Angaben am Preisschild übereinstimmen", erzählt Buchegger. Zudem gebe es immer mehr Lern-Apps.
Doch die Smartphones, deren Durchdringungsrate bei Kindern gerade in letzter Zeit enorm gestiegen ist, bringen neben vielen Vorteile auch einige Probleme mit sich. "Die Kinder können leichter ins Netz und haben dadurch immer ihr privates Internet bei sich, das keiner kontrollieren oder sperren kann", so Buchegger. Hier würde es noch einen Lernprozess benötigen, um die unglaublichen Chancen von den "blöden Situationen" zu unterscheiden. Buchegger hofft, dass noch viele Lehrer das Potenzial von Smartphones im Unterricht erkennen werden, denn derzeit werde es noch unterschätzt.
Eltern in die Pflicht nehmen
Die Konsequenzen, die die Initiative Safer Internet aus der Misere, dass es an Schulen bei der Internet-Kompetenz "keine Verlässlichkeit" gibt, zieht, ist es, die Eltern der Kinder vermehrt in die Pflicht zu nehmen. "Ein Kind hat ja neben der Schule noch einen zweiten wichtigen Pol." Es sei daher als Elternteil sinnvoll, mit seinen Kindern zu besprechen, was sie im Netz treiben. Denn bei der Schule hängt es nach wie vor sehr stark vom Engagement der einzelnen Lehrer ab, ob die Kinder etwas über den Einsatz von
Wikipedia zur Recherche oder über die Privatsphäre-Einstellungen auf
Facebook lernen.
- Internet-Erziehung: Eltern mit Nachholbedarf
- Tablets statt Schulbücher: Verlage skeptisch
- 12-Jähriger programmiert Facebook-Check
- Facebook fordert Lehrer und Eltern heraus
Safer Internet Day
Am 7. Februar findet zum neunten Mal der europaweite Safer Internet Day statt, an dem sich mehr als 70 Länder beteiligen. In
Österreich werden Jugendliche mit Abgeordneten im Parlament diskutieren, dazu gibt es im Monat Februar zahlreiche Aktionen und Initiativen an Schulen. Was genau am heutigen Dienstag in Österreich für Programm geboten wird, findet sich auf Saferinternet.at.
Kommentare