
Massenansturm auf Wiener Chatbot-Konferenz
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Dass sich Wien mittlerweile zu einem internationalen Hotspot für Chatbots entwickelt hat, ist bereits seit knapp einem Jahr zu hören und zu lesen. Doch am Montag trat man den Beweis an: Hunderte Menschen strömten zum Community Day der ChatbotConf, einer Wiener Chatbot-Konferenz. Damit übertraf man leider auch die geplanten Kapazitäten der Veranstalter, weswegen viele interessierte Besucher draußen bleiben mussten. Viele hatten einfach übersehen, dass man sich für die Events im Vorfeld anmelden muss. Rund 600 Teilnehmer schafften es dennoch auf die zehn verschiedenen Events, die neben Workshops, Präsentationen und Diskussionen auch einen Walzer-Kurs umfassten.

© orat.io
"Twitter-Nutzer lieben 'nukleare Option'"
Das zeigte auch das Programm, das 27 Speaker aus aller Welt umfasste. Den Anfang machte Twitter, das beim Thema Bots immer wieder in den Schlagzeilen zu finden ist. Seien es nun Social Bots - automatisierte Fake-Accounts, mit denen die öffentliche Meinung beeinflusst werden soll - oder Microsofts missglücktes KI-Experiment Tay, der Tenor war eher negativ. Nach diesen PR-Desastern versuchte es Twitter mit Chatbots für Unternehmen. Nimmt ein Kunde über Twitter Kontakt auf, können diese automatisiert antworten, bei Bedarf kann aber auch ein Mensch übernehmen. Eine durchaus sinnvolle Funktion, interagieren doch 83 Prozent der Twitter-Nutzer mit Unternehmen und nutzen die Plattform oftmals, um Fragen oder Beschwerden zu stellen.

Robotern Sprechen beibringen
Mit Facebook und Amazon dominieren aber zwei andere US-Unternehmen die Chatbot-Branche. Während Facebooks Messenger mittlerweile mehr als 100.000 textbasierte Chatbots und ebenso viele Entwickler zählt, beherrscht Amazon mit Alexa den Markt für Sprachassistenten. Diese können per Spracheingabe einfache Befehle verstehen, beispielsweise um die Nachrichten vorlesen zu lassen oder um das Licht zu steuern. Doch beide Plattformen haben trotz Erfolg noch Kinderkrankheiten. Während Facebook mittlerweile Entwicklern zu vorgefertigten Antworten rät, weil 70 Prozent der automatisch verarbeiteten Eingaben falsch erkannt wurden, kann Alexa nur einfache Befehle verstehen und erlaubt keine Nachfrage. Das bringt vor allem die Entwickler in Bedrängnis, die zunehmend in die Rolle eines Psychotherapeuten schlüpfen müssen.
Regionale Lösungen
Eine Tatsache, an der auch die besonders aktive Wiener Chatbot-Community nichts ändern kann. Doch diese versucht diesen Umstand zumindest mit charmanten Antworten und cleveren Lösungen zu kaschieren. So hat Oratio unter anderem eine Funktion vorgestellt, mit der von Chatbot geführte Unterhaltungen von Menschen übernommen werden können - es brauche einfach diese “menschliche Komponente”, so Hauser. Doch auch an kreativen Chatbots von heimischen Entwicklern mangelt es nicht. Zu den besonders beliebten Beispielen WienBot, Swelly und RecordBird gesellen sich mittlerweile mehrere Dutzend weitere Chatbots dazu. Dabei gibt es neben Lösungen von großen Unternehmen, beispielsweise Wien Energie, auch Projekte mit großen Ambitionen, die nur als Hobby-Projekt gestartet wurden.
So trägt der Entwickler Philipp Naderer mit dem Seestad.city-Bot für die Bewohner der Wiener Seestadt relevante Informationen zusammen. Nutzer können den Bot nach den Abfahrtszeiten für die Öffis, Standorte von Ärzten oder Öffnungszeiten von Geschäften fragen. Ähnlich simpel und clever ist auch der Wachhund-Chatbot, der Haustierbesitzer warnt, wenn in der Nähe Giftköder gefunden wurden. Damit die Vielfalt an österreichischen Chatbots weiter wächst, gibt es mittlerweile mehrere Initiativen, die diese aktiv fördern, allen voran der Chatbot-Inkubator Lemmings.
Dieser veranstaltet allein dieses Jahr 16 Hackathons in Wien. Dabei treffen sich die Teilnehmer des Programms und Freiwillige, um gemeinsam in kurzer Zeit kleine Projekte umzusetzen. So wurden unter anderem beim Kurier, dem Musikfestival Waves Vienna und im ORF rasch Ideen für Chatbots entwickelt und diese als Prototypen verwirklicht. Im November folgt der nächste Hackathon im Museumsquartier, bei dem Chatbots für die Vienna Art Week entwickelt werden sollen.
Zukunft des Internets
Und auch der weltweit erste Chatbot-Accelerator “Elevate”, der vom Wiener Start-up The Ventury organisiert wurde, präsentierte kürzlich seine ersten vier Absolventen vor 100 potenziellen Investoren. Die Vielfalt ist dabei groß. IconicBot ist beispielsweise eine Plattform, mit der Prominente rasch Chatbots für die Interaktion mit ihren Fans entwickeln können. Toni hält hingegen Fußball-Fans über die Ergebnisse und Nachrichten ihrer Lieblingsmannschaften auf dem Laufenden. Jingle will lokale Einzelhändler unterstützen und sucht für den Nutzer den besten Preis in der Umgebung. Selly hilft hingegen beim Verkauf von gebrauchten Gegenständen. Auf der ChatbotConf begab man sich nun auf die Suche nach den nächsten Teilnehmern. Diese werden mit Coaching und Mentoring, aber auch mit Büroräumlichkeiten sowie 5000 Euro für Reisekosten und Firmengründung unterstützt.
Die Hoffnungen auf den Durchbruch im noch recht jungen Markt sind groß, obwohl es kaum große Erfolgsbeispiele gibt. Ein Chatbot-Start-up mit “Unicorn”-Status (Anm. d. Red.: Start-ups, die mehr als eine Milliarde Dollar wert sein sollen) gibt es bislang noch nicht. Ein Umstand, den auf der ChatbotConf aber niemanden störte. Für David Pichsenmeister, einem der Gründer von Oratio, sind Chatbots ohnedies erst der Beginn: “Die meisten von uns hatten das erste Mal Kontakt mit dem Internet über den PC und eine 56k-Leitung. Heute gehen die meisten Nutzer mobil online. Künftig werden wir aber das Internet über einfache Gespräche nutzen können.”
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