Der Mitarbeiter sitzt im Müllbunker und steuert den Müll-Greifarm, mit dem der Müll zu den Kesseln gebracht wird.
Der Mitarbeiter sitzt im Müllbunker und steuert den Müll-Greifarm, mit dem der Müll zu den Kesseln gebracht wird.
© Wien Energie

Spittelau

Müllverbrennung: Wie aus Kokain Fernwärme wird

Eigentlich ist es ausschließlich Restmüll, der in der Müllverbrennungsanlage Wien-Spittelau verbrannt wird. Doch auch Drogen und Schmuggelware landen im 1000 Grad heißen Müllkessel. Die Polizei liefert die Substanzen mehrmals pro Woche an. Unter Aufsicht der Beamten werden dann Cannabis, Zigaretten oder Kokain zusammen mit dem restlichen Müll in Strom und Wärme verwandelt.

Die heikle Ware wird dabei händisch von den Beamten unter Aufsicht in den Müllkessel geschmissen, während der restliche Müll stattdessen von einem großen Greifarm zum Schlitz des Kessels transportiert wird, bevor er in einem der beiden 35 Meter hohen Kessel verbrennt. Der Riesen-Greifarm wird dabei von einem Mitarbeiter von Wien Energie gesteuert, der den restlichen Müll in unterschiedliche Portionen aufteilt.

Müll-Greifarm

Im Müll selbst findet man alles: Von leeren Dosen, Socken, Gemüse bis zu Milchpackungen ist die ganze Palette dabei. „Alles, was die Menschen im Restmüll entsorgt haben, wird ausnahmslos verbrannt“, erzählt die Wien Energie-Geschäftsführerin Susanne Zapreva beim futurezone-Lokalaugenschein. Je nachdem ob der Müll trocken oder nass ist, oder ähnliche Komponenten beinhält, fasst der Mitarbeiter mit dem Greifarm nur bestimmte Säcke und wirft diese in den Kessel. Geruchsempfindlich darf man bei dieser Arbeit jedoch nicht sein.

250.000 Tonnen Abfall landen pro Jahr in der Müllverbrennungsanlage in Spittelau. „Wenn der Müll im gesamten 9. Bezirk ausgeleert werden würde, dann wäre das in etwa kniehoch“, erzählt Zapreva. Seit drei Jahren wird die Anlage nun generalsaniert. 400 Bauarbeiter haben daran mitgearbeitet, dass die Sanierung planmäßig mit Juni abgeschlossen wird. Der Bauleiter Ulrich Ponweiser ist zurecht stolz darauf. Denn es passiert nur äußerst selten, dass bei derartig großen Projekten der Zeitplan so exakt eingehalten wird wie hier.

Neue Müllkessel

Herzstück der Erneuerung sind dabei die beiden Müllkessel, in die der Müll, auch das Kokain und die Schmuggel-Zigaretten, reingekippt werden. Sie wiegen 2000 Tonnen haben spezielle Wände, die der hohen Hitze standhalten müssen. Bei der Besichtigung von innen wirken die Wände massiv. Die Wärme des Rauchgases, das bei der Verbrennung entsteht, kann durch sie nicht nach außen dringen, sondern wandert durch die wasserdurchströmten Rohre 35 Meter nach oben, wo sie in eine Turbine weitertransportiert wird.

Die aufsteigende Wärme erzeugt dabei 400 Grad heißen Dampf, der in der Turbine für die Stromproduktion und Wärmeauskoppelung verwendet wird. All diese technischen Einrichtungen der Anlage sind im Zuge der Sanierung komplett ausgetauscht und technisch verbessert worden. Pro Stunde werden in jedem der beiden Müllkessel bis zu 16 Tonnen Abfall verwertet und 54 Tonnen Dampf erzeugt. Das reicht, um in Wien 60.000 Haushalte mit Fernwärme und 50.000 Haushalte mit Strom zu versorgen. Vor der Sanierung waren es beim Strom die Hälfte.

Strom und Wärme

„Strom und Wärme kommen aus dem Müll, den die Wiener selbst verursachen“, erklärt Zapreva. Im EU-Schnitt werden nur 20 Prozent des Restmülls verbrannt und in Energie umgewandelt, in Wien sind es 100 Prozent. Damit liegt Wien laut Zapreva international im Spitzenfeld. 130 Millionen Euro wurden in die neue Technik in der Müllverbrennungsanlage investiert. Die Kosten werden laut Zapreva allerdings nicht an die Kunden weitergegeben.

Fernwärmezentrale Wien Spittelau.

Nach der Müllverbrennung übrig bleiben dann pro Tonne Abfall 220 kg Schlacke, 16 kg Asche und 1 kg pro Tonne an Filterkuchen übrig. Dieser giftige Rest wird an die Untertage-Deponie in Deutschland transportiert. Nach einer Schlackenaufbereitungen wird aus der Schlacke Metall als Wertstoff zurückgewonnen. Aus dem in Wien schon aus der Ferne sichtbaren, berühmten Schlot bei Spittelau kommen hingegen nur gereinigte Rauchgase. Diese werden zusätzlich zu herkömmlichen Methoden in einer eigenen Katalysatoranlage gereinigt. Das Aufheizen dieser Anlage erfolgt im Unterschied zum bisherigen System mit dem im Kessel erzeugten Dampf. „Dadurch wird die Emissionssituation in Wien weiter verbessert“, sagt Zapreva.

Bis zum Juni werden alle Arbeiten an der neuen Anlage abgeschlossen sein. Die 35 Meter hohen Müllkessel werden dann in den nächsten 40 Jahren nicht mehr von innen begehbar sein, sondern stattdessen in den kommenden Heizsaisonen für viel Wärme – sei es durch Kokain, Schmuggel-Zigaretten oder Haushaltsmüll – sorgen.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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