Alexander Schmölz von der Uni Wien im futurezone-Interview.
Alexander Schmölz von der Uni Wien im futurezone-Interview.
© Alexander Schmölz

Smart School

Lern-Apps: "Brauchen neue Konzepte für guten Unterricht"

Alexander Schmölz ist Wissenschaftler am Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien und Projektmanager im IKT-Bereich. Sein Forschungsschwerpunkt liegt bei technologieunterstütztem Lernen mit besonderem Fokus auf digitale Werkzeuge, Kreativität und multimodale Didaktik. Er sitzt beim mLearning-Wettbewerb von Samsung in der Jury und wird über die schlausten Ideen für Lern-Apps mitentscheiden. Im futurezone-Interview erklärt er, warum es dank der Digitalisierung und der Integration von Tablets im Unterricht neue Konzepte braucht.

Futurezone: Was für einen Effekt können Lern-Apps auf den Unterricht haben?
Schmölz: Effekte hängen nicht primär von Apps und der Technik ab , sondern vor allem vom Umgang mit den Apps durch Schüler und Lehrer. Wenn man neue Technologien einführt, sind die Lehrer dazu angeregt, Kernfragen von gutem Unterricht neu zu stellen und darüber nachzudenken, wie man Unterricht damit neu gestalten kann.

Auf welche Fragen sollte man dabei als Lehrer Rücksicht nehmen?
Als erstes sollte man sich fragen: Welche didaktischen Ziele verfolge ich? Wie kann ich Unterricht so gestalten, dass die Ziele auch erreicht werden? Welche konkreten Lernaktivitäten sind sinnvoll? Wie kann ich Apps nutzen und gestalten, um diese Ziele zu erreichen? Technik wird erst dann lebendig, wenn Lehrer und Schüler sie angreifen und anfangen, damit zu arbeiten. Nur ein Tablet in der Klasse zu haben, hilft nicht.

Was sind Ihrer Meinung nach die größten Vorurteile, die Lehrer der neuen Technik gegenüber mitbringen?
Von den Lehrern, mit denen wir zusammenarbeiten, habe ich bisher keine großen Vorurteile gehört. Sie sind alle sehr engagiert, arbeiten alle über ihr normales Maß hinaus, sind selbstständig am Ausprobieren, was es Neues gibt, und versuchen die Geräte bestmöglich im Unterricht einzusetzen. Die meisten Lehrer sind sehr offen, wenn sie merken, dass sie eine ehrliche Unterstützung bekommen. Diese braucht es aber.

Was genau meinen Sie mit Unterstützung?
Technik alleine ins Klassenzimmer zu schmeißen und zu sagen, dass die Welt damit jetzt besser wird, reicht nicht. Im Rahmen von EU-Projekten und der Smart School von Samsung haben wir gelernt, dass mit der richtigen Unterstützung und offenen Kooperationen die Motivation der Lehrer immens sein kann, engagiert an neuen, pädagogischen Ideen zu arbeiten.

Können Sie beschreiben, wie man mit Tablets so arbeiten kann, dass es pädagogisch Sinn macht?
Es kommt drauf an, was für Ziele man sich steckt. Es gibt Apps mit denen Schüler Wissen generieren können. Damit können Lehrer Fragen gestalten, ähnlich wie beim Quizduell. Da geht es um Wissensfragen und durch die sich wiederholenden Fragen lernen Schüler punktuelles Faktenwissen. Wenn das das Ziel ist für einen Test, sind solche spielerischen Formen sehr gut. Dabei geht es um den spielerischen Umgang. Was die meisten technischen Lösungen allerdings nicht bereitstellen, ist, dass man solche Spiele schülerzentriert gestaltet.

Was genau meinen Sie damit?
Die größten Lerneffekte sind dann gegeben, wenn sich die Schüler selbst überlegen können, welche Fragen für sie spannend sind und diese selbst mit einer App generieren können und dann gegeneinander antreten. Da passiert am meisten im Lernprozess. Das wird bei vielen nicht mitgedacht, viele Apps sind nur für Lehrer gemacht. Wenn man den Schülern solche Möglichkeiten in die Hand gibt, dienen Lehrkräfte immer noch als Qualitätssicherung für die Fragen, aber es dreht sich die Rolle der Lehrkraft um. Das ist aus pädagogischer Sicht sehr spannend. Diese Antwort bezieht sich jetzt aber rein auf das Generieren von Faktenwissen.

Wie kann man noch mit Lern-Apps arbeiten?
Offene Apps, bei denen Schüler selbst Inhalte generieren können, sind gerade dafür gut, dass sie überfachliche Kompetenzen erwerben. Auf diesem Weg lassen sich kooperativ Geschichten erzählen. Dabei wird die Sprach- und Schreibkompetenz gefördert. Durch den spielerischen Zugang ist auch die Motivation meistens gegeben.

Wenn Schüler selbst Wissen recherchieren und es in den Apps niederschreiben lernen sie dadurch alleine schon so viel, dass sie nachher gar keine mehr Bücher mehr wälzen müssen. Das typische Auswendiglernen wird dadurch obsolet. Das kann man in etwa mit dem Schreiben von Schummelzetteln vergleichen – wer einen solchen zusammenfasst und niederschreibt, hat dabei bereits einen großen Lerneffekt.

Das funktioniert aber nicht in jedem Fachbereich, oder?
Im Bereich der Naturwissenschaften kann man mit Apps Simulationen durchführen. In der Physik könnte man in Sonnensysteme rein- und rauszoomen, Inhalte lassen sich visuell darstellen in 3D. Man kann dabei auch verschiedene Wahrnehmungskanäle ansprechen – etwas bewegen, spüren, schauen und hören. Und wenn man selbst etwas schreibt, kommt noch die Haptik dazu. Mit Tablets können sich die Kinder das auch gegenseitig zeigen. Das ist der Vorteil von Tablets gegenüber Laptop-Klassen.

Sind Tablets also besser für den Unterricht geeignet als Laptops?
Das hängt wie gesagt vom Lernziel ab. Es ist noch immer extrem wichtig, Programme wie Word und Office zu lernen. Klassische EDV-Kenntnisse sind extrem wichtig für Kids, wenn sie in die Arbeitswelt einsteigen. Da bringt ein Tablet nichts. Bereits Zweijährige können mit Tablets oder Smartphones Bilder anschauen. Das ist als Einstieg zwar super, aber für die Arbeitswelt braucht es mehr Skills für eine selbstbewusste Gestaltung des eigenen Lebens.

Tablets ergänzen also den EDV-Unterricht, ersetzen ihn aber nicht?
Tablets werden PCs im Unterricht nicht ersetzen, sondern stellen eine neue Nische dar, genauso wie die Einführung des TV nicht den Kinobesuch ersetzt hat. Das ist genauso bei Computern und Tablets. Je nach pädagogischer Ausrichtung können diese Technik-Geräte unterschiedlich eingesetzt werden. Tablets können sehr bereichernd sein an Punkten, an denen Laptops keine Leistung bringen und umgekehrt.

Wie sieht es mit dem Einsatz von Smartphones im Unterricht aus?
Das ist politisch umkämpft. Dazu machen wir derzeit keine Forschung. Die Problematik ist, dass es einen Riesen-Unterschied zwischen sozialem Hintergrund der Schulen und der Schüler gibt. Da braucht es eine gute Ausstattung, gute Betreuung, Möglichkeiten dass alle Schüler damit gleichmäßig umgehen können, damit wir nicht das Problem haben, dass sich die Kluft zwischen bildungsfernen und nahen Schichten vergrößert. In der AHS ist hier beispielsweise die Unterstützung der Eltern viel größer, da kann man schnell mal etwas Innovatives mit Smartphones machen. An Schulen, an denen dieser Hintergrund fehlt, ist das nicht gegeben, dann ist es sehr schwierig.

Wie könnte man dieses Problem lösen?
Wenn es Tablets für alle Schüler gibt, auch an Schulen, die nicht zu den privilegierten zählen, trägt das dazu bei, dass diese Kluft verkleinert wird. Es wäre daher schön, wenn es seitens der Politik eine klare Zielsetzung gäbe, hier verstärkte Maßnahmen zu treffen.

Der Technologie-Konzern Samsung sucht in Österreich bei einem mLearning-Wettbewerb Ideen für innovative Lehr- und Lernunterlagen, digitale Spiele und Lernsoftware für Tablets und Smartphones. Der Wettbewerb spricht alle Lehrer und pädagogischen Mitarbeiter über 18 an, die in Österreich arbeiten. Die Einreichfrist wurde von 27. Mai auf 31. Mai ausgedehnt - bis dahin können noch Ideen eingereicht werden, die Preisverleihung findet Ende Juni in Wien statt. Eine Fachjury sucht die besten Einreichungen aus.

Digitale Kompetenzen fördern

Lern-Apps sollen unter anderem die digitale Medienkompetenz der Schüler fördern. Digitale Fähigkeiten der Schüler geben diesen jedoch nicht nur mehr Selbstbewusstsein, sondern sind ein wichtiger Baustein für ihre Zukunft, weil sie auch im Berufsleben stark nachgefragt werden. „Wir schlagen mit unserer Initiative eine Brücke zwischen dem, was die Schüler in ihrer Ausbildung an den Schulen lernen und den Bedürfnissen ihrer zukünftigen Arbeitergeber in der Wirtschaft“, sagt der Samsung-Österreich-Chef Stuart Kang, der mit Jahresbeginn die Führung des Österreich-Geschäfts bei Samsung Electronics übernommen hat.

Eingereicht werden können Ideen in zwei Hauptkategorien und mehreren Unterkategorien. Einerseits werden Ideen für innovative Lernunterlagen gesucht, andererseits Ideen für Lernsoftware und ein digitales Spiel für Tablets und Smartphones. Die Unterkategorien widmen sich den Bereichen Sprach- und Leseförderung, forschendes Lernen, Förderung von Kreativität und spielbasiertes Lernen. Die Sonderkategorien widmen sich dem fächerübergreifenden, schulformenübergreifenden, schulstufenübergreifenden und schulübergreifenden Unterricht.

Preise

Zu gewinnen gibt es Preise im Gesamtwert von 50.000 Euro. Darunter als Hauptpreis die Ausstattung einer Schulklasse mit einem smarten Klassenzimmer sowie als zweiten Preis die Produktion der entwickelten Lern-App für Android-Smartphones. In Österreich gibt es bereits 16 Tablet-Klassen, die mit der smarten Technik von Samsung ausgestattet sind.

Mobiler Unterricht bietet enorme Möglichkeiten, sehr individuell auf die Persönlichkeit, Kenntnisse und Bedürfnisse der einzelnen Schüler einzugehen und so bessere Lernergebnisse zu erzielen“, ergänzt Kang.

Disclaimer: Dieser Artikel entstand in einer Kooperation mit Samsung.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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